Natur und Technologie (2003)

Ana Lía Werthein lädt zum Ausflug aufs Land: “Al Campo” bei Atica

Von Susanne Franz

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Ein Ausflug aufs Land und gleichzeitig eine Reise in eine Welt der Abstraktion des Ländlichen ist Ana Lía Wertheins Ausstellung “Al Campo” in der Galerie Atica. Die Kunsthistorikerin und Psychoanalytikerin verwendet die unterschiedlichsten Techniken vom Gemälde über Skulpturen, deren Oberflächen mit Graphiken versehen sind, Fotografien, Foto-Drucke, Lithographien auf handgemachtem Papier bis hin zu Leuchtkästen. Das Thema “Landleben” wird dabei in einem Übertragungsprozess vom naturalistischen in den analytischen Bereich verarbeitet.

Beim Eintritt in die Galerie sieht man zunächst zwei Gemälde von Kühen – denn, so die Künstlerin, “auch auf dem Land scheint man immer zuerst von einer Kuh begrüßt zu werden”. Im größeren Raum der Galerie ist eine Skulpturen-Installation zu sehen, abstrakte, geometrische Formen, die verschiedene angebaute Pflanzen wie Sonnenblumen, Soja und Weizen symbolisieren. Auf den schrägen Flächen grasen wiederum Kühe, Plastiktiere, die in teils schwindelerregende Positionen außerhalb der horizontalen Normalität gestellt werden. Diese “andere Sichtweise” sei eines der “Privilegien des Künstlers”, erklärt Ana Lía Werthein, sichtlich zufrieden mit ihrem Werk und den Möglichkeiten der kreativen Entfaltung.

Sonnenblume, Weizen und Soja trifft man in verschiedenen Erscheinungsformen wieder: ihre Blätter in den Graphiken, grüne Weizenfelder in den Fotografien, Sojabohnen in den Kästen mit beleuchteten Fotos.

Horizonte beherrschen die Gemälde, die ein Gefühl von der Weite der Pampa vermitteln. Geräte wie Traktoren und andere Symbole des Landlebens sind vereinzelt auf ihnen zu finden.

Endgültig zum Gesamtkunstwerk macht die Ausstellung die Geräuschkulisse mit Vogelgezwitscher, die für ländlich-friedliche Atmosphäre sorgt, und ein Heuballen am Boden, der seinen typischen herb-süßen Geruch verströmt.

Natur und Technologie, Kreativität und analytisches Denken gehen in Wertheins Werk eine fruchtbare Verbindung ein.

Dieser Artikel erschien am 15.11.2003 im “Argentinischen Tageblatt”.

“Verweile doch, du bist so schön!” (2001)

Tito Pérez stellt Gemälde und Zeichnungen bei Atica aus

Von Susanne Franz

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Die aktuelle Produktion von
Tito Pérez – alles in Schwarz-Weiß!
– ist bis 24.06.06 bei Atica zu sehen.

Eigentlich sind es keine Landschaften, sondern Stimmungsbilder, die Tito Pérez mit lockerem Pinselstrich und großzügiger Farbgebung auf die Leinwand zaubert. Auf Holz, um genau zu sein, denn seine Bilder sind Momentaufnahmen; die Leinwand wäre zu saugfähig, zu beständig für das Festhalten von solch flüchtigen Eindrücken, von so schwer festzuhaltenden Gefühlen.

Wie funktioniert eigentlich die Erinnerung? fragt sich der Betrachter unweigerlich, denn hier wird ihm verdeutlicht, dass es kein objektives Sehen gibt. Tito Pérez führt es ihm vor: Er betrachtet eine Szene, nur eine Sekunde lang, und malt sie dann aus seiner Erinnerung. Sein visueller Eindruck vermischt sich mit seinem Gefühlszustand in diesem Moment, mit seinem Wissen, Denken, mit den Ablenkungen des äußeren Lebens.

Was Virginia Woolf in der Literatur mit der Technik des “Stream of Consciousness” (Bewusstseinsstrom) erreichte, gelingt Tito Pérez mit seiner Malerei: Er friert den Moment ein, tastet aber seine ihm innewohnende Bewegung nicht an: Er lässt ihn sozusagen “im Fließen bestehen”.

In einigen Werken greifen Schwarz-Weiß-Szenen – wie eine abrupt aus einem Stummfilm gerissene Sequenz – auf beunruhigende Weise ins Bild ein: Ein Mensch, der dem Betrachter den Rücken zukehrt, ein sitzender Lesender, ein Steg, der ins Wasser führt. Dissonant harmonisch möchte man den Effekt nennen, den der renommierte Künstler hier erzielt.

Die Ausstellung zeigt auch einige Zeichnungen, in denen das Konzept der Flüchtigkeit des Moments auf die Spitze getrieben scheint. Eine experimentelle und doch reife Exposition!

Dieser Artikel erschien am 28.07.2001 im “Argentinischen Tageblatt”.

Schnittstelle von Kunst und Kino (2005)

Heinz Peter Schwerfel, deutscher Regisseur und Kunstkritiker, spielte auf dem 7. Festival des Unabhängigen Kinos in Buenos Aires (BAFICI) 2005 eine besondere Rolle

Von Susanne Franz

Heinz2.JPGEr ist der Mann fürs Deutsche und für die Kunst beim Festival des Unabhängigen Films in Buenos Aires. Heinz Peter Schwerfel hat die deutschen Beiträge des Festivals ausgewählt, bietet elf Programme von Künstlerfilmen an und stellt darüber hinaus seinen eigenen Dokumentarfilm „Hotel Nooteboom“ über den niederländischen Schriftsteller Cees Nooteboom vor. Diesem Genre hat Schwerfel auch seinen internationalen Ruf zu verdanken. Der TV-Kabelsender Film&Arts zeigt zeitgleich mit dem Kinofest den Zyklus „El ojo de Schwerfel“ (Schwerfels Blick) mit seinen Beiträgen über berühmte Künstler, Philosophen und Theatermacher.

Zum Festival des Unabhängigen Films kam der 50-jährige Kölner über Fernando Martín Peña, den neuen Festival-Direktor. Peña, ein bekennender Schwerfel-Fan, betraute den Deutschen, der seit 2004 in Buenos Aires lebt, mit der Auswahl des deutschen Programms. Die beiden kennen sich vom Museum für Lateinamerikanische Kunst (MALBA), wo Peña das Kino-Programm leitet und im August 2004 eine Retrospektive des deutschen Filmemachers lief.

Seinen Nooteboom-Film hat Heinz Peter Schwerfel schon im Dezember 2003 fertiggestellt; in den deutschen Kinos lief er ab Oktober 2004. Im Programm des Unabhängigen Kinofestival von Buenos Aires 2005 läuft der neue Schwerfel-Film zweimal.

Schwerfel nähert sich dem 1933 geborenen holländischen Literaten und Weltbürger auf ganz persönliche, geradezu intime Weise. Nooteboom, der in Deutschland vor allem als Reiseschriftsteller bekannt wurde, wird in einem Porträt vorgestellt, das der Literatur das Wort überlässt und dennoch in Bildern spricht.

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Mensch und Maschine (2001)

Skulpturen von Alejandra Espinosa bei Atica

Von Susanne Franz

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Kaltes Metall und scharfe Kanten kontrastieren mit warmem Holz und organisch durchscheinendem Epoxy-Kunststoff. Waffen und Maschinen zeigt die talentierte junge Bildhauerin Alejandra Espinosa aus Córdoba: Morgensterne, Pistolen und SpieBe, Demoliermaschinen. Auf oder in ihnen thront ein Menschlein oder auch mehrere Figuren – die Maschine, die Waffe wird als Verlängerung des Menschen angeprangert, der Mensch als unvollständig ohne die Maschine.

Eine zum ZerreiBen gespannte innere Dynamik verleiht den ästhetischen Werken Espinosas ein spielerisches, aber auch bedrohlich-düsteres Leben.

(Bis 22.12.2001 in der Galerie Atica.)

Der Artikel erschien am 1.12.2001 im “Argentinischen Tageblatt”.

Augenblicke des Übergangs (2002)

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Gabriel Salomóns Serie „Humo” bei Rubbers

Von Susanne Franz

gabisal2.jpgSechs Jahre sind seit der letzten Ausstellung Gabriel Salomóns in Argentinien vergangen. Wenn er eine neue Serie fertig gestellt habe, sagt der Künstler, habe er die Werke gerne ein, zwei Jahre bei sich, ehe er sie zeige, um zu überprüfen, ob sie der Zeit Stand hielten. Seine neue Produktion „Humo”, ganz unterschiedlich zu den Werken, die 1996 bei Ruth Benzacar gezeigt wurden, und doch unverwechselbar Salomón, ist in dieser Hinsicht geradezu unheimlich aktuell.

Während es um uns herum brennt, stehen wir wie hypnotisiert da und starren staunend ins Feuer. Der aufsteigende Rauch brennt in den Augen, aber wir können den Blick nicht abwenden, ebensowenig wie wir in der Lage sind, die Zerstörung zu verhindern. Noch verdeckt der schwarze Nebel den Blick auf die Ruinen, aus denen irgendwann in einer nicht näher zu bestimmenden Zukunft wieder Neues entstehen wird. Dass seine in in den Jahren 1998 bis 2001 entstandenen Werke derart treffend den momentanen kritischen, völlig undurchsichtigen Zustand Argentiniens beschreiben würden, hat sicher den Künstler selbst überrascht und erschreckt.

Gabriel Salomóns Werk ist aber wie immer auch reich an allgemeingültigen Botschaften, wobei die Serie „Humo” mit der Explosivität von Beziehungen spielt (Eltern und Kind, Mann und Frau) oder mit den himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübten Extremen der Pubertät; die sich in unkritisches Wohlgefallen auflösende Kultur aufs Korn nimmt; oder Mutwillen dokumentiert wie in „Hecho humo porque si” (In Rauch aufgelöst – einfach so).

Salomóns Werke sind neben ihrer Aussagekraft schwebende, ästhetische Meisterwerke voll lebendiger Dynamik, gefährlich und schön, philosophisch und verspielt. Prekäre Augenblicke des Übergangs von einem Zustand in einen anderen sind hier festgehalten, und zum Schrecken gesellt sich ganz leise auch die Hoffnung.

Der Artikel erschien am 18.5.2002 im “Argentinischen Tageblatt”.

Instantes de transición (2002)

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La serie “Humo” de Gabriel Salomón en la Galería Rubbers

Por Susanne Franz

gabisal3.jpgHan pasado seis años desde la última exposición de Gabriel Salomón en Buenos Aires. Según el artista, después de haber terminado una nueva serie, le gusta tenerla cerca de él durante un año o dos, para verificar su resistencia y credibilidad en el tiempo. Teniendo en cuenta esto, su nueva producción “Humo” —muy diferente de las obras que mostró en Ruth Benzacar en el año 1996, pero sin dudas 100% Salomón— tiene una actualidad inquietante.

Mientras que todo se está quemando a nuestro alrededor, nos quedamos paralizados, mirando fijamente el fuego sin poder creer lo que pasa. El humo sube y arde en los ojos, pero no logramos apartar la mirada, como tampoco podemos impedir la destrucción. Una niebla negra cubre todavía las ruinas, de las cuales en un futuro no definido va a nacer algo nuevo. Estas obras de Salomón fueron creadas entre 1998 y 2001, pero describen con una agudeza impresionante la situación crítica, caótica y completamente opaca de la Argentina de este 2002. Seguro que al propio artista le debe haber sorprendido y asustado esta cualidad profética de sus obras.

Al mismo tiempo, la obra de Gabriel Salomón es rica en contenidos esenciales. La serie “Humo” juega con la explosividad de las relaciones humanas (padres e hijos, hombre y mujer) o con los extremos emocionales de la adolescencia; apunta con un guiño a la “cultura” disolviéndose en una mediocridad acrítica; o simplemente se muestra malicioso como en la obra “Hecho humo porque si”.

Aparte de toda su fuerza expresiva, las pinturas de Salomón son obras maestras de una rara estética: parecen suspendidas en el aire, pero dinámicamente vibrantes, son peligrosas y bellas, filosóficas y juguetones a la vez. Captan precarios instantes de transición de un estado a otro: junto al terror aparece, muy tímidamente, la esperanza.

Este artículo salió (en idioma alemán) el 18/5/2002 en el “Argentinisches Tageblatt”.

Weniger ist mehr (2002)

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Andrés Waissman bei Sara García Uriburu

Von Susanne Franz

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„Las multitudes”, Mischtechnik auf Karton, 0,46 x 0,63 m, 2001.

Wenn man seit Jahren die künstlerische Arbeit von Andrés Waissman verfolgt, erkennt man einige Elemente in seinen neuesten Arbeiten wieder: Farbflächen, die sich wie Bänder quer über das Bild erstrecken, teilen hier noch in begreifbare Ebenen ein, das Auge glaubt hier und da „konkrete” Anhaltspunkte zu entdecken, an denen es sich festhält: einen Fluss, die Skyline einer Stadt, Horizonte, ein Boot, stumme Ansammlungen von Menschen, Behausungen, Feuer. Man assoziiert Zerstörung, Verzweiflung, fühlt sich versetzt ins Mittelalter – und schreckt vor Visionen der Zukunft zurück.

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Menos es más (2002)

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Andrés Waissman expone en la Galería Sara García Uriburu

Por Susanne Franz

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“Las multitudes”, técnica mixta sobre cartón, 0,46 x 0,63 m, 2001.

Quien haya seguido durante años la obra de Andrés Waissman, encuentra elementos reconocibles en sus trabajos más nuevos: planos de color que se extienden como cintas por las obras y las dividen en lugares más o menos concebibles. El ojo del espectador logra captar en estos planos algunos puntos de referencia “concretos”, y se aferra a ellos: un río, la silueta de una ciudad, horizontes, un barco, aglomeraciones mudas de personas, viviendas, fuego. Se despiertan asociaciones de destrucción y desesperación, y se produce un sientimiento como de estar disparado hacia la edad media… y a la vez temblar ante visiones del futuro.

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Individuum und Gesellschaft in Argentinien (2001)

Marga Steinwasser stellt im Atelier “La Carbonería” ihre “lndividuos” aus

Von Susanne Franz

marga.jpgArgentinien liegt am Boden wie ein alter Bettvorleger, abgewetzt an manchen Stellen, an einigen schon leicht glänzend. Die argentinische Flagge, die Marga Steinwasser aus gestickten Stucken zusammengesetzt hat, erinnert auch an einen uralten Teddybär, dessen schäbiges Fell Zeugnis ablegt von unendlichen Kinderumarmungen. Totgeliebt. Auf der Fahne, Symbol für den Stolz der Argentinier auf ihr Land, liegt ein Mensch, eine aufgenähte Puppe. Auf ihrem Leib stehen all die Dinge geschrieben, die den Einzelnen – und die Gesellschaft – unmittelbar bedrohen: Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Default, Korruption, Sparmaßnahmen, und vieles mehr.

Marga Steinwasser beschreibt die argentinische Realität – und wie wichtig es ist, sich trotz aller Probleme selbst treu zu bleiben.

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“Es gibt keine perfekte Welt” (2002)

Eine Anthologie der Künstlerin Ana Eckell im Centro Cultural Recoleta

Von Susanne Franz

Werk von Ana Eckell

Ana Eckell ist viel gereist und hat in der ganzen Welt ihre Werke ausgestellt. Sie hat Argentinien auf der Biennale von Paris 1984 vertreten und 1985 in Sao Paulo, und sie zeigt Teile der „Wände”, die sie bei diesen renommierten internationalen Kunst-Treffen präsentierte, nun im Rahmen der anthologischen Ausstellung „La voz del agua” im Centro Cultural Recoleta; dazu Gemälde mit vorgebauten Schachteln, die bei der Biennale ARCHE in Buenos Aires 1983 zu sehen waren, ihre „blaue Periode” von 1987/88, ihre Produktion der 90er Jahre, bekannt von einer bedeutenden Ausstellung im „Museo Nacional de Buenos Artes”, bis hin zu sehr zurückgenommenen Bildern von 2000 und 2001, in denen die Künstlerin, in deren Werk das Übereinanderschichten von verschiedenen Perspektiven und Ebenen eine Hauptrolle spielt, wie durch einen Nebel Konturen und Szenen erahnen lässt.

Werk von Ana EckellSie habe diese Bilder vor den Attentaten vom 11. September 2001 gemalt, sagt Ana, als sie auf die Parallelen zu den Anschlägen in diesen Werken angesprochen wird, aber sie seien fast so etwas wie eine Vorahnung gewesen. Als ihr Lebenspartner sie an dem schrecklichen Tag angerufen und ihr von den Attentaten erzählt habe, habe sie den Femseher angemacht, die gigantischen Staubwolken gesehen und ihr sei klar geworden: „Das ist es!” „Die Welt befindet sich in einem Veränderungsprozess”, sagt Ana, „vielleicht muss erst alles in sich zusammenfallen, bevor etwas Neues entstehen kann.” Auch in ihren Texten, die innerhalb der Retrospektive einen wichtigen Stellenwert einnehmen, wird dieses Thema immer wieder aufgegriffen.

Mensch sein in Krisenzeiten

Werk von Ana EckellZu diesem schmerzlichen Prozess zählt auch die aktuelle Krise in Argentinien. Die Auswirkungen spürt Ana Eckell am eigenen Leibe, wie fast alle Argentinier – das wird deutlich, wenn sie von den Schwierigkeiten berichtet, die Ausstellung auf die Beine zu stellen, und von ihrem festen Willen, „trotz allem etwas zu tun”.

Aber auch die empfindlichen Sensoren ihrer sensiblen Künstlerseele sind auf Empfang, etwa wenn sie sich fragt, ob denn die momentane Situation nicht realistischer sei als die vorgegaukelte Erste-Welt-Zugehörigkeit der letzten Jahre. „Unsere Situation ist unbequem, aber das Leben an sich ist unbequem”, philosophiert Ana. Ordnung sei doch nur eine Fiktion, die jeden Moment kaputtgehen könne. „Hier leben wir realistischer”, zieht sie ihr Fazit, „Leben ist immer prekär.” Nachdenklich fügt sie hinzu:„Ich glaube, es gibt keine perfekte Welt.” Überall, in allen Ländern, die sie bereist habe, würden die Menschen klagen. Das liege wohl daran, dass „wir Menschen eben nicht perfekt” seien.

Geschichte aufarbeiten

Werk von Ana Eckell„Man braucht immer auch Humor, um mit schwierigen Themen fertig zu werden”, sagt Ana Eckell – übrigens in ausgezeichnetem Deutsch -, zum Beispiel über ihre Bilderserie „La batalla de San Ramón” von 1984. Die großformatigen Werke seien in Anlehnung an die Schlachtenbilder des Renaissancemalers Uccello entstanden, aber die Pferde sähen bei ihr eher aus wie Karussellpferde, lacht sie.

In ihren Werken der frühen 80er Jahre habe sie die repressiven 70er verarbeitet, das Klima der Zensur, das geherrscht habe, als sie, damals schon mit dem beendeten Kunststudium, ihre Künstlerkarriere begonnen habe. Und 1982 habe der Malwinenkrieg einen starken Eindruck in der Gesellschaft hinterlassen.

Einen direkten Bezug zu historischen Ereignissen hätten ihre Werke zwar nicht, meint die Künstlerin mit dem blonden Kurzhaarschnitt, aber sie registrierten eben doch die Dinge, die sie kenne. „Es ist einfacher, die Dinge zu benennen, sie sind dann weniger schmerzhaft, man versteht sie besser”, erklärt sie ihre künstlerische Motivation, und fügt hinzu: „Ich habe mein Augenmerk nie auf punktuelle Ereignisse gerichtet, sondern auf (geschichtliche) Prozesse.”

Und die Zukunft?

Werk von Ana EckellDie Frage nach ihrem weiteren Weg drängt sich unwillkürlich auf, wenn man Ana Eckells jüngstes Bild „Salto de página” von 2002 betrachtet. Es ist eine Mischung aus weißlich-grauer Farbe und Textur, dahingeworfene Worte sind kaum noch sichtbar. Ihre Malerei, so groß und bunt und farbenprächtig einst, wird doch nicht etwa verschwinden? Ana ist überhaupt nicht beunruhigt. „Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, und ich will es auch gar nicht wissen!”, wehrt sie ab. Sie suche nie nach neuen Bildern: „Sie kommen zu mir, wenn ich dazu bereit bin”, beschreibt sie den kreativen Prozess, der sie zum Malen und Schreiben drängt. „Es gibt viele Dinge, die man im Moment vielleicht nicht versteht”, gibt sie zu bedenken, aber sie verlasse sich auf eines: „Das Leben ist ein perfektes Design.”

Der Artikel erschien am 25.5.2002 im “Argentinischen Tageblatt”.

Die Bilder stammen von Ana Eckells Webseite.

„Viel zu sehen geben“

Dokumentarfilm-Retrospektive von Heinz Peter Schwerfel im August 2004 im Malba

Von Susanne Franz

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Werk von Jürgen Klauke.

Jürgen Klauke ist auch in die Jahre gekommen. Wenn der 60-jährige Kölner Künstler mit den kurzgeschnittenen weißen Haaren, dem obligatorischen Ohrring und der Sonnenbrille aber im Straßenkreuzer in unendliche Weiten hineinfährt und ganz cool eine Kassette einschiebt, spürt man, dass sich an seiner Wildheit und dem kompromisslosen Freiheitsdrang nichts geändert hat. So beginnt Heinz Peter Schwerfels Dokumentarfilm über Klauke, in dem dann abwechselnd Interview-Ausschnitte mit dem als Konzeptkünstler weltberühmt gewordenen einstigen Travestie-Star und eine Foto-Arbeit gezeigt werden, die Klauke leitet und bei der er eine entscheidende Rolle spielt – angeseilt im Designeranzug über einem nackten Model schwebend, das auf einer Bank liegt.

Der deutsche Regisseur und Kunstkritiker Heinz Peter Schwerfel führte persönlich in die Retrospektive seiner Dokumentarfilme über Künstler, Theatermacher und Philosophen ein, die das Malba im August 2004 unter dem Titel „El cine y las artes: una historia de amor“ (Das Kino und die Kunst: eine Liebesgeschichte) zeigte. „Sie müssen wissen, dass Jürgen Klauke ein Fotograf ist, der noch nie selbst ein Foto gemacht hat“, erklärt Schwerfel das eigenwillige Arbeitskonzept des Künstlers, dem er in den 70-er Jahren im Kölner Kneipenleben erstmals begegnet war.

Schwerfels Anekdoten über die Persönlichkeiten, die Gegenstand seiner Dokumentationen sind, sind so originell wie sein filmischer Stil. Plötzlich scheint der Zugang zu der französischen Künstlerin Annette Messager einfach, denn Schwerfel sagt: „Sie ist extrem schüchtern, und deshalb tritt sie in dem Film nie persönlich in Erscheinung, sondern nur als Stimme aus dem Off oder versteckt in ihren Installationen.“ Man sieht Bilder einer Installation Messagers in einem Terrarium und hört ihren Kindheitserinnerungen zu. Sie erzählt, sie sei an einem Ort in der Normandie aufgewachsen, dort, wo die Deutschen im 2. Weltkrieg die alliierte Landung vermutet hätten – aus diesem Grund stünden die vielen Bunker am Strand. Ein weiteres Merkmal seien die Sanatorien, deshalb sei ihre Familie auch dort hingezogen. „Wir sind mit Todkranken aufgewachsen“, sagt Messager im Plauderton, „das sind sehr lustige Menschen, denn sie wissen, dass sie nichts mehr zu verlieren haben.“ Die komplexen, sensiblen Installationen der Künstlerin, die die Kamera mittlerweile einfängt, öffnen sich beim Zuhören einem ganz anderen Verständnis.

Schwerfel arbeitet unmittelbar mit Bildern („Ich will ganz viel zu sehen geben, und nichts erklären“), mit Musik und den Aussagen der von ihm gewählten Protagonisten. Und er lässt dem Zuschauer viel Zeit, über die Bilder in die Welt des jeweiligen Künstlers einzutauchen. Schwerfels unverwechselbare Handschrift (obwohl die Filme alle unterschiedlich sind) garantiert neben dem filmischen Genuss auch ein bereicherndes kulturellen Erlebnis.

Der Artikel erschien im August 2004 im “Argentinischen Tageblatt”.

Hier finden Sie Infos zum Filmzyklus „El cine y las artes: una historia de amor. Documentales de Heinz Peter Schwerfel“ und zu Schwerfels „Manifest“.