250 Illustratoren interpretieren 10 “Aguafuertes Porteñas” von Arlt
Von Sebastian Loschert
“Welche Scheußlichkeiten muss dieser Vorfahre verbrochen haben, dass sie ihn Arlt genannt haben!”, fragt sich Roberto Arlt in “Yo no tengo la culpa”, einer seiner berühmt gewordenen Kolumnen “Aguafuertes Porteñas”. Dieser entfernteste seiner Verwandten in irgendeinem germanischen oder preußischen Weiher wird wohl einen Bart bis zur Hüfte und ein faltenzerfurchtes Gesicht gehabt haben, dass sie ihm “diese vier unaussprechlichen Buchstaben” verpasst haben, spekuliert Arlt.
Man sieht schon: Auch wenn Roberto Arlt in einem deutschsprachigen Elternhaus im Barrio Flores aufgewachsen ist, 1900 als Sohn eines armen preußisch-österreichischen Immigrantenpaares geboren, ist sein Blick auf die Heimat seiner Eltern bereits deutlich ein Blick von außen. Mit acht Jahren der Schule verwiesen (der “unerträgliche” Name war schuld!), bildete er sich fortan als Autodidakt und arbeitete in einer Lokalzeitung, als Bibliothekshelfer, Maler, Mechaniker, Hafenarbeiter, Berufsjournalist, Roman-, Theaterautor oder Erfinder. Trotz alledem blieb er arm, er starb mit 42 Jahren ohne einen Peso in Buenos Aires. Zwei seiner Schwestern starben bereits zuvor an Tuberkulose.
Zweifellos war Arlt also in das Milieu der einfachen und armen Porteños zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts integriert. Heute, ein Jahrhundert später, gilt er als einer der größten Schriftsteller Argentiniens, der mit Stilsicherheit und intimer Kenntnis die Gebräuche und Redensarten der Bewohner der Hauptstadt skizzierte. Arlt sprach, worüber man in der argentinischen Literatur seiner Zeit nicht sprach, schreibt die Arlt-Expertin Rita Gnutzmann: “Er war Ausländer. Es gab in ihm eine störende Kontinuität mit der Welt der Armen, die weder in ideologischer Sympathie noch in moralischer Sorge wurzelte, sondern in einem gemeinsamen kulturellen Raum.”
Besonders deutlich wird diese Eigenschaft Arlts eben in den “Aguafuertes” (“Radierungen”), die zwischen 1928 und 1932 in der argentinischen Zeitung El Mundo erschienen. Nun widmet das Centro Cultural Recoleta diesen “äußerst repräsentativen Texten unserer Stadt”, wie es im Begleitheft heißt, eine großzügige Ausstellung in drei Sälen. Zehn ausgewählte Texte werden von 250 zeitgenössischen Illustratoren bebildert.
Die Ausstellung bietet somit neben der Hommage an Arlt auch “einen Querschnitt und einen Einblick in die ganze Bandbreite der aktuellen Illustrationsszene Argentiniens”, erklärt Kuratorin Mónica Weiss vom “Foro de Ilustradores”. Auch wenn die ausgewählten Texte durch durchschnittlich nicht weniger als 25 Bilder vertreten sind, wird es einem dabei nicht langweilig. Aus verschiedensten Perspektiven und mit unterschiedlichsten Mitteln wird das Geschriebene porträtiert, mit Bleistift, Acryl- und Aquarellfarben, mit Collagen oder digitaler Bearbeitung.
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