Musik aus dem Exil

Eine Hommage an das Leben und Werk von Paul Walter Jacob

Von Meike Lohmann

Como vino la mano - CS6 Editable 04Die Musik war seine große Leidenschaft. Anfang des letzten Jahrhunderts, als Kind einer Arbeiterfamilie in Duisburg geboren, begann Paul Walter Jacob früh, sich für Musik zu interessieren. Nach der Schule studierte er, gegen den Wunsch seines Vaters, an der Kunsthochschule Berlin und arbeitete als Schauspieler und Regisseur mit verschiedenen Opern-Ensembles im Ruhrgebiet. Verfolgt von den Nazis floh er 1939 nach Argentinien ins Exil. Nur ein Jahr später gründete er die “Freie Deutsche Bühne”, das zu dieser Zeit einzige deutsche Theater im Exil. Daneben begann er auch für das “Argentinische Tageblatt” zu schreiben.

Jacob setzte sich für den Erhalt und die Aufzeichnungen der durch die Nazionalsozialisten verbotenen Musiker wie Mendelssohn Bartholdy, Mahler oder Schoenberg und deren Stücke ein. Die von ihm ins Leben gerufene Konferenz “Verbotene Musik” war einer der wenigen Versuche, das Thema während des Hitler-Regimes in die Öffentlichkeit zu bringen. Einige Jahre nach Ende des Krieges kehrte Jacob zurück nach Deutschland, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1977 blieb.

Das im Mai erschienene Buch “Paul Walter Jacob y las músicas prohibidas durante el nazismo” ehrt Leben und Werk des Künstlers, der nicht nur Musiker und Schauspieler, sondern auch Rebell und Freiheitskämpfer war. Die Autoren Silvia Glocer, Doktorin der Kunstgeschichte an der UBA, und Robert Kelz, Professor der Germanistik an der Universität von Memphis, vereinen die Geschichten eines deutschen Flüchtlings in Südamerika und der Rolle der Musik während der Nazizeit. Erstmals wird auch eine spanische Version der Konferenz “Verbotene Musik” veröffentlicht. Daneben finden sich weitere Schriftstücke und der Briefwechsel zwischen Paul Walter Jacob und seinem Freund, dem damals ebenfalls im Exil lebenden Orchesterleiter Fritz Busch.

Bis zum bitteren Ende

“Die Toten Hosen” rockten wieder in Buenos Aires

Von Michaela Ehammer

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Lauter, punkiger, rockiger – das sind “Die Toten Hosen”, die Punkrock-Band aus Düsseldorf. Sie brachten Bühnen zum Einstürzen, verteilten Kondome auf Konzerten und konnten sich über eine eigene Hörfunksendung freuen. Aus der Punkszene von Buenos Aires sind sie genau wie “Los Violadores”, eine ihrer Vorbands, nicht mehr wegzudenken. Seit Jahren rocken sie ihr euphorisches argentinisches Publikum, so auch bei den fünf ausverkauften Konzerten bei der “Buenos Aires City Tour 2015” Mitte Mai in ihren Lieblingsclubs verteilt in der ganzen Stadt.

Mit Argentinien verbindet sie eine lange und tiefe Liebe. So schlendern die Musiker in ihrer Freizeit gerne durch die Stadt, essen köstliches argentinisches Steak oder schauen Fußball, auch wenn sie sich beim argentinischen Fußball neutral halten. Wie der Name der Kult-Band entstand und wieso Buenos Aires zu ihrer zweiten Heimat wurde, erzählt mir Bassist und Songwriter Andreas Meurer, der “Andi”, in einem Interview vor dem letzten Konzert im Groove.

hosen_andiFrage: Seit 1982 gibt es “Die Toten Hosen”, seit 1992 spielt ihr regelmäßig in Argentinien. Wie kam diese besondere Freundschaft zustande?

Andi: Tatsächlich war es so, dass ein Hosen-Fan und Freund von uns von der Arbeit aus nach Argentinien versetzt wurde. Der hat uns dann von der großartigen argentinischen Punkszene erzählt und gemeint, wir sollten dort auch mal spielen. Unsere Antwort war klar: “Wenn du uns die Flugtickets schickst, dann kommen wir.” Wir dachten natürlich nicht, dass er das tut. Aber die kamen dann tatsächlich. Und so kam unser erstes Konzert hierzulande zustande. Wir hatten ja keine Ahnung, was uns erwartet, gar nicht, aber es war schon ein großartiger erster Abend, was da alles abging… Seitdem spielten wir oft und gerne in Argentinien.

Frage: Seit über 30 Jahren tourt ihr um die Welt. Kann man sagen, dass sich das deutsche bzw. europäische vom argentinischen Publikum unterscheidet?

Andi: Da gibt es auf jeden Fall Unterschiede. In Buenos Aires zu spielen ist natürlich schon sehr aufregend. Dieses extrem euphorische Publikum hier mit seiner unglaublichen Leidenschaft fasziniert uns immer wieder aufs Neue. Vor allem die eigenen Lieder, die hier in Argentinien zwischendurch vom Publikum gesungen werden, das hat schon seinen ganz speziellen Reiz.

Frage: Gibt es ein bestimmtes Konzert, das euch ganz besonders nah ging?

Andi: Oh, gerade in Buenos Aires gibt es da eine Menge besonderer Konzerte, die uns in bester Erinnerung geblieben sind. Zum Beispiel im River-Stadion beim Abschiedskonzert der Ramones zusammen mit Attaque 77 und Iggy Pop, das Straßenkonzert auf der Rodríguez Peña, oder das Konzert im Museo, bei dem nach 20 Sekunden die Bühne eingebrochen ist (schmunzelt).

Frage: Was macht ihr Musiker vor den Konzerten, um abzuschalten und euch vorzubereiten? Gibt es ein spezielles Ritual?

Andi: Rituale darf man ja nicht verraten. In Deutschland oder in Europa ist es so, dass wir nicht ohne unsere Tischtennisplatte auf Tournee gehen. Wir spielen also praktisch vor den Shows Tischtennis (lächelt). Nach Argentinien haben wir sie jedoch nicht mitgenommen. Das war dann doch etwas zu schwierig, die im Flieger zu verstauen.

Frage: Woher kommt der Name “Die Toten Hosen”?

Andi (lacht): Darauf gibt es verschiedene Antworten. Welche willst du denn hören?

Frage: Die beste?

Andi: Als wir uns gegründet haben, war es klar, mit dem Namen konnten die Leute nicht ihr Geld zurückverlangen, weil wir so schlecht waren. Wir haben es ja vorher schon in unserem Namen gesagt, “Die Toten Hosen”.

Frage: Auf welches Album seid ihr besonders stolz?

Andi: Stolz ist das falsche Wort, finde ich. Aber natürlich gibt es Alben denen wir mehr Bedeutung schenken und die einen höheren Stellenwert für uns haben, wie zum Beispiel “Auswärtsspiel”, “Opium fürs Volk” oder “Palast der Republik”. Dann gibt es natürlich auch Alben wie “Damenwahl”, mit dem wir im Nachhinein nicht so zufrieden waren.

Frage: Was ist dein ganz persönlicher Lieblingssong?

Andi: Das wechselt bei mir. Es gibt eine Menge Lieder, die ich besonders gerne spiele.

Frage: Anfänglich noch als Vorband von weltberühmten Bands wie den Rolling Stones, U2 oder Green Day tätig, könnt ihr euch heute diesen Bands gleichstellen. Hättet ihr je gedacht, dass eure Band einmal so einen großen Erfolg feiern wird?

Andi: Natürlich nicht. Sowas kannst du auch in keiner Form planen. Wir sind natürlich froh, dass das alles passiert ist, aber es war ein reiner Glücksfall und das wissen wir auch zu würdigen (schmunzelt). Wie gesagt, am Anfang unserer Karriere hatten wir Angst, dass die Leute ihr Geld zurückverlangen würden.

Dann ist es soweit: Das Licht verdunkelt sich, die Gitarrentöne geben dem gut gelaunten Publikum zu verstehen, dass es jeden Augenblick losgehen wird, und die Musiker Campino, Andi, Breiti, Vom Ritchie und Kuddel springen auf die Bühne. Mit dem Lied “Bonnie und Clyde” beginnt im Groove das letzte Konzert im Rahmen der “Buenos Aires City Tour 2015” und es wird gerockt, was das Zeug hält. Manch einer aus der jubelnden Menge lässt sich bis vor die Bühne tragen, um seinen Idolen möglichst nah zu sein.

Die Band hält viele Überraschungen für ihre argentinischen Freunde bereit: Campinos Schwester Maria singt ein Duett mit ihm, Adriano Celentanos Klassiker “Azzurro” ertönt in herben Punkklängen genau wie “The Passenger” vom “Godfather of Punk” Iggy Pop. Der Höhepunkt ist jedoch, als sich Campino vom Balkon ins Publikum stürzt und sich von seinen Fans wieder zur Bühne tragen lässt, während er weiter ins Mikrofon kreischt. Für sein Rumtreiben auf der Bühne ist er ja bekannt, dieser Sprung ist jedoch mehr als gewagt. Auch Bassist Andi stürzt sich ins Publikumsmeer und rockt weiter auf seiner Bass-Gitarre. Eine Show der Superlative, die jeden einzelnen Peso wert war!

Das Publikum, welches perfekt zu den deutschen Liedern mitsingen konnte, war begeistert – und die Hosen auch, denn ans Aufhören wollten sie gar nicht denken. Die Zugaben konnte man schon nicht mehr zählen, bis dann nach zweieinhalb Stunden das letzte Lied gespielt wurde, ganz nach dem Motto der Hosen: Bis zum bitteren Ende! So dürfen wir uns wohl noch auf viele Konzerte freuen.

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(Fotos: Michaela Ehammer)

Ringo Starr spielt gratis in Buenos Aires

Ex-Beatle tritt am 1. März auf der Freilichtbühne Pampa Ecke Avenida Figueroa Alcorta auf

Von Michaela Ehammer

God is in my life, says Ringo StarrRingo Starr (74), Sänger, Liederkomponist, Schauspieler und früherer Schlagzeuger der Beatles, geht wieder auf Tournee – gerockt wird unter anderem auch in Buenos Aires. Im Rahmen des “Movistar Free Music Festival” am 1. März wird der Ex-Beatle mit seiner “All Starr Band” auftreten, die aus Steve Lukather (Toto), Richard Page (Mr. Mister), Gregg Rolie (Santana), Todd Rundgren, Gregg Bissonette (David Lee Roth) und Warren Ham besteht.

Starr gastiert bereits zum dritten Mal in vier Jahren in der Stadt des Tangos, wo er seine Fans mit den größten und bekanntesten Hits sowie Songs aus seinem neuen Album, das Ende März erscheinen soll, verzaubern will.

Musik verbindet

Foo Fighters: Rockmusik und Ohrenbetäubung vom Allerfeinsten

Von Michaela Ehammer

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Sie sind Musiker aus purer Leidenschaft, seit 20 Jahren im Musikgeschäft, die Gewinner zahlreicher Brit-, Grammy- und MTV Video Music-Awards und rockten Sonntag bereits zum zweiten Mal in Argentinien: die legendären Foo Fighters. Nach Veröffentlichung des aktuellen Albums “Sonic Highways” und im Rahmen der einjährigen Welttournee überzeugte die US-amerikanische Alternative-Rock-Band 30.000 argentinische Fans des Post Grunge und Hard Rock im Estadio Único in La Plata.

Schon die britische Indie-Rock-Band Kaiser Chiefs heizte als Vorband mit ihren berühmten Songs wie “I Predict A Riot” oder “Ruby” gewaltig ein. Obwohl das Konzert nicht ausverkauft war, hätte die Stimmung nicht besser sein können, besonders als die Foo Fighters mit den Worten “Wir haben Euch viel Musik mitgebracht und werden mit Euch die ganze Nacht lang rocken!” die Bühne betraten und ihre ersten Töne erklangen. “What a fucking great night!”, brüllten die Musiker immer wieder in die jubelnde Menge.

Während der dreistündigen Show versetzte der Band-Gründer, Leadsänger und ehemalige Nirvana-Schlagzeuger Dave Grohl gemeinsam mit der Gruppe und seinem Schlagzeuger-Kollegen Taylor Hawkins, der als einer der besten Schlagzeuger der Welt gilt, ohne Unterbrechung und mit viel Witz, Charme und ein paar spanischen Grußworten das argentinische Publikum bei voll aufgedrehten Reglern mit alten und neuen Songs wie “Walk”, “Best of You” oder “Something from Nothing” in einen atemberaubenden Rock-Rausch, der bei gutem Wind durchaus noch bis Buenos Aires zu spüren war.

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Die Foo Fighters heizten La Plata ein.
(Foto: Michaela Ehammer)

Auf den Spuren von “Kairós”

Theater-Bar sorgt für Abwechslung und sagt der Langeweile ade

Von Michaela Ehammer

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Vier Freunde und ein gemeinsames Ziel: Etwas Neues im Leben zu finden, das Spaß macht, das die Realität verändert, das glücklich macht und auch noch Geld bringt. So entstand “El Método Kairós”, die kultige Theater-Bar in Palermo.

“Die Idee war, nicht nur ein Theater, sondern auch eine angenehme Atmosphäre für ein gemütliches Beisammensein danach zu kreieren”, so die vier Betreiber Matias Puricelli, Francisco Ruiz Barlett, Gastón Segalini und Santiago Meiriño. Und so verwandelte sich die ehemalige Mechanikerwerkstatt innerhalb von fünf Monaten in ein zauberhaftes Theater, das Platz für 95 Personen bietet, mit einer hippen Bar. Hier wird für Abwechslung gesorgt, um in der Welt des Theaters dem Alltag und der Langeweile zu entfliehen.

Doch was steckt hinter dem Namen “Kairós”? „Wir wollten eine fiktive Person erfinden, um dem Ganzen eine Identität zu geben“, so Gastón Segalini, einer der Besitzer. Mit der Identität Kairós, was soviel wie “etwas jetzt machen” bedeutet, wolle man die Leere, die jedem einmal im Leben begegnet, ausfüllen.

Das Eröffnungsstück “Varieté Brutal” leitete im März 2014 die Theatersaison ein. Bisher gab es schon über 30 verschiedene Stücke, die ihre Zuschauer begeisterten. “Así de simple”, “La Amante de Bertolt B.”, “El Pájaro de Fuego” und “simondieu impro” sind nur einige der aktuellen Shows. Ein ganz besonderes Highlight war “Te quiero hasta la Luna”. Das Stück über die Freuden und Leiden der Liebe von der Jugend bis zum Erwachsenenalter, aus der Feder der beiden Betreiber Matias Puricelli und Francisco Ruiz Barlett, hat es von Buenos Aires über San Juan sogar bis über die Landesgrenzen hinaus, nämlich nach Mexiko, geschafft. Und seit Ende Dezember 2014 bzw. Anfang Januar wird es auch in Mar del Plata und in Córdoba gezeigt.

Theaterstücke gibt es täglich donnerstags, mit anschließender bühnenreifer Live-Musik – die Besitzer singen und musizieren gerne selber. Wo? El Salvador 4530, Palermo, Buenos Aires. Auf der Facebook-Seite der Theater-Bar erfahren Sie, wann die Spielzeit 2015 im Theater losgeht.

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Die Besitzer (v.l.) Matias Puricelli, Francisco Ruiz Barlett, Gastón Segalini und Santiago Meiriño sorgen täglich für eine super Stimmung.
(Foto: Vicky Médici)

Robert Lippok in Argentinien

Architekt der deutschen Elektronik in der Usina del Arte

lippok3Der deutsche Musiker und bildende Künstler Robert Lippok tritt am Samstag bei freiem Eintritt im Vorfeld des roBOt Festivals Buenos Aires in der Usina del Arte auf. Partner des roBOt Festivals sind das Goethe-Institut, Alma Mater Studiorum Università di Bologna – Vertretung Argentinien und Usina del Arte. Auf Einladung des Goethe-Instituts tritt in diesem Rahmen der deutsche Musiker und bildende Künstler Robert Lippok zum ersten Mal in Argentinien auf und beteiligt sich dabei an drei Veranstaltungen: Ein Workshop, ein öffentliches Gespräch und ein Konzert.

Die Veranstaltungen finden am 6. Dezember im Vorfeld des Festivals statt, das im nächsten Herbst in Buenos Aires in der Usina del Arte geplant ist. Das Programm orientiert sich an der Originalausgabe dieses legendären, italienischen Festivals in verschiedenen Sektionen und gestaltet seine nächste Ausgabe in Buenos Aires nach dessen Vorbild in Modulen: Musik-Live-Sets, Workshops, Videoinstallationen und Dokumentarfilmvorführungen. All dies vor dem thematischen Hintergrund des Festivals, das sich um den Schwerpunkt Digitales Gedächtnis und das relative Vermögen der Beeinflussung unserer Gedächtnisse dreht: #lostmemories.

Programm:

  • Installationen der Call4roBOt-Projekte, Italien
  • 16 Uhr: “Ableton & Production techniques and tool”, Workshop unter der Leitung von Mariano Trocca (Argentinien) + Robert Lippok (Deutschland)
  • Ab 17 Uhr und bis Ende: Área Bar mit DJs
  • 18 Uhr: Kurzfilmvorstellung des roBOt Festivals, Auswahl aus verschiedenen europäischen Festivaleditionen
  • 18.30 Uhr: Matias Sundblad live set
  • 19.30 Uhr: Melmann + Lucas DM (Visuals), Performance des Künstlers Nicolás Melmann
  • 20.30 Uhr: Öffentliches Gespräch mit Robert Lippok und Pablo Schanton
  • 21.30 Uhr: Konzert Robert Lippok “Redsupermotorfader”

Weitere Informationen auf der Webseite des Goethe-Instituts Buenos Aires.

Inspirierendes Konzert

Bugallo-Williams krönender Abschluss des 18. “Ciclo de Música Contemporánea”

Von Susanne Franz

bugallo_wIlliamsDer diesjährige 18. Zyklus Zeitgenössischer Musik unter der Leitung von Martín Bauer ging nach fast einem Monat mit 12 atemberaubenden Konzerten, Meisterklassen, Vorträgen und (Video-)Konferenzen am vergangenen Samstagnachmittag im Casacuberta-Saal des San Martín-Theaters mit einem Konzert des Pianistinnen-Duos Bugallo-Williams zu Ende.

Die Argentinierin Helena Bugallo und die US-Amerikanerin Amy Williams spielten vierhändig ein eklektisches Konzert mit Werken György Kurtágs (bis auf eine kurze Transkription eines Strawinsky-Streichquartetts). Die Pianistinnen zeigten eine unbändige Spielfreude und boten die komplizierten, inspirierenden Werke mit großer Meisterschaft und ausdrucksstarkem Temperament dar, wofür sie vom Publikum mit begeistertem Applaus gefeiert wurden.

Hommage an Frédéric Chopin

Konzertreihe internationaler Pianisten im Palacio Paz

Von Marcus Christoph

chopinIn stilvollem Ambiente Klavierklängen der Meister zu lauschen, dazu lädt das Chopin-Festival ein, das in diesen Wochen im Palacio Paz (Av. Santa Fe 750) in Buenos Aires stattfindet. Vor wenigen Tagen gab mit Luis Ascot ein argentinischer Pianovirtuose bei den Festivalwochen seine Visitenkarte ab.

Mit Stücken von Wolfgang Amadeus Mozart, Robert Schumann, aber auch von brasilianischen Komponisten wie Heitor Villa-Lobos und Ernesto Nazareth sowie schließlich einer Zugabe von Frédéric Chopin verzauberte Ascot sein Publikum, das sich im malerisch ausgestalteten Kuppelsaal des Prachtgebäudes an der Plaza San Martín eingefunden hatte.

Ascot kann auf eine langjährige Karriere als erfolgreicher Pianist zurückblicken. Bereits im Alter von fünf Jahren fing er in seiner Heimatstadt Buenos Aires mit dem Klavierspielen an. Später setzte er seinen musikalischen Werdegang in Rio de Janeiro fort, ehe er Anfang der 70er durch ein Stipendium der Schweizer Regierung ans Genfer Konservatorium kam. Die Grundlage für eine internationale Konzertlaufbahn mit zahlreichen Auszeichnungen war gelegt.

Ascot ist einer von acht Pianisten, die auf dem Programm des Festivals stehen. Das nächste Konzert am kommenden Mittwoch (1. Oktober) gibt der Kroate Lovro Pogorelich. An den darauffolgenden Mittwochabenden sind dann der Österreicher Manfred Wagner-Artzt (8. Oktober) und – zum Abschluss – der Russe Konstantin Scherbakov (15. Oktober) zu hören. In den Vorwochen hatten bereits internationale Klaviervirtuosen wie Joaquín Achúcarro (Spanien), Michael McHale (Irland), Michal Karol Szymanowski (Polen) und Martha Noguera (Argentinien) Kostproben ihres Könnens gegeben.

Veranstalter der Konzertreihe ist die hiesige Chopin-Stiftung (Fundación Chopiniana), deren Präsidentschaft der polnische Botschafter Jacek Bazánski innehat. Polen ist das Geburtsland von Frédéric Chopin, der später nach Frankreich emigrierte.

Die noch ausstehenden Konzerte beginnen jeweils um 19.30 Uhr im Palacio Paz. Der Eintritt beträgt je nach Sitzplatzkategorie 170, 200 oder 250 Pesos. Eine telefonische Anmeldung kann montags bis freitags von 13 bis 18 Uhr unter der Nummer (011) 4311-1071 getätigt werden, ist aber nicht zwingend erforderlich. Die Organisatoren bitten darum, sich bis spätestens 19.20 Uhr am Konzertort einzufinden.

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Frédéric Chopin.

Buenos Aires im Banne Barenboims

Freiluft-Konzert des Stardirigenten an der Alsina-Brücke & Autorenlesung in der Deutschen Botschaft

Von Marcus Christoph

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Orchestermusik einmal anders: Nicht im pompösen Festsaal, sondern unter freiem Himmel im eher proletarisch geprägten Buenos-Aires-Stadtteil Nueva Pompeya lud Stardirigent Daniel Barenboim am Sonntag zu einem Konzert. Rund 8000 Zuschauer waren an diesem frischen Wintermorgen gekommen, um nahe der Alsina-Brücke den Klängen des West Eastern Divan Orchestra zu lauschen.

Auf dem Programm standen Werke des französischen Komponisten Maurice Ravel wie “Rapsodie espagnole”, “Pavane pour une infante défunte” oder “Bolero”, die unter Barenboims Stabführung die Szenerie in ein Freiluft-Opernhaus verwandelten. Als Hommage an Buenos Aires, der Geburtsstadt Barenboims, intonierte das Orchester zudem den Tango “El Firulete” von Mariano Mores.

Während des Konzerts richtete Barenboim einige Worte an das Publikum, in denen er an seine Kindheit in Argentinien erinnerte: “Ich habe das Land als Neunjähriger verlassen, aber es gab mir etwas für immer mit auf den Weg: nämlich, dass kein Problem darin besteht, mehrere Identitäten zu haben.” Egal ob man hier von Herkunft her Pole, Jude, Syrer, Deutscher, Libanese oder Türke sei, sei man dadurch nicht weniger Argentinier. Barenboim hob zudem die Warmherzigkeit der Argentinier hervor.

Der Auftritt an der Alsina-Brücke fand im Rahmen des zehntägigen Barenboim-Festivals in Buenos Aires statt. Dabei gab es mehrere Konzerte im Teatro Colón, unter anderem mit der Starpianistin Martha Argerich, die wie Barenboim aus der argentinischen Hauptstadt stammt. In dem Opernhaus führte Barenboim am Sonntagabend auch einen offenen Dialog mit dem ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten Felipe González, bei dem beide das friedliche Zusammenleben von Arabern und Juden in Lateinamerika als Hoffnungsschimmer für den Nahen Osten hervorhoben.

Im Zeichen der Verständigung steht auch das West Eastern Divan Orchestra, das aus jungen arabischen, israelischen und spanischen Musikern besteht. Es wurde von Barenboim und dem aus Palästina stammenden, mittlerweile verstorbenen Literaturwissenschaftler Edward Said 1999 gegründet, um ein Beispiel für friedliches Zusammenleben im Nahen Osten zu setzen. In Deutschland ist Barenboim vor allem als Generalmusikdirektor der Staatskapelle Berlin bekannt.

botschaftVor dem Hintergrund des Barenboim-Festivals ist auch die Autorenlesung zu sehen, zu der die Deutsche Botschaft vor wenigen Tagen einlud. Zu Gast war die argentinische Musikjournalistin Cecilia Scalisi, die aus ihrem Buch “En la edad de las promesas” vortrug. Dabei untersucht die Autorin die frühen Jahre der drei musikalischen Wunderkinder Daniel Barenboim, Martha Argerich und Bruno Gelber, die alle Anfang der Vierzigerjahre in Buenos Aires zur Welt kamen.

Das Buch handelt vom Emigrantenmilieu jener Jahre, wo die Musik als verbindendes Element wirkte und man sich zu “Tertulias” genannten Zusammenkünften künstlerischer Art traf. “Ich wollte die Kindheit von Daniel, Martha und Bruno beleuchten. Eine Zeit, als man noch nicht wusste, welch große Karrieren sie später einmal machen würden”, so die Autorin.

Zudem stellte Scalisi die von ihr gestaltete Kollektion “Piano Esencial” vor: Eine 20-teilige Ausgabe von Büchern und CDs mit Musik von Barenboim und Argerich, die ab sofort jeden zweiten Sonnabend im Zeitungskiosk erhältlich ist.

Fotos von oben nach unten:

Klassik unter freiem Himmel.

Autorin Cecilia Scalisi im Gespräch mit dem deutschen Botschafter Bernhard Graf von Waldersee.
(Fotos: Marcus Christoph)

Schwedische Jazz-Diva begeisterte

Gunhild Carling heizte mit Swing und Hot Jazz ein

Von Marcus Christoph

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Sie wurde gefeiert mit Standing Ovations. Bis weit nach Mitternacht hatte Gunhild Carling auf temperamentvolle Weise das Publikum im Regente Palace Hotel in Buenos Aires mit Swing und Hot Jazz unterhalten. Entsprechend groß war der Beifall für die Schwedin, deren kraftvolle Stimme einer Aretha Franklin alle Ehre machte. Doch die blonde Entertainerin aus Skandinavien überzeugte bei ihrem ersten Auftritt in Argentinien nicht nur am Mikrofon, sondern sie griff auch selber zu Instrumenten wie Posaune, Trompete und Flöte.

Begleitet wurde die 39-Jährige von argentinischen Jazzkönnern wie Carlos Acosta (Klarinette), Lucas Gabriel Ferrari (Keyboard), Willy López (Gitarre), Toto Pomar (Kontrabass) und Oscar Lineros (Schlagzeug). Auf dem Programm standen Klassiker wie “Sweet Georgia Brown”, “Georgia On My Mind”, “Shine” oder “Rocking Chair”. Der Funke sprang über. Junge Leute im Publikum schwangen spontan das Tanzbein.

Die Professionalität der beteiligten Musiker lässt sich alleine schon an dem Umstand ablesen, dass es praktisch keine gemeinsamen Proben vor der Show gab. Carling kam am Morgen ihres ersten Auftrittstages am Flughafen Ezeiza an und stand nur einige Stunden später mit ihren argentinischen Musikerkollegen auf der Bühne im Regente Palace, wo gleich zwei jeweils gut zweistündige Konzerte anstanden.

Viel Zeit zum Verschnaufen hatte Carling während ihres fünftägigen Aufenthalts in Argentinien ohnehin nicht. Nach einem Live-Gig am zweiten Tag im “BeBop”-Lokal in San Telmo ging es nach Bariloche, wo Carling auf dem Restaurantschiff “Modesta Victoria” sowie im Hotel “Llao Llao” auftrat. Zum Abschluss führte der Weg sie wieder zurück nach Buenos Aires, wo sie im “Teatro Moderno La Baita” noch einmal eine Kostprobe ihres Könnens gab.

Organisiert wurde die Mini-Tournee der schwedischen Jazz-Diva von dem Deutsch-Argentinier Alfredo Dannemann, der selber leidenschaftlicher Jazz-Saxophonist ist. Der einstige Manager der skandinavischen Fluggesellschaft SAS war bereits 1984 im schwedischen Göteborg auf die damals erst achtjährige Carling aufmerksam geworden, die aus einer musikbegeisterten Familie stammt und schon im Kindesalter auf der Bühne stand.

Viele Jahre später entdeckte Dannemann im Internet auf Youtube Musikclips mit der inzwischen zum Star gereiften Carling. Von Argentinien aus stellte er den Kontakt her. Dreimal besuchte er Jazzfestivals in Schweden, um die Virtuosin zu sehen. Dabei reifte der Entschluss, die Musikerin nach Argentinien einzuladen. Ein Vorhaben, für das Dannemann auch die Unterstützung der schwedischen Botschaft in Buenos Aires gewinnen konnte. Vor Carlings erstem Konzert in Buenos Aires gab es einen Empfang von Schwedens Botschafterin Gufran Al-Nadaf zu Ehren Carlings.

Es mussten indes einige Jahre ins Land ziehen, ehe die Reise nach Argentinien realisiert werden konnte. Doch was lange währt, wird endlich gut. Davon jedenfalls zeugen der Beifall und die Begeisterung, die die Schwedin bei ihrem Publikum in Argentinien entfachte.

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Gunhild Carling in Aktion.
(Foto: marcus Christoph)

Tango auf Reisen

Das Sexteto Mayor feiert Jubiläum im Torquato Tasso

Von Philipp Boos

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Das weitgereiste Tango-Orchester Sexteto Mayor feiert im Centro Cultural Torquato Tasso am Lezama-Park sein 40-jähriges Bestehen. Soeben von einer Tour durch Deutschland, Lettland, Russland und Schweden heimgekehrt, spielen sie nun vor heimischem Publikum. Denn keiner applaudiert empathischer als die Porteños.

Vor dem Eingang eine Menschenschlange, die Plätze nahe der Bühne sind begehrt. Man kann den Künstlern auf die Finger schauen und die Hinterköpfe anderer Besucher sind rar bis gar nicht vorhanden, so nah reicht die Bestuhlung an den Ort des Geschehens.

Zwei ältere Herren am Tisch hinter mir schlürfen voller Vorfreude ihre Pasta. Immer wieder geraten euphorisch ihre Gläser aneinander, alteingesessene Tango-Fans, die den Abend begießen und deren Kommentare mich in den nächsten Stunden begleiten werden. Das Publikum im Tasso ist mehrheitlich aus Buenos Aires, was einen Besuch umso erstrebenswerter macht. Und das Verhältnis von kahlen und dicht behaarten Köpfen hält sich die Waage, jung und alt kommen zusammen, Tango verbindet.

Zwar verirren sich auch Touristen hierher, aber das Tasso ist vor allem einheimisch, was spätestens bei der Kommunikation zwischen Künstlern und Publikum hör- und auch sichtbar wird.

Das Sexteto Mayor wurde 2003 für ihr Werk “Homenaje a Piazzolla” in der Rubrik „bestes Tango Album“ mit dem lateinamerikanischen Grammy ausgezeichnet. Von den Bandoneonspielern José “Pepe” Libertella und Luis Stazo am 23. April 1973 gegründet, gastierte das Orchester bis dato in mehr als 700 Städten weltweit. 1981 waren sie bei der Eröffnung der Tanguería “Trottoirs de Buenos Aires” in Paris, neben Julio Cortazár und Paloma Picasso wichtigste Protagonisten.

Nach dem Tode Libertellas im Jahr 2004 und dem Ausscheiden Stazos, nahm sich Juan Libertella des Erbes seines Vaters an und zieht seitdem die Fäden im Hintergrund. Der auch heute Abend mitwirkende 87-jährige Violinist Mario Abramovich, seit Gründung des Sextetts dabei, lehnte die Leitung des Orchesters ab. Mit der Begründung, dass er seit jeher nur spielen wolle. 2005 beauftragte Libertella den Bandoneonisten Horacio Romo mit der musikalischen Leitung. So spielen heuer drei Generationen herausragender Solisten zusammen im Torquato Tasso: Fulvio Giraudo am Piano, Enrique Guerra am Kontrabass und Luciano Sciarretta neben dem besagten Romo am Bandoneón. Sowie der zweite “Oldtimer” neben Abramovich an der Violine, Eduardo Walzack.

Die zwei “Alten” erklimmen die Bühne schweren Schrittes – schon jetzt sind sie die Publikumslieblinge – umso überraschender ihre nach wie vor virtuose Fingerfertigkeit auf den Violinenstegen. Hinter mir klirren immer wieder die Gläser, zwischen den Klassikern und modernen Tango-Stücken klatscht das Publikum frenetisch Beifall. “Impresionante” beschreibt die Kraft des Orchesters wohl treffend, als würde eine Dampflok unaufhörlich ihre Runden durch den Lezama-Park drehen. Ein aufwühlendes Spektakel und faszinierend mitanzusehen, wie die vier Instrumente zusammenwirken und gewaltige Klangwelten schaffen.

Das Sextett orientiert sich in seinem Stil an der in den 1920er Jahren von Julio De Caro initiierten Erneuerung des Tangos, bestehend aus zwei Bandoneons, zwei Violinen, Piano und Kontrabass. Ein Besuch ist jedem nur ans Herz zu legen. Bevor es sie wieder in die weite Welt verschlägt, ist das Sextett am Samstagabend, den 29. März, noch einmal für 120 Pesos (Abendkasse) im Torquato Tasso zu sehen. Das Vorbestellen von Karten ist zu empfehlen. Die Türen öffnen 20.45 Uhr, zwei Vorbands sind geladen, und eine Stunde später kommt dann der Orchesterzug ins Rollen.

(Torquato Tasso, Defensa 1575, San Telmo, Buenos Aires, Tel.: (011) 4307-6506.)

Foto:
Ein aufwühlendes Konzerterlebnis: Sexteto Mayor.