Klappe zu und Vorhang auf

Startschuss für BAFICI-Filmfest 2016

Von Michaela Ehammer

Adán Jones
“Es gibt keine Grenzen. Nicht für den Gedanken, nicht für die Gefühle.” Diese Worte stammen vom schwedischen Drehbuchautor, Film- und Theaterregisseur Ingmar Bergman. Wo kann man Grenzen, Gedanken und Gefühle besser überschreiten als in Filmen? Die diesjährige und 18. Ausgabe des Filmfestivals BAFICI, die am 13. April ihre Türen geöffnet hat, zieht tausende von Filmbegeisterte wieder in eine Welt der Phantasie, der Geschichten, eine Welt voller Legenden, Mythen und Empfindungen.

Eugène Greens französisches Drama “Le fils de Joseph” war offizieller Eröffnungsfilm am Mittwoch im “Cine Gaumont”, welches zum ersten Mal in der BAFICI-Geschichte als Spielstätte fungiert. Der Film zeigt einen jungen Mann auf der Suche nach seinem biologischen Vater. In Paris glaubt er fündig geworden zu sein, doch was er am Ende findet, war nicht das, was er sich selbst erhoffte.

Der vom Publikum auserwählte BAFICITO-Beitrag “Song of the Sea” des Iren Tomm Moore leitete zudem als Gratis-Open-Air-Veranstaltung im Anfíteatro des Parque Centenario die 18. Ausgabe des “Buenos Aires Festival Internacional de Cine Independiente” ein. Irische Folklore sowie Geschichten und Legenden über das Meer und seine Fabelwesen werden in diesem Oscar-nominierten Film mit atemberaubenden Farben und Lichteffekten dargestellt. Die erwartete Zuschaueranzahl vom letzten Jahr blieb dieses Mal jedoch bei weitem aus, das mag einerseits am schlechten Wetter, aber andererseits auch an der mangelnden Beschilderung gelegen haben.

Weitere Gratis-Open-Air-Aufführungen finden zudem auch täglich auf der Terrasse des Centro Cultural Recoleta statt. Abseits der Filme stellt auch die “Galería BAFICI”, welche täglich von 10 bis 20 Uhr im Centro Cultural Recoleta besucht werden kann, einen Höhepunkt dar. Ausstellungen, Fotos, Videos und Skizzen rund um das Thema Filme und Kino werden gezeigt, unter anderem von Graciela Borges, Mirtha Legrand oder Fabián Bielinsky.

Ein weiteres “Must-See” im BAFICI ist auch der deutsche Beitrag “Space Rock Symphony”, welches alle Rockbegeisterten im Planetarium Galileo Galilei mit E-Gitarre-Klängen, kosmischen Bildern und Sinfonieorchestern 50 Minuten lang in eine Märchenwelt des modernen Rock aus den letzten Jahrzehnten entführt.

Das BAFICI hat sich seit seiner Premiere 1999 zu einem jährlichen Fixpunkt für Kinoliebhaber etabliert und ist Jahr für Jahr ein großes Stück gewachsen. Menschen aus der ganzen Welt, Einheimische wie Touristen, kommen zusammen, um für ein paar Stunden gemeinsam zu lachen, zu weinen, zu träumen, zu staunen und nachzudenken. “Unsere Geschichte und Vergangenheit zu hinterfragen und unsere vergangenen Tugenden in Erinnerung zu rufen oder zu festigen – vielleicht ist es das, was es heißt, ein Teil von BAFICI zu sein”, so Javier Porta Fouz, BAFICI-Intendant. 27 Spielstätten verteilt in der ganzen Stadt geben uns somit Anlass, uns in die Welt der argentinischen und internationalen Filme zu stürzen, die Pracht des Kinos in all seinen Farben zu erleben und ein Teil von BAFICI 2016 zu sein.

Alle Infos hier.


Unsere BAFICI-Tipps:

  • “Space Rock Symphony” von Robert Sawallisch (Deutschland 2015)
  • “Paradise! Paradise!” von Kurdwin Ayub (Österreich 2016)
  • “„Le Fils de Joseph” von Eugène Green (Frankreich/Belgien 2016)
  • “Miles Ahead” von Don Cheadle (USA 2015 – Schlussfilm)
  • “Las Calles” von María Aparicio (Argentinien 2016)
  • “A Tropical House” von Karl-Heinz Klopf (Österreich/Indonesien 2015)
  • “Pasaporte a Río” von Danile Tinayre (Argentinien 1948)
  • “Innocene” von Lucile Hadzihalilovic (Frankreich 2004)
  • “MacBeth” von Roman Polanski (Großbritannien 1971)
  • “Homeland” von Abbas Fahdel (Irak/Frankreich 2015)
  • “Hedi” von Mohamed Ben Attia (Tunesien/Belgien/Frankreich/Qatar/VAE 2016)
  • “The Island Funeral” von Pimpaka Towira (Thailand 2015)

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Buenos Aires ist mal wieder vom Filmfieber gepackt.
(Foto: BAFICI)

Eine Stadt kleidet sich in Filme

Die 18. Ausgabe des BAFICI startet in Kürze

Von Michaela Ehammer

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Einzigartige Filme, prominente Gäste und stetes Blitzlichtgewitter der Fotografen und Journalisten: Vom 13. bis 24. April startet die diesjährige und somit 18. Ausgabe des “Buenos Aires Festival Internacional de Cine Independiente” (BAFICI). 1999 ins Leben gerufen, hat sich das BAFICI zu einem der bekanntesten Filmfestivals für unabhängige Filme weltweit entwickelt. Kino ist Kunst, schöpferische Vielseitigkeit und Kreativität, zeigt Gefühle, erzählt Geschichten und reflektiert Träume. So nimmt uns das BAFICI erneut in eine kunstvolle Welt mit, in der es viel zu Staunen und zu Bewundern gibt.

Über 400 Filme aus fünf Kontinenten und 81 Weltpremieren an insgesamt 27 verschiedenen Austragungsorten, Gratis-Open-Air-Veranstaltungen für Groß und Klein, zahlreiche Gespräche mit Filmkünstlern, diverse Ausstellungen rund um die Welt der Filme und des Kinos und zahlreiche Besuche aus dem Gastland USA sowie internationale, anerkannte Größen – wie unter anderem Lewis Bennett, Paulo Branco, Daichi Saito oder Peter Bogdanovich – geben der Stadt im April ein ganz besonderes Antlitz.

Die Eröffnung findet am 13. April mit dem Drama “Le fils de Joseph” (Frankreich 2016) des Regisseurs Eugène Green im “Cine Gaumont” statt, welches zum ersten Mal in der BAFICI-Geschichte als Spielstätte fungiert. Der Film zeigt einen jungen Mann, auf der Suche nach seinem biologischen Vater. In Paris glaubt er fündig geworden zu sein, doch was er am Ende findet, war nicht das, was er sich selbst erhoffte.

Der Abschlussfilm “Miles ahead” (USA 2015) von und mit Don Cheadle, welcher am 24. April im “Teatro Gran Rivadavia” zu sehen ist, zeigt die Biografie der Jazzlegende Miles Davis im New York der 1980er Jahre. Der Star, der einst mit virtuosem Trompetenspiel die Herzen der Menschen im Sturm erobert, kannte auch die Schattenseiten des Lebens: zurückgezogen, dem Alkohol und dem Kokain verfallen, trauernd um seine große Liebe Frances Taylor.

Im internationalen Wettbewerb gehen 18 Filme ins Rennen, im argentinischen stehen 16 Filme zur Auswahl, in der Kategorie Avantgarde und Geschlecht sind es 25 Werke und der Human Rights Wettbewerb, neben zahlreichen weiteren Kategorien, birgt 12 Filme im Sortiment.

Viele Neuerungen warten in diesem Jahr auf die begeisterten Filmliebhaber. So wurde beispielsweise die Kategorie “Lateinamerika””mit acht herausfordernden Filmen ins Leben gerufen, asiatische Filme sind in diesem Jahr stärker denn je vertreten und zum ersten Mal werden auch andere Viertel in Buenos Aires zum Filmschauplatz: Carlos Mugica, Plaza Juan 23, Cildanez, Cancha de los Huérfanos, Polideportivo Los Piletones, Galpón Piedrabuenarte und Casa de la Cultura Villa 21-24 können etwa mit Gratis-Vorführungen zählen. Für ein ganz besonderes musikalisches Highlight sorgt ein Konzert des renommierten Pianisten und Komponisten Michel Legrand im Teatro Colón.

Eintrittskarten gibt es ab 25 Pesos für Studenten und Rentner, der generelle Preis liegt bei 35 Pesos. Der Kartenvorverkauf startete bereits am 4. April, auf der Webseite des Festivals oder im Village Recoleta-Kino (Vicente López und Junín, täglich von 10 bis 20 Uhr).

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Der Eröffnungsfilm “Le fils de Joseph” ist am 13. April im “Cine Gaumont” zu sehen.

Innere und äußere Landschaften

Dokumentarfilme von Werner Herzog im Kulturzentrum Haroldo Conti

Von Susanne Franz

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Im Januar können Filmfreunde sich auf eine kleine Filmreihe mit Dokumentationen des deutschen Filmemachers Werner Herzog freuen. An diesem Wochenende geht es los: An den vier Samstagen bis Ende des Monats werden dann jeweils um 19 Uhr bei freiem Eintritt vier Herzog-Dokus gezeigt. Karten (zwei pro Person) kann man eine Stunde vor Vorführungsbeginn abholen, man kann nicht vorher reservieren. Es gibt so viele Karten wie Plätze im Kino vorhanden sind. Infos zum Filmzyklus erhält man hier.

Werner Herzog, der derzeit einen Dokumentarfilm über den Internetgiganten Google plant, hat sich schon immer in innere und äußere Landschaften vorgewagt, die kaum jemand vor ihm betreten hat, und Fragen gestellt, die sich kein anderer wagen würde zu stellen. Man kann sich also auf folgende Perlen freuen, die das Kulturzentrum Haroldo Conti zusammengestellt hat.

Programm:

  • 9.1., 19 Uhr: “Mi enemigo íntimo” (Mein liebster Feind) – Deutschland 1999. 95 Min.
    “Mein liebster Feind” ist eine Dokumentation über Herzogs Hassliebe zu dem außergewöhnlichen Schauspieler Klaus Kinski, den er dennoch fünf Mal in der Hauptrolle seiner Filme besetzte.
  • 16.1., 19 Uhr: “Encuentros en el fin del mundo” (Begegnungen am Ende der Welt/Encounters at the End of the World) – USA 2007. 99 Min.
    Herzog und der österreichische Kameramann Peter Zeitlinger begeben sich in die Antarktis, um Menschen zu treffen, die dort leben und arbeiten, sowie einige besonders bemerkenswerte Orte des Kontinents aufzusuchen. Gestartet wird an der McMurdo-Station an der Südspitze der Ross-Insel. Weitere Ziele sind unter anderem die original bewahrte Station von Ernest Shackleton, der Südpol und der Mount Erebus.
  • 23.1., 19 Uhr: “Lecciones en la oscuridad” (Lektionen in Finsternis/Lessons of Darkness) – Deutschland 1992. 52 Min.
    Nach Ende des Ersten Golfkriegs blieben in Kuwait unter anderem brennende Ölfelder zurück, in Brand gesetzt von der sich zurückziehenden irakischen Armee. Werner Herzogs eindringliche Dokumentation zeigt die verzweifelten Löscharbeiten und die Menschen hinter der Katastrophe.
  • 30.1., 19 Uhr: “Grizzly Man” – USA 2005. 104 Min.
    Eine Dokumentation über das Leben und das Lebenswerk von Timothy Treadwell und Amie Huguenard, die ihr Leben den wilden Grizzlybären Alaskas gewidmet haben, und schließlich von ihnen getötet wurden, während sie zusammen mit ihnen lebten.

“Eine starke Geschichte”

Interview mit Giulio Ricciarelli, dem Regisseur von “Im Labyrinth des Schweigens”

Von Marcus Christoph

ricchiarelli II11“Im Labyrinth des Schweigens” war der Eröffnungsfilm des diesjährigen Deutschen Kinofestivals von Buenos Aires. Bei dem Spielfilmdebüt von Regisseur Giulio Ricciarelli geht es um die Vorgeschichte der Frankfurter Auschwitz-Prozesse. Der Film ist als deutscher Beitrag für den Wettbewerb um den Oscar für den besten nicht-amerikanischen Film nominiert. Ricciarelli stellte seinen Film persönlich in Buenos Aires vor. Im Interview erläuterte er Entstehung und Idee des Films.

Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
Ricciarelli: Elisabeth Bartel, mit der ich das Drehbuch geschrieben habe, hatte die ursprüngliche Idee. Sie kam damit auf mich zu, und ich habe angefangen, zu lesen und habe gemerkt, dass das eigentlich ein unbekannter Teil unserer Geschichte ist. Ich konnte es mir zunächst auch gar nicht vorstellen, in irgendeiner Weise etwas über das Dritte Reich zu machen. Aber dann wurde mir klar, dass es eine starke Geschichte ist. Und es ist, glaube ich, tatsächlich auch der erste Spielfilm über die juristische Aufarbeitung des Holocausts in Deutschland.

Wieso hat es 50 Jahre gedauert, ehe das Thema des Auschwitz-Prozesses im Kino aufgegriffen wurde?
Ricciarelli: So wie es gedauert hat, dass sich Deutschland dem Holocaust stellte, ist wohl erst jetzt die Zeit da, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie aufgearbeitet wurde. Hätte mich jemand vor der Beschäftigung mit dem Film dazu gefragt, dann hätte ich gesagt: Es gab den Holocaust, und nach 1945 hat Deutschland angefangen aufzuarbeiten. Dass es aber fast 20 Jahre gedauert hat, ehe dies begann, das wusste ich nicht. Das ganze Land hatte in ersten Nachkriegsjahren eine kollektive Vereinbarung getroffen zu schweigen.

Es im Film schockierend zu sehen, wie gering die Kenntnisse vieler Personen über Auschwitz in der Nachkriegszeit waren.
Ricciarelli: Ja, aus heutiger Sicht es ist unglaublich. Das ist eigentlich auch die Kernachse des Films. Und gleichzeitig war es erzählerisch das Schwierigste. Aber so war es historisch. Es gab natürlich auch Ausnahmen. Aber im Großen und Ganzen war Auschwitz damals kaum im öffentlichen Bewusstsein. Wie kann man das eigentlich erzählen? Denn es ist das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, und man muss die Kinobesucher in eine Zeit zurückbringen, als man sagte, man wusste von nichts. Es gab in den Fünfziger Jahren wirklich eine Kultur des Verdrängens.

Weshalb sind manche Personen des Films – wie der Staatsanwalt Radmann – fiktiv, während andere realen Figuren entsprechen?
Ricciarelli: Oft haben historische Filme das Problem, dass sie viel über Geschichte erzählen, aber nicht spannend sind. Die Leute wollen aber eine Geschichte sehen mit einem klaren Hauptdarsteller. Da haben wir uns entschlossen: Wir erfinden die emotionale Reise des jungen Staatsanwalts Radmann. Das ist inspiriert durch mehrere Staatsanwälte, die damals dabei waren, deren Erfahrungen in die Figur Radmann hineingeflossen sind. Bei anderen Figuren wie dem Journalisten Thomas Gnielka und oder Generalstaatsanwalt Fritz Bauer haben wir versucht, historisch genau zu sein.

Wie erklären Sie sich, dass “Im Labyrinth des Schweigens” als deutscher Kandidat für den Wettbewerb um den Oscar für den besten nicht-amerikanischen Film nominiert wurde?
Ricciarelli: Man hat selten ein Filmthema, das die Leute wirklich interessiert. Das ist das, was den Film trägt. Ich bin auch stolz auf den Film. Aber es kommt alles aus der Geschichte heraus: Die Schauspieler, die wir gewinnen konnten. Dass ich als Erstlingsregisseur überhaupt so eine Chance bekommen habe. Es war das Bewusstsein von allen Beteiligten, dass man da eine interessante, wertvolle Geschichte hat, die man erzählen will. Das hat einen guten Geist in den Film hineingebracht. Es ist aber auch nicht leicht gewesen, einen Film über das Thema zu machen. Wo fängt man an und wo hört man auf? Man hätte auch den Prozess selber darstellen können.

Der Film endet ja, wo der eigentliche Prozess beginnt.
Ricciarelli: Das Wichtigste war zu erzählen, wie Ende der Fünfziger Jahre die Atmosphäre des Verschweigens war. Und wie schwierig der Kampf des Landes – und Johann Radmann steht auf der Metaebene ja für die junge Bundesrepublik – war, diesen Weg auch tatsächlich zu gehen. Eigentlich erzählen wir die seelische Reifung dieses jungen Staatsanwalts, bis er die richtige innere Haltung hat, den Prozess zu führen. Aber erzählt wird dabei natürlich auch viel über die Zeit, über die Schwierigkeiten, über den Prozess, über die Atmosphäre in dem Land.

Was waren die besonderen Schwierigkeiten bei der Produktion?
Ricciarelli: Für einen Debütfilm hatte er zwar ein gutes Budget. Aber für das, was wir erzählen wollten, war das Budget unheimlich klein. Auch die historisch exakte Darstellung war schwierig, weil überall moderne Dinge sind. Aber das Schwierigste war der Respekt vor der Geschichte. Denn wenn Deutschland einen Film macht, der in irgendeiner Weise mit Nazis zu tun hat, dann schaut die Welt hin. Und zwar nicht nur auf den Film an sich, sondern auch politisch.

Die aktuelle deutsche Hilfsbereitschaft bei Flüchtlingen: Rührt die aus der deutschen Geschichte?
Ricciarelli: Ich glaube schon. Ich habe das Gefühl, dass die Deutschen durch die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges heute eine starke demokratische Gesinnung entwickelt haben. Es gibt in dem Film den Schlüsselsatz: Die einzige Antwort auf Auschwitz ist, selber das Richtige zu tun. Ich glaube, dass das etwas damit zu tun hat.

Sie stammen ursprünglich aus Italien. Spielt Ihre Herkunft eine Rolle bei Ihrer Arbeit?
Ricciarelli: Ich glaube schon, dass die Emotionalität, die der Film hat, ein italienischer Einfluss ist. Die deutsche Identität ist durch den Zivilisationsbruch des Zweiten Weltkriegs ungeheuer gebrochen. Den deutschen Filmen nach dem Krieg fehlt es oft an Emotionalität. Es gibt eine Scheu, wirklich emotional zu erzählen. Das ist in Italien anders. Dadurch, dass ich beides kenne, hat es die Machart des Films schon beeinflusst. Ich glaube, wenn ich nichts Italienisches hätte, würde der Film anders ausschauen.

Was planen Sie als nächstes? Vielleicht wieder etwas im historischen Bereich?
Ricciarelli: Nein, ich habe ein Projekt, das im Berlin von heute spielt. Es geht um einen Bundestagsabgeordneten. Es ist nicht historisch, hat aber zumindest eine politische Dimension. Es war ungeheuer erfüllend, mit einem Stoff auf politisches Interesse zu stoßen. Denn es gibt ganz viele Produktionen, bei denen es in der Bewertung nur darum geht, wie der Film geworden ist. Ich hatte bei “Im Labyrinth des Schweigens” aber das Gefühl, dass die Geschichte an sich das Interessante ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Giulio Ricciarelli in Buenos Aires.
(Foto: Marcus Christoph)

Deutsches Kinofestival in den Startlöchern

Erste Programmeinblicke steigern die Vorfreude

Von Friederike Oertel

Im Labyrinth
Filmliebhaber aufgepasst! Bald ist es wieder soweit: Vom 10. bis zum 19. September 2015 findet in Buenos Aires das nunmehr 15. Deutsche Kinofestival statt. Dann kommt in den Kinosälen im Village Recoleta und Caballito das Neuste und Beste der deutschen Filmlandschaft auf die Leinwand. Organisiert wird die jährlich im September stattfindende Veranstaltung vom deutschen Verleiher German Films in Kooperation mit Partnern wie dem Goethe-Institut oder der Deutschen Botschaft Buenos Aires.

Auch wenn sich die Website mit der Herausgabe von Details noch ziert – erste Informationen sind bereits durchgesickert: 17 Spielfilme und 12 Kurzfilme stehen dieses Jahr auf dem Programm und werden noch vor der argentinischen Erstausstrahlung gezeigt. Eröffnet wird das Festival durch den in Deutschland lebenden italienischen Regisseur Giulio Ricciarelli und dessen mehrfach prämierten Film “Im Labyrinth des Schweigens”. Auf Basis mehrerer hundert Zeugenbefragungen erzählt er die Vorgeschichte der Auschwitzprozesse.

Mit der spanischsprachigen Schauspielerin Laia Costa wird ein weiterer prominenter Gast anwesend sein. Die gebürtige Katalanin ist Hauptdarstellerin im Film “Victoria” des Regisseurs Sebastian Schipper. Der aus einer einzigen 140-minütigen Kameraeinstellung bestehende Film räumte auf der diesjährigen Berlinale den Silbernen Bären für die beste Kamera sowie ganze sechs “Goldene Lolas” beim Deutschen Filmpreis ab.

Ein weiterer Programmpunkt und ein Muss für alle Kinoliebhaber ist der Dokumentarfilm “REMAKE, REMIX, RIP-OFF” des Regisseurs und Drehbuchautors Cem Kaya. Aufwändig recherchiert und außergewöhnlich erzählt zeichnet der Film die Ära des populären türkischen Kinos der 1960er und 1970er Jahre nach.

Auch für ein Kino-Abenteuer mit der ganzen Familie ist dank Filmen wie „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ gesorgt. Auf der Suche nach einer Fundnudel trifft der „tiefbegabte“ Rico auf den hochbegabten Oskar. Der spritzig und spannend erzählte Kinderfilm begeistert nicht nur die Kleinen.

Nicht zuletzt kommt auch das Genre des Kurzfilms mit 12 Filmproduktionen voll auf seine Kosten. Die Kurzfilme werden diesmal im Auditorium des Malba ausgestrahlt.

Also, liebe Freunde der Vorfreude, das Programm verheißt nur Gutes. Deshalb gilt schon jetzt: Bleistifte spitzen und das Datum im Kalender notieren! Mehr Informationen gibt es in Kürze auf der Webseite des Kinofestivals.

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Szene aus “Im Labyrinth des Schweigens”.

Serie der Superlative

Game of Thrones: Wie eine Fantasy-Serie die Welt erobert

Von Meike Michelmann gen. Lohmann

Emmy Nominations
“Valar Morghulis!” – “Alle Männer müssen sterben!” heißt die Losung, die in Hochvalyrisch, einer Sprache aus der Welt von “Game of Thrones” verfasst wurde. Die zwei Worte werden in George R. R. Martins Bücher-Epos und der filmischen Adaption nicht nur häufig als Begrüßung verwendet, ihre Bedeutung kann man auch als roten Faden der Fantasy-Reihe verstehen. Denn gestorben wird viel in und um Westeros, dem Hauptschauplatz der Geschichte.

Dieser in vielen Dingen mittelalterlich anmutende Kontinent unterteilt sich in sieben Königreiche, die von der Hauptstadt Kings Landing aus regiert werden. Dort herrscht der König auf dem Eisernen Thron, einem martialischen Ungetüm, geschmiedet aus den Schwertern getöteter Feinde. Doch um die Frage, wer rechtmäßig auf diesem Thron Platz nehmen darf, ist ein erbitterter und blutiger Kampf ausgebrochen.

Mehrere der altehrwürdigen Familien in Westeros erheben Anspruch auf den Thron und sehen ihre Anführer als rechtmäßige Könige. Darunter die skrupellosen Lannisters, die reich an Gold, aber arm an Mitgefühl sind. Oder die letzte Überlebende der Targaryens, eines der ehemals größten Häuser und Herrscher über die Drachen.

Doch der Machtkampf um den Eisernen Thron ist nicht das größte Problem. “Der Winter naht” ist nicht nur der Wahlspruch des altehrwürdigen Hauses der Starks von Winterfell, sondern kündigt auch eine reale Gefahr an. In Westeros gibt es keine normalen Jahreszeiten. Nach einem langen, heißen Jahrzehnt stehen die Königreiche kurz vor dem Einbruch eines schrecklichen Winters.

Die Starks sind die Herrscher des Nordens und haben ihren Sitz nicht weit entfernt von einer riesigen Mauer aus Eis. Diese schützt seit Jahrtausenden das Königreich vor den Wesen jenseits der Mauer. Dahinter warten Riesen, barbarische Wildlinge, weiße Wanderer – Un-tote, die sich von Menschen ernähren – und weitere Schrecken. Durch den nahenden Winter wird das Böse immer stärker und der Schutz der Mauer zusehends brüchiger.

Legaler und illegaler Spitzenreiter

Das ist nur eine grobe Skizze des an Komplexität kaum zu überbietenden Fantasy-Epos des US-amerikanischen Autors George R. R. Martin. Tolkiens Mittelerde wirkt daneben geradezu niedlich. Das erste Buch der mittlerweile 6-teiligen Saga wurde 1996 veröffentlicht. 2011 folgte dann die filmische Adaption von “Die Herren von Winterfell” in Form einer Serie. Seitdem fiebern die Menschen rund um den Globus jeder neuen Staffel entgegen. Die mittlerweile fünf Staffeln gehören zu den erfolgreichsten Sendungen aller Zeiten. Die Erstausstrahlungen der einzelnen Folgen beim US-Sender HBO hatten mehr als 18 Millionen Zuschauer verfolgt.

Auch bei illegalen Downloads und Streams ist “Game of Thrones” Spitzenreiter. Die letzte Folge der fünften Staffel wurde in der ersten Woche nach ihrem Erscheinen 10 Millionen Mal heruntergeladen. Für den wichtigsten Fernsehpreis der Welt, die US-amerikanischen “Emmys”, wurde die Serie sogar in 24 Kategorien nominiert. Bei der Preisverleihung im September tritt sie unter anderem in der Hauptkategorie Beste Dramaserie an.

Kein Heldenbonus

Doch was ist das Erfolgsrezept hinter “Game of Thrones”? Das erwähnte Sterben ist ein zentraler Punkt. Keine Figur, sei sie auch noch so heldenhaft, ist davor sicher. Der Zuschauer muss immer um seine Lieblingscharaktere fürchten. Autor George R. R. Martin selber fasste sein Konzept treffend in einem Interview mit dem US-Talkmaster Conan O’Brien zusammen: “Wir haben alle Filme gesehen, in denen der Held in der Klemme steckt – er ist von 20 Leuten umzingelt, aber man weiß, dass er davonkommen wird, weil er der Held ist. (…) Ich will, dass meine Leser und die Zuschauer Angst haben, wenn meine Charaktere in Gefahr sind. Ich will, dass sie sich davor fürchten, umzublättern, weil es der nächste Charakter nicht überleben könnte.”

Und George R. R. Martin hat kein Erbarmen mit seinen Fans. Fröhlich lässt er einen Lieblingscharakter nach dem anderen erstechen, verbrennen oder köpfen, und das gerne sehr detailliert und mit einer Extraportion Blut und Innereien. Denn nicht nur die Landschaften, Hierarchien und Ritter der Bücher erinnern ans finstere Mittelalter. Brutale Gewalt und sexuelle Exzesse sind die größten Steine, an denen sich Kritiker der Serie stoßen. Folter, Inzest, Vergewaltigungen und blutige Gemetzel sind elementarer Bestandteil der Intrigen und Schlachten um den Eisernen Thron. Bei soviel Nacktheit verwundert es kaum, dass einige der Charaktere in der Serie mit Akteuren aus der Erotikbranche besetzt wurden. Wie die deutsche Schauspielerin Sibel Kekilli, die vor ihrer Schauspielkarriere mehrere Erwachsenenfilme drehte. Sie spielt die Rolle von Shae, einer Prostituierten und Geliebten.

Ungewisses Ende

Aktuell gibt es fünf Bücher und mit der im April erschienenen fünften Staffel ist der Handlungsverlauf jetzt gleichauf. Obwohl noch kein Erscheinungsdatum für das nächste Buch angekündigt wurde, wird es nächstes Jahr trotzdem eine neue Staffel der Serie geben. Schon in den letzten Staffeln gab es kleinere Abweichungen von der Originalgeschichte. In der nächsten Staffel wird es dann ganz ohne eine Buchvorlage weitergehen.

Die Produzenten der Serie David Benioff und Daniel B. Weiss versichern aber, dass es trotzdem und in Absprache mit George R. R. Martin auf höchstem Niveau weitergehen wird. Die Serie ist keine Eins-zu-Eins-Kopie der Bücher, was den Suchtfaktor aber keinesfalls vermindert. So bleibt es auch für all diejenigen, die die Bücher bereits gelesen haben, spannend. Und umgekehrt können auch Serienfans beim nachträglichen Lesen der Bücher noch überrascht werden.

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Dunkle Gestalten und raue Sitten herrschen in Westeros.

Filme statt Bomben

Anlässlich des 70. Geburtstags des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder zeigt der Berliner Martin-Gropius-Bau die Ausstellung “Fassbinder – JETZT”

Von Nicole Büsing und Heiko Klaas

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Auch 33 Jahre nach seinem Tod 1982 ist Rainer Werner Fassbinder immer noch aktuell. Die Faszination und Strahlkraft von Person und Werk haben bis heute nicht nachgelassen. Und: So einer wie er, der frei nach dem Motto “Ich werfe keine Bomben, ich mache Filme” den Finger in die offenen Wunden der deutschen Geschichte und Gegenwart legt, der sein Publikum verstört, ja quält, um es gleich im nächsten Moment wieder grandios zu unterhalten, der fehlt in der heutigen, oft bloß noch auf Konsens, Quote und Marktgängigkeit ausgerichteten deutschen Kino- und Fernsehlandschaft.

Zu dieser Erkenntnis gelangt man bereits kurz nach dem Betreten der Ausstellung “Fassbinder – JETZT” im Berliner Martin-Gropius-Bau. Eine Videowand mit neun kurzen, aber prägnanten Ausschnitten aus Interviews und Talkshows stellt dem Ausstellungsbesucher den Menschen Fassbinder in all seiner Intensität, Freiheitsliebe, Selbststilisierung und Kompromisslosigkeit vor.

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Die vom Deutschen Filmmuseum in Frankfurt entwickelte Schau war dort bereits 2013 zu sehen. In Berlin, wo es jetzt anlässlich des 70. Geburtstags von Fassbinder am 31. Mai gezeigt wird, steht dem Projekt jedoch in den neun Räumen des Gropius-Baus doppelt so viel Fläche zur Verfügung wie zuvor Frankfurt. Gelegenheit also für die Macher der Schau, ein breites Spektrum an Exponaten zu zeigen. So ist ein ganzer Ausstellungsraum den aufwendigen Kreationen der Kostümbildnerin Barbara Baum gewidmet. Hanna Schygullas Silberlamé-Kleid aus dem Film “Lili Marleen” darf da ebensowenig fehlen wie der braune Wollanzug des einarmigen Franz Biberkopf aus “Berlin Alexanderplatz” oder die körperbetonten Matrosenuniformen aus “Querelle”.

fassbinder4Einen weiteren, allerdings nicht unbedeutenden Nebenschauplatz eröffnet die Schau mit Werken von zeitgenössischen Künstlern wie Olaf Metzel, Jeff Wall, Rirkrit Tiravanija oder Ming Wong. Fassbinders stark stilisierte Art der Blickführung, sein Umgang mit Licht, Kostümen und Verfremdungseffekten liefert bis heute auch bildenden Künstler wichtige Impulse für eigene Arbeiten. Der in Singapur geborene Berliner Videokünstler Ming Wong etwa mimt in seiner Videoparodie “Lerne Deutsch mit Petra von Kant” eine der vielen überspannten Frauenfiguren aus einem der frühen Fassbinder-Melodramen.

Im Mittelpunkt der Berliner Schau steht allerdings die Person Fassbinder selbst, der deutsche Filmemacher, der wohl am radikalsten die Machtverhältnisse in Zweierbeziehungen, Familien, der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und dem Staat seziert hat. Auratische Objekte wie seine schwarze Lederjacke, eine Sitzlandschaft, sein Flipperautomat oder seine Schreibmaschine befriedigen natürlich einen gewissen Voyeurismus. Daneben gibt es aber auch die Gelegenheit, inhaltlich tief einzusteigen: Filmausschnitte, Drehbücher, Briefe, der komplizierte Drehplan für “Berlin Alexanderplatz”, aber auch eine Audiostation mit Fassbinders Stimme beim Diktat machen nachvollziehbar, wie es dem permanent für seine Sache brennenden Filmemacher gelungen ist, in nur 16 produktiven Jahren 44 Filme zu realisieren, deren ästhetische und gesellschaftskritische Sprengkraft bis heute spürbar ist.

  • Ausstellung: Fassbinder – JETZT
  • Ort: Martin-Gropius-Bau, Berlin
  • Zeit: 6. Mai bis 23. August 2015. Mi-Mo 10-19 Uhr. Di geschlossen. An den Feiertagen geöffnet
  • Katalog: Hrsg. Deutsches Filminstitut, 304 S., zahlreiche Abb., 25 Euro
  • Internet: Webseite des Martin-Gropius-Baus, Webseite der Ausstellung

Fotos von oben nach unten:
Rainer Werner Fassbinder, 1970.
(Dt. Filminstitut/Gauhe)

Fassbinders Lederjacke und sein Trikot des FC Bayern München 1974.
(Klaas)

Fassbinders Flipper.
(Klaas)

Deutsch-argentinische Wahlverwandtschaften

Filmreihe REVOLVER Buenos Aires vom 11. bis 21. Juni im Lugones-Saal

revolver_jesusAuf Einladung des Goethe-Instituts Buenos Aires lassen sich die deutsche Filmzeitschrift Revolver und das Programmkino Leopoldo Lugones (Av. Corrientes 1530) auf einen filmischen Austausch ein, der deutsche und argentinische Filme der letzten 30 Jahre in Dialog zueinander stellt. Zehn Filmpaare mit unveröffentlichten bzw. wenig bekannten Filmen aus beiden Ländern geben den Blick frei auf Spannungen und Konflikte zwischen Modernität und Filmgedächtnis, auf narrative und visuelle Konstanten, die über länderspezifische historische oder kulturelle Gegebenheiten hinausgehen. Der deutsche Filmemacher und Kurator Franz Müller wird die Filmreihe persönlich eröffnen und den Dialog mit den argentinischen Regisseuren aufnehmen. Der Eintritt kostet 25 Pesos.

Die Filmreihe “REVOLVER Buenos Aires. Deutsch-argentinische Film-Wahlverwandtschaften” präsentiert eine Auswahl von Filmen, die untereinander einen scharfsinnigen und gleichzeitig spielerischen Dialog aufnehmen, sich zum Teil widersprechen, zum Teil fortsetzen, die sich gegenseitig ins Wort fallen oder einen gemeinsamen Kanon singen. Das Programm besteht aus Filmen, die ab den 90er Jahren produziert wurden, eine Zeit wichtiger Veränderungen in beiden Ländern.

In Argentinien entstand ein neues, von den wiedergewonnenen Freiheiten nach der Rückkehr der Demokratie inspiriertes Kino, aber auch eine junge Generation von Filmemachern, die in neugegründeten Filmhochschulen einen radikalen Wechsel in der Auffassung und Produktionsform anstrebten. In Deutschland wurde der Tod Rainer Werner Fassbinders gemeinhin mit dem Ende des Neuen Deutschen Films gleichgesetzt. Das Privatfernsehen setzte sich durch und Autorenfilmer hatten immer größere Schwierigkeiten, ihre Filme zu finanzieren: triviale Komödien waren auf dem Vormarsch.

Es waren also neue Utopien gefragt, in Argentinien die eines neuen und freieren Kinos; in Deutschland eine Alternative zu einem Kino der (Fernseh-)Großproduktionen. Ein Kino im Aufbruch trifft also auf ein Kino, das sich in einer herben Krise befand. Wie entwickelten sich in der Folge die beiden Kinematographien? Welche ästhetischen, politischen und sozialen Kräfte enstanden daraus?

Diese und andere Fragen erörtert die Filmreihe, die von Hannes Brühwiler und Franz Müller (von der deutschen Filmzeitschrift Revolver) zusammen mit Luciano Monteagudo (Kurator des Programmkinos Leopoldo Lugones) und Inge Stache (Kuratorin der Filmarbeit des Goethe-Instituts) zusammengestellt wurde. Franz Müller wird die Reihe persönlich vorstellen und den Dialog mit den argentinischen Filmemachern eröffnen. Eine Reihe von Gesprächen mit argentinischen Filmschaffenden ergänzt die Vorführungen.

Programm

  • Donnerstag, 11. Juni
    revolver_fangoFango – Argentinien 2012. 105 Min. Regie: José Celestino Campusano. Mit Nadia Batista, Oscar Génova, Claudio Miño.
    Brujo und Indio sind zwei Heavy Metal-Musiker aus einem Vorort von Buenos Aires, die eine Trash-Tango-Band gründen wollen. Während sie dafür weitere Musiker suchen, braut sich um sie herum eine Atmosphäre zusammen, in der sich Lieblosigkeit und Tod, Messer und hausgemachte Waffen vermischen.
    Jesus Christus Erlöser – Deutschland 2008. 84 Min. Regie: Peter Geyer.
    Am 20. November 1971 möchte Klaus Kinski die “erregendste Geschichte der Menschheit” erzählen – das Leben von Jesus Christus. Doch er kommt nicht dazu. Das Bühnenprogramm des skandalumwitterten Schauspielers wird durch Zwischenrufe unterbrochen – von einem Publikum, das sich keine Predigt anhören, sondern diskutieren will. Wir sehen das Ringen eines Schauspielers um seinen Text und das grandiose Scheitern einer literarischen Weltverbesserungsmaßnahme.
  • Freitag, 12. Juni
    La vida por Perón – Argentinien 2004. 87 Min. Regie: Sergio Bellotti. Mit Belén Blanco, Cristina Banegas, Esteban Lamothe.
    Am Todestag von Juan Domingo Perón erfährt der Soldat Alfredo Álvarez, dass sein Vater gestorben ist. Während der Totenwache des Vaters, Don Pedro Ignacio Álvarez, werden Alfredo und seine Familie zu Gefangenen einer linksperonistischen Organisation, die als Teil eines verrückten Versuchs die Macht zu ergreifen plant, die Leiche zu benutzen, um damit die Leiche des General Perón zu ersetzen.
    Sie haben Knut – Deutschland 2003. 107 Min. Regie: Stefan Krohmer. Mit Hans-Jochen Wagner, Alexandra Neldel.
    Das Bild der BRD Anfang der 80er Jahre, das Stefan Krohmer in diesem tragisch-komischen Film zeichnet, könnte nicht authentischer sein. Eine Gruppe engagierter Pazifisten in selbstgestrickten Pullovern mit einer klaren politischen Haltung, die weder Zweifel noch Widersprüche dulden, treffen in einer Tiroler Skihütte unerwartet auf Ingo und Nadja, die gerade versuchen, ihre eingefahrene Beziehung wiederzubeleben.
  • Samstag, 13. Juni
    Fantasma – Argentinien/Frankreich/Holland 2006. 63 Min. Regie: Lisandro Alonso. Mit Argentino Vargas, Misael Saavedra, Carlos Landini.
    Der 56-jährige Argentino Vargas kommt nach Buenos Aires. Er steht in der Eingangshalle des Theaters San Martín und wartet, bis ihn jemand zur Vorstellung eines Films im 10. Stock des Hauses begleitet, in dem er die Hauptrolle spielt.
    Winter Adé – Deutschland 1987/1988. 115 Min. Regie: Helke Misselwitz.
    Ein Jahr vor dem Zusammenbruch der DDR begibt sich die Regisseurin Helke Misselwitz auf eine Reise durchs Land und befragt Frauen verschiedenster Altersklassen und gesellschaftlicher Herkunft zu deren Lebenssituation. Sie trifft ihre Protagonistinnen in alltäglichen Situationen und zu besonderen Anlässen. Selbstverständlich und offen sprechen die Frauen über ihr Leben in der DDR, über ihre Sorgen, ihren Alltag und die Hoffnung auf eine menschliche Zukunft.
  • Sonntag, 14. Juni
    Balnearios – Argentinien 2002. 80 Min. Regie: Mariano Llinás. Mit den Stimmen von Verónica Llinás, Mario Mactas, Alejandro Zucco.
    Enzyklopädie der Sitten und Gebräuche der argentinischen Strandorte. Versunkene Städte, Strandwächter, ein Hotel, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, Seejungfern, Waffelverkäufer, Dämme, Meerestiere und Sandburgen treffen sich in einem abwechslungsreichen und verblüffenden Film.
    Leben BRD – Deutschland, 1990. 83 Min. Regie: Harun Farocki.
    Wo man auch hinschaut, scheinen die Personen Darsteller ihrer selbst zu sein. Ein Film über das Theater des Lebens ausgehend von Trainingskursen jeglicher Art. Menschenkörper agieren wie Maschinen oder schließen sich an Maschinen an, während Puppen und Gestelle anstelle von Menschen proben. Ob Autoschlüssel, Waschmaschinen, Hebammen, Fahrschüler oder Versicherungsvetreter, beim Militär oder bei Rollenlernspielen, bei allen ist die unendliche Anstrengung zu spüren, sich auf den Notfall der “Wirklichkeit” vorzubereiten.
  • Montag, 15. Juni
    Bolivia – Argentinien/Holland 2001. 75 Min. Regie: Israel Adrián Caetano. Mit Freddy Flores, Rosa Sánchez, Oscar Bertea.
    Freddy ist ein bolivianischer Einwanderer, der in Buenos Aires lebt. Bei seiner neuen Arbeit als Grillkoch in einer Bar in Sán Cristóbal lernt er Rosa, eine paraguayische Einwanderin, kennen. Beide erleben auf verschiedene Art und Weise die Fremdenfeindlichkeit der Einwohner von Buenos Aires.
    Der Wald vor lauter Bäumen – Deutschland 2003. 81 Min. Regie: Maren Ade. Mit Eva Löbau, Tina Schaffner, Thorsten Rehm.
    Die Junglehrerin Melanie Pröschle aus der schwäbischen Provinz tritt nach dem Referendariat ihre erste Stelle an einer Karlsruher Realschule an. Voller Tatendrang zieht sie in die neue Stadt, doch es ist schwieriger als erwartet, das Vertrauen der Schüler und Lehrerkollegen zu erobern oder neue Freunde zu gewinnen.
  • Dienstag, 16. Juni
    La niña santa – Argentinien/Italien/Holland/Spanien 2004. 106 Min. Regie: Lucrecia Martel. Mit Mercedes Morán, Carlos Belloso, Alejandro Urdapilleta, María Alche.
    Amalia lebt mit ihrer Mutter Helena und ihrem Onkel Freddy in dem Thermalbad-Hotel Termas, das ihrer Familie gehört. Mitten in einer Menschenmenge berührt sie ein Mann sexuell von hinten. Später im Hotel entdeckt sie, dass dieser Mann Dr. Jano ist, ein angesehener Halsnasenohrenarzt. Amalia kündigt ihrer Freundin Josefina an, dass sie jetzt eine Mission hat: Einen einsamen Mann zu retten.
    Totem – Deutschland 2011. 86 Min. Regie: Jessica Krummacher. Mit Marina Frenk, Natja Brunckhorst, Benno Ifland.
    In einer Stadt im Ruhrgebiet beginnt die junge Fiona als Haushaltshilfe bei der Familie Bauer zu arbeiten. Vater, Mutter, Tochter, Sohn leben für sich, Kommunikation untereinander findet nicht statt. Fiona soll aufräumen, die Kinder versorgen und das Haus sauber halten. Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Langsam gerät etwas aus den Fugen und ein leiser Horror schleicht sich ein. Warum beginnt Frau Bauer plötzlich zu weinen? Was macht Fiona mitten in der Nacht mit dem Baby auf der Landstraße? Totem ist ein alltäglicher Horrorfilm, den eine Art Störgeräusch durchzieht, das keiner hört, Schatten, die keiner sieht. Nur das Kino.
  • Mittwoch, 17. Juni
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    Tan de repente – Argentinien/Holland 2002. 90 Min. Regie: Diego Lerman. Mit Carla Crespo, Verónica Hassan, Tatiana Saphir.
    Marcia ist ein junges, dickliches Mädchen, das Damenwäsche verkauft und ein graues und routinemäßiges Leben in Buenos Aires führt. Mao und Lenin sind zwei Punkmädchen, die auf Marcia treffen und ihr unbedingt ihre Liebe zeigen wollen. Von diesem Augenblick an unternehmen die drei Frauen eine unerwartete Reise zu einem unbekannten Ort.
    Mein Stern – Österreich/Deutschland 2001. 62 Min. Regie: Valeska Grisebach. Mit Nicole Gläser, Christopher Schöps.
    Eine Liebesgeschichte. Ein Junge und ein Mädchen. Sie stürzen sich in das Abenteuer des Zusammenlebens. Nicole ist fünfzehn und von der Vorahnung erfüllt, dass in ihrem Leben bald etwas passieren wird. Nun lernt sie den gleichaltrigen Christopher kennen, einen der Helden vom Hinterhof. Sie werden ein Paar. Es trifft sich gut, dass Nicoles Mutter vertretungsweise Nachtschichten übernommen hat. Nach dem Vorbild der Erwachsenen versuchen sie, ihre Bilder von der Liebe zu verwirklichen. Aber das ist alles nicht so einfach.
  • Donnerstag, 18. Juni
    Tierra de los padres – Argentinien 2011. 100 Min. Regie: Nicolás Prividera. Mit Felix Bruzzone, José Campusano, Lucía Cedrón.
    Zwei Versionen der Geschichte, die der Gewinner und die der Verlierer, die an einem konkreten und gleichzeitig symbolischen Ort konfrontiert werden: in Recoleta, dem ältesten und bürgerlichsten Friedhof von Buenos Aires.
    The Halfmoon Files – Deutschland 2007. 97 Min. Regie: Philip Scheffner.
    The Halfmoon Files ist eine audiovisuelle Recherche zur Verflechtung von Politik, Kolonialismus, Wissenschaft und Medien – ausgehend von Bild- und Tondokumenten indischer und nordafrikanischer Kriegsgefangener aus dem «Halbmondlager» bei Berlin zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Ein Film über Lücken, Auslassungen und die Konstruktion von Geschichte. Ein Film dessen Protagonisten meist nicht sichtbar sind – deren Anwesenheit jedoch spürbar wird. Anders gesagt: eine Geistergeschichte.
  • Freitag, 19. Juni
    Rapado – Argentinien/Holland 1992. 75 Min. Regie: Martín Rejtman. Mit Ezequiel Cavia, Damián Dreizik, Mirta Busnelli.
    Ein Teenager beginnt sein Leben zu ändern, nachdem ihm sein Motorrad, Geld und Turnschuhe gestohlen wurden. Von diesem Augenblick an rasiert er sich den Kopf kahl und wird von der Idee besessen, ein ähnliches Motorrad zu stehlen. Seine Versuche diesen Diebstahl auszuführen, führen ihn zu Begegnungen, die in verschiedene Richtungen gehen und sich auf unerwartete und verwickelte Art und Weise verflechten.
    Alle Zeit der Welt – Deutschland 1998. 93 Min. Regie: Matl Findel. Mit José van der Schoot, Ivana Broukova, Ruth Vaughn, Matthew Burton, Jockel Tschiersch.
    Matthew braucht eine Frau und Lilith sucht einen Sponsoren für ihre Ein-Frau-Expedition in die mongolische Wüste. Zu dieser unpassenden Kombination stoßen der unheilbar kranke Anton, die Künstlerin Toost und Radka, die versucht, sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen. Die fünf Handlungsstränge berühren sich, kreuzen einander und für Augenblicke entsteht im Chaos des Alltags so etwas wie eine Welt der Harmonie.
  • Sonntag, 21. Juni
    Viola – Argentinien/USA 2012. 65 Min. Regie: Matías Piñeiro. Mit María Villar, Agustina Muñoz, Elisa Carricajo.
    Cecilia ist täglich damit beschäftigt, Shakespeares Komödie Die zwölfte Nacht einzuüben, während Viola ihre Tage damit verbringt, raubkopierte Filme mit dem Fahrrad auszuteilen. Zwischen verschiedenen Theorien des Begehrens, zwischen Träumen, Versen und Fiktionen in einer Welt von Shakespeare-Frauen, finden die Rätsel zwar keine Lösung, aber die Liebe geht unaufhaltsam um.
    Die Freunde der Freunde – Deutschland 2002. 89 Min. Regie: Dominik Graf. Nach Motiven aus The friends of the friends, von Henry James, 1896. Mit Matthias Schweighöfer, Sabine Timoteo, Florian Stetter, Jessica Schwarz.
    Gregor ist Gymnasiast in und glaubt an die Liebe. Als er Billie kennenlernt, verliebt er sich sofort und weiß, dass sie die Person ist, nach der er gesucht hat. Gleichzeitig entdeckt er, dass sein bester Freund, Arthur, in irgendeiner Form mit Billie verbunden ist. Aus der Angst heraus, dass die beiden füreinander bestimmt sein könnten, versucht er mit allen Mitteln, ein Treffen zwischen den beiden zu verhindern.

Gespräche

  • 11.6., 19.30 Uhr: Gespräch über Fango + Jesus Christus Erlöser. Mit Franz Müller und José Campusano. Moderation: Cecilia Barrionuevo.
  • 12.6., 19.30 Uhr: Gespräch über La vida por Perón + Sie haben Knut. Mit Nicolás Prividera und Franz Müller. Moderation: Diego Brodersen.
  • 13.6., 19.30 Uhr: Gespräch über Fantasma + Winter Adé. Mit Lisandro Alonso und Franz Müller. Moderation: Luciano Monteagudo.
  • 14.6., 19.30 Uhr: Gespräch über Balnearios + Leben BRD. Mit Mariano Llinás und Franz Müller. Moderation: Luciano Monteagudo.
  • 18.6., 19.30 Uhr: Gespräch über Tierra de los padres + The Halfmoon Files. Mit Nicolás Prividera und Horario Bernades.

“Da hatte ich mehr Glück als Verstand”

Interview mit Nicolás Aponte Aragón Gutter, der für seinen Film “Idilio” eine spezielle Erwähnung im BAFICI-Wettbewerb “Argentinischer Film” erhalten hat

Von Michaela Ehammer

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Liebeskummer gehört zum Leben. Ein jeder hat es schon mindestens einmal erlebt, wie es ist, verliebt zu sein, auf Wolken zu schweben und das Leben durch die “rosarote Brille” zu sehen. Verbunden dann mit dem dumpfen Gefühl in der Magengrube und den Kopfschmerzen in der Nacht, nachdem man verlassen wurde.

Der argentinische Regisseur und Dozent an der UBA Nicolás Aponte Aragón Gutter greift in “Idilio” genau diese banalen, doch stets präsenten Dinge in unserem Leben auf und hat es in ein filmisches Meisterwerk gepackt. In einem Interview erzählt der sympathische Argentinier wieso:

ME: Am Ende des Films stellte sich mir sofort eine Frage, gab es ein konkretes Drehbuch oder sind die Dialoge aus dem Stegreif entstanden?

Nicolás (lächelt schüchtern): Also ein Drehbuch gab es in dem Sinn nicht. Ich hatte mir zwar bestimmte Dialoge überlegt, doch Paula Carruega und Manuel Novoa, meine beiden Schauspieler, redeten bei den Drehs dann einfach drauflos. Ihre Aussagen gefielen mir besser, daher kann ich jetzt im Nachhinein nicht behaupten, für das Drehbuch verantwortlich gewesen zu sein.

ME: Wie kam die Idee?

Nicolás: Ich wollte etwas Simples machen, das alle betrifft. So kam ich auf die Idee mit der Liebe. Dann habe ich Ende letzten Jahres mein Projekt gestartet und wie soll ich sagen, es wurde rein zufällig gerade rechtzeitig fürs BAFICI fertig. Da hatte ich mehr Glück als Verstand.

ME: Die Musik in Ihrem Film ist grandios gewählt. Ich kann mir denken, dass dies jedoch nicht ganz einfach war?

Nicolás: Oh ja, die perfekten Lieder für den Film zu suchen, war bei Gott nicht einfach und für mich eines vom Schwersten, denn es gibt Millionen von diesen Liebesliedern. Aber jetzt am Ende bin ich ganz zufrieden mit meiner Auswahl.

ME: Wie lange haben Sie für die Dreharbeiten gebraucht?

Nicolás: Nun ja, die Charaktere besprochen haben wir oft und lange. Besonders Paula musste sich total in ihre Figur Camila hineinversetzen, schließlich war die Situation ja fiktiv. Gefilmt wurde dann jedoch nur an sieben Tagen in einem Zeitraum von etwa zwei Monaten.

ME: Noch eine Frage am Ende, Ihre Darsteller Paula und Manuel wirken in ihren Dialogen sehr vertraut. Hat sich da während der Dreharbeiten etwa ein Liebespaar gefunden?

Nicolás (lacht): Das ist eine gute Frage, die ich mir auch bereits gestellt habe. Aber ich denke, diese Frage können uns nur die beiden beantworten.

Foto:
Paula Carruega in “Idilio” (2015).

Das war BAFICI 2015

Die Gewinner, die Stars und die Fakten

Von Michaela Ehammer

bafici
Glamouröse Filme, jede Menge nationaler und internationaler Stars und stetes Blitzlichtgewitter der Fotografen – so wie es die Filmhochburg Hollywood jeden Tag erlebt, war auch Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires 11 Tage lang im Festival- und Filmfieber gefangen. Doch jetzt ist der Marathon und Wettbewerb der Filme vorbei. Das Resultat kann sich sehen lassen:

1172 Funktionen in diversen Veranstaltungssälen, 10 Open-Air-Veranstaltungen im Anfiteatro des Parque Centenario, spezielle Gratis-Veranstaltungen, 35 Gespräche mit Regisseuren, Schauspielern und anderen Persönlichkeiten, mehrere Diskussionsforen, 5 Ausstellungen rund um die Welt der Filme und des Kinos und Besuche internationaler Größen und solcher, die sich durch das Festival einen Namen machen konnten.

140 internationale eingeladene Gäste, darunter Schauspielerin Isabelle Huppert und Filmregisseurin Pascale Ferran, beide aus dem Gastland Frankreich, sowie Robert Trujillo, Bassist der weltweit bekannten US-amerikanischen Metalband “Metallica”, neben weiteren zahlreichen Gästen nahmen gemeinsam mit 380.000 Kinobesuchern, die für eine Auslastung von 85% sorgten, an der 17. Edition des “Buenos Aires Festival Internacional de Cine Independiente” teil, um einige der über 400 Filme aus insgesamt 37 Ländern zu bewundern und zu bestaunen.

Ein ganz besonderes Highlight waren auch die 10 deutschprachigen Beiträge aus der wilden, starken und glanzvollen Ära während der Weimarer Republik (1918-1933). Geprägt von der Wirtschaftskrise blühte das kulturelle Interesse in dieser Zeit jedoch enorm auf. Fritz Lang mit seinen “Dr. Mabuse”-Filmen ist nur eines von vielen Beispielen aus dieser aufstrebenden Zeit und bis heute noch gilt der Weimar-Zyklus als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Filmepochen.

Neben zahlreichen filmischen Highlights sorgten auch Live-Konzerte, wie etwa von Karin Lechner und Natasha Binder im Teatro Colón, für kulturelle Abwechslung und rundeten so das umfangreiche BAFICI-Angebot ab. Die beiden Pianistinnen sind gleichzeitig auch jene Protagonisten des Schlussfilms “La Calle de los Pianistas” vom argentinischen Regisseur Mariano Nante, der uns einen Einblick in das ruhmreiche Leben einer Musikerfamilie um den berühmten Antonio De Raco gewährte.

Und vergangenen Freitag wurden dann die strahlenden Sieger gekürt, einige davon sind: “Court” vom indischen Regisseur Chaitanya Tamhane, der sich in der Kategorie “Bester internationaler Film” gegen seine 17 Konkurrenten durchsetzen konnte. Ein Drama aus dem Jahre 2014, das die Geschichte eines Folksängers erzählt, der auf der Anklagebank sitzt, da er in seinen Liedern Menschen zum Selbstmord zu bewegen versucht. Der Preis für den besten Regisseur in der gleichen Kategorie ging an den Israeli Nadav Lapid für seinen Film “The Kindergarten Teacher”.

“Bester argentinischer Film” darf sich der Beitrag “La Princesa de Francia” von Matías Piñeiro nennen, als “Bester Regisseur” in derselben Kategorie wurde José Celestino Campusano für seinen Film “Placer y Martirio” ausgezeichnet. Der Film “Idilio” von Nicolás Aponte Aragón Gutter erhielt eine spezielle Erwähnung. Sein Film erzählt in überaus witzigen und fesselnden Dialogen von den unzähligen Phasen der Liebe: Vom heiteren Verliebtsein über vergossene Tränen bis hin zum totalen Herz-Schmerz-Ende. Der Schwarz-Weiß-Effekt und die präzise gewählten Nahaufnahmen der Protagonisten, welche zu 95 % aus einer einzigen Schauspielerin bestehen, sowie die ausdrucksstarke Musik verleihen dem Film eine ganz persönliche Note. Eine Geschichte über die Sonnenseiten und das Leiden der Liebe, mit denen sich wohl ein jeder von uns zumindest einmal im Leben schon identifizieren konnte und die vielleicht gerade deshalb so viel Anklang beim Publikum fand.

“Over the Years” vom Österreicher Nikolaus Geyrhalter gewann den Preis “Bester Film – Kategorie Menschenrechte”. Eine über 3-stündige Dokumentation mit Schauplatz Schrems in Niederösterreich erzählt von einer Textilfabrik, die auf eine lange Geschichte zurückblickt, jedoch seit Jahren gegen den drohenden Konkurs ankämpft. Der Dokumentarfilm zeigt die Entwicklungen über einen Zeitraum von über zehn Jahren und schildert dabei das Schicksal einzelner Arbeiter: das ungewisse Arbeiten zwischen Hoffen, Bangen und Warten, das sich bald schon als eine Art Normalität erweist. Manche verlieren ihre Jobs, manche von ihnen finden neue Arbeit, aber allen ist bewusst, dass sie in einem Industriezweig arbeiten, der endgültig zu verschwinden droht.

Aber auch das Publikum konnte für seine Lieblingsfilme mitvoten. So wurde der Publikumspreis an die Filme “Theeb” von Naji Abu Nowar (Bester Ausländischer Film), “Poner al Rock de Moda” von Santiago Charriere (Bester argentinischer Film) und “Astérix et le domaine des dieux” von Alexandre Astier und Louis Clichy (Bester BAFICITO-Beitrag) vergeben.

Das Festival “BAFICI” hat sich seit seiner Premiere 1999 zu einem jährlichen Fixpunkt für Kinobegeisterte etabliert und ist Jahr für Jahr ein großes Stück durch die Liebe und Leidenschaft der zahlreichen Filmliebhaber gewachsen. Menschen aus der ganzen Welt vereinen sich, um für ein paar Stunden gemeinsam zu lachen, weinen, träumen, staunen und nachzudenken. Ganz nach den Worten Steven Spielbergs, der sagt, das Kino sei ein Vorwand, sein eigenes Leben ein paar Stunden lang zu verlassen. Und so wird Argentiniens Hauptstadt auch im nächsten Jahr wieder in ein Meer aus Blitzlichtern eintauchen, von zahlreichen filmischen Größen überströmt werden, und es wird heißen: Klappe zu, Vorhang auf, Film ab!

Foto:
11 Tage Filmfieber: BAFICI war ein voller Erfolg.
(Foto: Michaela Ehammer)

Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Filmische Highlights vom Festival “BAFICI”

Von Michaela Ehammer

bafFilme gibt es viele. Der unterschiedlichen Art. Action-geladene oder herzzerreißende Hollywood-Filme stehen ja täglich auf unserem TV-Programm, aber viele Fime der etwas “anderen Art”, ergreifende, belehrende, provozierende, anregende, aufzeigende, hinweisende oder politische Dokumentationen rücken dabei eher in den Hintergrund. BAFICI, das internationale Festival der unabhängigen Filme in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires, hat genau diese Filme gesucht und zeigt sie von ihrer ganz speziellen, packenden und merkwürdigen Seite. Alle Genres sind vertreten, ob Horror, Komödie, Musikfilme, Psychothriller, wahre Geschichten, Klassiker, Schwarz-Weiß-Filme, Dokumentationen, Animationen, audiovisuelle Shows, Ausstellungen rund um das Thema Kino sowie Gespräche hautnah mit Stars, wie mit dem Ehrengast Isabelle Huppert – das diesjährige Film-Festival hält wieder einmal für jeden Kinoliebhaber das Seine im Sortiment. Doch bei über 400 Filmen fällt die Entscheidung wirklich nicht leicht. Gesehen haben kann man sie nicht alle, einige sollte man aber.

“Goodnight Mommy”
Wer hätte gedacht, dass es möglich ist, alle Emotionen in einen einzigen Film zu packen? Von Spannung pur über Lachen, Schamgefühlen, Ah!-, Oh!- und Uh!-Rufen, von purem Entsetzen und totalem Staunen bis hin zum “Grande Finale”? Die beiden Österreicher Veronika Franz, Journalistin beim Kurier, und Severin Fiala zeigen in ihrem Film “Goodnight Mommy” (zu deutsch “Ich seh Ich seh”), der im Internationalen Wettbewerb nominiert ist, wie es geht. Das Resultat: Ein wahrhaftes filmisches Meisterwerk, welches seine Zuschauer an die Grenzen der Imagination führt. Der Beginn ist dabei sehr unschuldig: Ein Haus am See, eine Mutter nach einer Gesichtsoperation und zwei Kinder. Die Kinder spielen in der Natur, die Mama braucht Ruhe. Mit der Zeit wird jedoch klar, dass etwas an dieser unschuldigen Geschichte nicht stimmen kann. Welches dunkle Geheimnis umgibt die Kinder? Ist es wirklich die echte Mama? Was ist bei dem Unfall tatsächlich passiert? Wie weit kann die eigene Psyche einen Menschen treiben? Wo endet die Wirklichkeit und beginnt der Wahn? Es gibt zu viele Fragen die angeschnitten, jedoch nicht beantwortet werden. Der Zuschauer wird dadurch immer wieder aufs Neue gefesselt, und während der Hobby-Filmschauer noch staunt, ist für das geschulte Kinoauge bald schon klar, in welche Richtung sich der Film dreht. Oder etwa doch nicht? Denn Franz und Fiala schaffen es mit ihrem Film aus dem Jahre 2014 immer wieder aufs Neue, dass Zweifel an dieser Theorie auftreten. So bleiben die Spannung und der Aha-Effekt bis zum Schluss bestehen. Mit der Zeit wird die Stimmung im Film zusehends dunkler, der Terror wächst und am Ende dreht sich der Film um spannende 360 Grad. Der Zuschauer wird so in alle Blickwinkel und Perspektiven der agierenden Personen hineingezerrt und es kommt zu einer Explosion – sprichwörtlich wie gefühlsmäßig. Und am Ende verlässt man den Kinosaal mit einem echten filmischen “Wow”-Erlebnis und Gänsehaut. Kein Film jedoch für schwache Nerven!

Ein Recht auf Liebe
Der kenianische Film “Stories Of Our Lives”, nominiert in der Kategorie “Human Rights Competition”, wirft hingegen ein ganz anderes Thema auf: Fünf Menschen erzählen ihre ganz persönliche Geschichte vom Leben als Homosexuelle in einem Land, wo dieses Thema noch immer als striktes Tabu gilt. Verfolgungen, Bestrafungen, Festnahmen sowie weitere Maßnahmen von den Familien, Freunden und vom Staat werden in dem afrikanischen Land gegen alle getroffen, dessen Sexualität nicht jener “normalen” entspricht. Basierend auf echten Bezeugungen eröffnen uns die fiktiven Protagonaisten eine Welt, fern von Toleranz und Gleichberechtigung. Ein grandioser Film, dem durch den Schwarz-Weiß-Effekt noch mehr Mitgefühl und die gewisse Portion an Extra verliehen wird. 60 Minuten zum Nachdenken und Umdenken. Filme dieser Art sollten bei einem Festival für unabhängige Filme auf keinen Fall fehlen. Jim Chuchu, geboren in Nairobi, ein visueller Künstler, Filmemacher und Musiker, lässt uns in seinem ersten Langfilm durch seine Großaufnahmen mit all seinen Darstellern hautnah mitfühlen. Warum werden Homosexuelle von der Gesellschaft ausgegrenzt? Welche Träume, oder viel mehr, welche Ängste begleiten ihr Leben? Sollen sie sich verstecken oder für ihr Recht auf Anerkennung kämpfen? Die Frage am Schluss wird für alle in den Raum geworfen und jeder kann sie ganz für sich beantworten: Haben wir Menschen, egal welcher Abstammung, Hautfarbe oder Hang zur Sexualität nicht alle eine Sehnsucht sowie ein Recht auf Liebe?

Rebel-Rock aus Grönland
Dass BAFICI auch eine musikalische Seite hat, zeigen die insgesamt 17 Filme rund um das Thema Musik. So etwa erzählt der grönländisch-dänisch-norwegische Film “Sumé – The Sound of a Revolution” von der ersten grönländischen Rockband in den 70er Jahren. Während Argentinien zu dieser Zeit von einer Welle aus Protesten und Gewalt geprägt war, braute sich auch in Grönland der Sturm einer Revolution zusammen. Eine andersartige Revolution jedoch, die, nach der anfänglichen Schüchternheit ihrer Landsleute, schon bald im ganzen Land Anklang fand und durch ihre Lieder die Nation Grönland stärkte und vereinte. Der grönländische Regisseur Inuk Silis Hoegh stellt in dieser musikalischen Dokumentation eine Hommage an “Sumé” mit einzigartigen Aufnahmen der damaligen Zeit dar: von den ersten Anfangen in kleinen Bars über Konzerte im Freien und Gastauftritte im dänischen Fernsehen bis hin zur großen Grönland-Tournee. Doch alles fing in Dänemark an. Malik Hoegh und Per Berthelsen, charismatische Studenten Anfang Zwanzig, gründeten während ihrer Studienzeit in Kopenhagen gemeinsam mit Freunden diese Rockband und sorgten damit erst einmal für große Aufregung – nicht nur in Grönland. Eine Band, die auf Grönländisch singt und dann auch noch mit ihren politischen Texten mehr Rechte für ihr Land sowie Unabhängigkeit von Dänemark fordert. Das war damals wohl für viele schwer vorzustellen. Die Jungs wollten nicht nur ihre Liebe zur Musik zum Ausdruck bringen, sondern auch auf die Missstände in ihrem Heimatland aufmerksam machen. “Wir wollten mit unserer Musik keinesfalls provozieren, sondern vielmehr aufzeigen, dass wir mit unserer Situation in Grönland nicht zufrieden waren. Unseren Mitmenschen eine Stimme geben und sagen, an was es uns fehlt, warum wir unglücklich sind”, so Malik Hoegh. Dies taten sie dann auch und brachten insgesamt vier Schallplatten heraus: “Sumut”, “Inuit Nunnat”, “Sumé” und “1973-76”. Diese Missstände sind auch heutzutage noch präsent im nordischen Land, und so findet Sumé auch heute noch großen Anklang bei Jung und Alt. Diese ganz spezielle Art von Rockmusik hat den perfekten Weg, zwischen Rebellion und Schüchternheit, in die Harmonie und in die Zukunft gefunden. Ganz nebenbei beeindruckt der Film auch durch traumhafte Aufnahmen der landschaftlichen Highlights von Grönland.

Das Leben des Edward Snowden
Ganz anders wieder der Film aus dem Jahre 2014 von der US-amerikanischen Künstlerin und Journalistin Laura Poitras “Citizenfour” (Kategorie Panorama). Nach “My Country, My Country” aus dem Jahre 2006 und “The Oath” von 2010 ist es bereits der dritte Film über einen Skandal der Weltmacht USA. Dieses Mal mit und über das Leben des Militärkindes Edward Snowden, der 2013 seine Entscheidung für die Enthüllung geheimer Daten über die NSA und gegen sein gewohntes Leben getroffen hat. Alle haben wir schon davon gehört, doch der Film zeigt unveröffentlichte Szenen, wie alles entstand. Er beginnt in einem Hotelzimmer in Hong Kong, wo sich Snowden absetzte und Poitras sowie zwei britische Journalisten vom “Guardian” anheuert, um seine Geschichte zu veröffentlichen, und endet in Moskau, wo er mit seiner Freundin bis heute noch im Exil lebt. Wir sehen in dieser Dokumentation, wie Journalist Glenn Greenwald sich ans Fernsehen wendet, die Enthüllung an die Öffentlichkeit kommt und Snowden den Prozess von seinem Hotelzimmer in Hong Kong aus betrachtet. Szenen, die uns eine völlig neue Perspektive des Geschehens eröffnen und uns als Betrachter in die Geschichte hineinziehen. Von der anfänglichen Euphorie Snowdens bis hin zu seinen Zweifeln. Dieser Film brachte Poitras 2015 einen Oscar in der Kategorie “Bester Dokumentarfilm”. 2014 gewann sie bereits den Pulitzer-Preis für “Dienst an der Öffentlichkeit”. Seit Jahren lebt sie in Berlin, denn zurück in die USA kann sie, spätestens nach diesem Film, nur schwer.

Wir werden alle nicht jünger
Der Film “La Once”, Kategorie Panorama – BAL Buenos Aires Lab, von der chilenischen Filmemacherin Maite Alberdi, hat ein ganz anderes Ziel vor Augen: das Altwerden. Das Leben vieler Menschen im hohen Alter wird oftmals sehr eintönig. Umso größer also die Freude bei den Treffen der Nachmittagstees, die ihre Darsteller Jahr für Jahr mit ihren alten Schulfreunden erleben. Es wird gelacht, gesungen, geweint, philosophiert und über die zu schnell vergangenen Jahren mit all uhren Schönheiten und Wehen geplaudert – alles in realen Aufnahmen. Alberne und belanglose Dinge werden aufgegriffen und in köstliche und witzige Dialoge verwandelt. Die Kamera fängt dabei jedes noch so kleine Detail ein. Pensionistenausflüge, Krankheiten, einfacher Klatsch und Tratsch, der Tod und die Liebe – alles wird im Film aufgegriffen und viele Lacher genauso wie vereinzelte Tränen sind dabei garantiert. Ein amüsanter Film und ein kleiner Blick in das Leben des “Altseins”, das uns alle einmal erwartet.

Die kühle Diva
Am Mittwoch Nachmittag öffnete auch das Teatro Colón seine Tore für ein Gespräch mit Isabelle Huppert, der unterkühlten französischen Schauspielerin, Kuratorin und Ehrengast des diesjährigen BAFICI. Eine gute Stunde lang gab sie uns einen kleinen Einblick in ihr Film- und Theaterleben. Schauspielern sei ihre Arbeit, aber auch ihre Welt, denn etwas anderes zu machen könne sie sich nicht vorstellen. Bereits seit ihrem 14. Lebensjahr sei das Theater ein Teil ihres Lebens geworden. 13 Filme mit Isabelle Huppert sind Teil des diesjährigen BAFICI, darunter auch Vorstellungen im Malba. Einer ihrer berühmtesten Filme ist wohl “Die Klavierspielerin” vom österreichischen Regisseur und Oscarpreisträger Michael Haneke, mit dem Huppert mehrfach arbeitete. “Die Vergangenheit ist bereits passiert. Was mich interessiert. sind die Gegenwart und die Zukunft”, so die gebürtige Pariserin bei der Pressekonferenz. Trotzdem blicke sie gerne zurück, denn sie sei stolz auf ihre Filme, die sie gedreht habe. Bei etwa 90 Filmen kann sie das auch sein! Nicht zuletzt deshalb gilt sie als eine der am höchsten und am häufigsten ausgezeichneten Schauspielerin ihrer Generation.

Filmfieber bis Samstag
Ein Festival von großer Vielfalt vereint Jung und Alt und Menschen aus allen Teilen der Welt, um eine Passion zu teilen. Und obwohl die Ehrung der Sieger bereits am heutigen Freitag stattfindet, hält das Festival-Fieber und der spannende Marathon um die Filme in Buenos Aires noch bis morgen an. Für alle diejenigen, die in diesem Jahr keine Chance dazu hatten – das nächste BAFICI ist bereits in Vorbereitung.