“Als ich mit dem Papst U-Bahn fuhr”

Auszüge aus dem Leben von Franziskus – die Geschichte eines Menschen

Von Michaela Ehammer

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Es gibt viele Dinge, die wir über unseren Papst Franziskus wissen: Er kommt aus Argentinien und ist stolz darauf, ist ein großer Fußballfan, stets hilfsbereit, trinkt gerne Mate und stellt den Vatikan gehörig auf den Kopf. Nach seiner Amtseinführung am 19. März 2013 haben sich viele Dinge in und um den Vatikan verändert: Montags gibt es einen kostenlosen Haarschnitt für Obdachlose, das elegante Hotel wurde durch eine beschauliche Pension ausgetauscht, teure Kleider lehnte er von Anbeginn ab. Jorge Mario Bergoglio sorgt mit seiner unkonventionellen Art und mit seinen teils drastisch formulierten Sprüchen (“Die Kurie hat spirituellen Alzheimer”) für so viele Schlagzeilen, dass der Blick auf seine Wurzeln selten geworden ist. Doch wer ist dieser Mann? Und wie lebte er davor?

Die Vergangenheit des Argentiniers ist bunt, komplex und voller Brüche. 1998 war er Erzbischof, 2001 Kardinal. Er stand auf dem Abstellgleis und wollte seine berufliche Karriere ändern. Schriftstellerin Erika Rosenberg geht ihm in ihrem aktuellen Buch, der Biographie “Als ich mit dem Papst U-Bahn fuhr – Jorge Bergoglio aus Buenos Aires”, auf den Grund, schreibt über ihn als Menschen und berichtet von einer Seite, die den meisten von uns bisher wohl unbekannt blieb: Über das Verliebtsein des jungen Jorge, die Auswanderung seiner Familie von Italien nach Argentinien, über die Schatten- und Sonnenseiten seiner geistlichen Karriere, und gibt uns somit einzigartige Einblicke in das Leben jenes Mannes, der heute als Papst viele auf der ganzen Welt prägt.

Er sei anders, etwas Besonderes, könne vieles bewirken und sei “ein Papst zum Anfassen”, so die Autorin. Im Buch wird beschrieben, dass er Rosenkränze von Prostituierten segnete. Isabella, eine davon, kann sich noch gut an ihre Begegnung mit “Pater Jorge” erinnern. Sie habe ihn um einen Rosenkranz gebeten mit den Worten: “Vater, ich lebe in Sünde” – seine Antwort war simpel: “Wir sind alle in Sünde”. Und genau diese Aussagen seien es, die aus dem Geistlichen einen Menschen machen, so Rosenberg.

Doch wie kommt es zum Buch? Alles fing 1997, bei einer Gedenktafel für die Opfer des Holocausts in der Kathedrale von La Plata an. Fasziniert von seinen Worten schrieb Erika Rosenberg heimlich in der Kirche mit. Danach hat sie ihn in der U-Bahn, in der Linie A getroffen. Alle wären hell angezogen gewesen, nur Pater Jorge war in Schwarz gekleidet und seine Präsenz fiel auf. So drängte sich die Jüdin hin und fragte, ob es eine Annäherung zwischen Katholiken und Juden gäbe. Seine Antwort war einfach und verblüffend zugleich: “Ein guter Christ ist kein Antisemit!” Wieder blieb er ihr im Gedächtnis. Als sie ihn dann noch einmal in der U-Bahn getroffen hat und er dann schließlich zum Papst gewählt wurde, kam der Entschluss, ihm ein Buch zu widmen. Am 27. August 2014 war sie bei einer Audienz und er meinte: “Jetzt haben Sie alles für das Buch. Ich glaube, jetzt sind Sie damit fertig.” Wird er wohl wissen, denn auch der Papst höchstpersönlich hat mit dem Rabbiner Abraham Skorka ein Buch geschrieben, welches den Titel “Über Himmel und Erde” trägt.

Bücher vom Papst gibt es mittlerweile schon viele, warum ist also genau dieses Buch so besonders? Rosenberg hat für diese Biographie lange und äußerst genau recherchiert, sich mit Leuten aus seinem früheren Umfeld, etwa seinen Nichten, unterhalten, Informationen von einem Gefangenen sowie von anderen Priestern, die ihn persönlich kannten, gesammelt und dem Papst höchstpersönlich von diesem Buch berichtet. Es beruft sich somit auf Erinnerungen von Familienmitgliedern und engen Weggefährten und gibt einzigartige Einblicke in das wahre Leben Jorge Mario Bergoglios.

Erika Rosenbergs Buch “Als ich mit dem Papst U-Bahn fuhr – Jorge Bergoglio aus Buenos Aires”, unter der Mitarbeit von Ulrike Nikel, ist am 23. Februar 2015 beim HERBIG Verlag auf Deutsch erschienen (236 Seiten mit 23 Fotos).

Lesungstermine in Deutschland im April: 7.4. (Detmold, Augustinum); 8.4., 19 Uhr (92676 Speinshart, Kloster, Klosterhof 2); 9.4., 19 Uhr (07546 Gera, Katholische Pfarrei, Kleiststr. 7); 13.4., 19.30 Uhr (73033 Göppingen, Katholische Erwachsenenbildung, Zeigelstr. 14); 20.4. (97631 Würzburg, Haus St. Michael – Mehrgenerationenhaus, Familienbildungs- und Begegnungshaus der Diözese, Wallstr. 49); 21.4., 19.30 Uhr (85049 Ingolstadt, Katholische Erwachsenenbildung, Hieronymusgasse 3).

Infos auf Erika Rosenbergs Webseite.

Foto:
Erika Rosenberg mit ihrem Buch über den Papst.
(Foto: Michaela Ehammer)

Durch die Blume

“Floralis genérica” in Buenos Aires soll repariert werden

Von Andreas Babst

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Die “Floralis genérica”, die riesige Blume aus Aluminium gleich neben der Rechtsfakultät im Viertel Recoleta, wird repariert. Das Kunstwerk des argentinischen Architekten Eduardo Catalano soll sich wieder öffnen und schließen können, wie einst vorgesehen. 2002 errichtet, funktionierte der Bewegungsmechanismus des 22 Meter hohen und 18 Tonnen schweren Denkmals gerade einmal zehn Monate, dann blieb die Blume offen; die verantwortliche Firma flüchtete vor den Garantieansprüchen ins Ausland. Catalano bemühte sich um Schadenersatz, doch bis zu seinem Tod 2010 kam keine Einigung zustande.

Alle Versuche, die Blume wieder in Stand zu setzen, scheiterten nach kurzer Zeit, seit 2009 steht sie endgültig still und offen. So exponiert, war sie immer wieder Gewittern und starken Winden ausgesetzt, die das Denkmal zunehmend beschädigten.

Jetzt hat sich eine private Investorengruppe ihrer angenommen und die Reparationen eingeleitet. Eigentlich sollten die Arbeiten bereits am 8. März zum Tag der Frau abgeschlossen sein, doch sie verzögerten sich: einerseits weil die Konstruktionspläne sich im Besitz der weggezogenen Firma befinden, und andererseits, weil bei der Reparatur immer neue Mängel auftauchen. “Unser Ziel muss sein, dass die Blume nicht noch einmal kaputt geht”, sagt der Projektleiter Rodrigo Silvosa. Im Juli, zum internationalen Tag der Umwelt, soll es dann soweit sein.

Marielouise Alemann gestorben

Am Mittwoch starb die Pionierin der Filmkunst in Buenos Aires

Von Susanne Franz

marielouise2Sie war eine eine bedeutende Kulturschaffende, ehemalige Mitarbeiterin des Argentinischen Tageblatts und die zweite Ehefrau des damaligen Tageblatt-Direktors Ernesto T. Alemann: Im Alter von 87 Jahren ist am Mittwoch, dem 25. Februar 2015, Marielouise Alemann in Buenos Aires verstorben.

Aus dem Kulturleben der argentinischen Hauptstadt ist die einzigartige Persönlichkeit nicht wegzudenken: Sie machte sich als Theater- und Performance-Künstlerin sowie als Filmemacherin einen Namen. Die Pionierin der experimentellen Filmkunst kann als eine der Begründerinnen der Videokunst in Argentinien angesehen werden. Von 1979 bis 1985 war sie Programmdirektorin der Filmabteilung des Goethe-Instituts Buenos Aires.

Marielouise Alemann hatte Mut, und sie hatte Stil. Sie bestach nicht nur mit ihrer Schönheit und ihrer Eleganz, sondern vor allem durch ihre Intelligenz und scharfe Beobachtungsgabe, ihre Warmherzigkeit und ihren Sinn für Humor. Im vergangenen Jahr war sie gesundheitlich sehr angeschlagen und in ihrer geliebten Bewegungsfreiheit eingeschränkt gewesen. Vor einer Woche musste sie ins Krankenhaus eingeliefert werden, wo sie am Mittwochmorgen starb.

Marielouise war knapp über 20 Jahre alt, als sie nach Argentinien kam, um ihre Schwester zu besuchen. 1951 heiratete sie Ernesto T. Alemann, mit dem sie die gemeinsame Tochter Katja bekam.

Für das Tageblatt produzierte Marielouise u.a. die wegweisende farbige Wochenbeilage „Die Illustrierte“. Sie steuerte dafür die Fotografien für Titel und Inhalt bei und interviewte in einem glamourösen Rahmen die Damen und jungen Frauen der deutschen Gemeinschaft. Als Filmkritikerin reiste Marielouise Alemann auf die wichtigsten Filmfestivals der Welt und berichtete darüber. Die Filmfanatikerin und -kennerin pflegte Freundschaften mit Regisseuren wie Werner Herzog oder dem verstorbenen Werner Schröter.

Marielouise schrieb außerdem Berichte von ihren zahlreichen Reisen, die sie zum Beispiel durch fast alle Wüstenlandschaften der Welt führten, und bereicherte die Zeitung mit gesellschaftlichen und philosophischen Texten. Mit Butoh, dem japanischen Tanz der Hoffnung, beschäftigte sich Marielouise Alemann besonders stark, er war der ideale Ausdruck ihrer Ideenwelt. Der Kampf zwischen unsterblicher Seele und sterblichem Körper wird in dem langsamen, meditativen Tanz dargestellt, in dem sich der Tänzer ohne Unterbrechung fortbewegt, als Symbol für die (Lebens-)Reise, auf der der Mensch sich befindet. Nun hat Marielouise ihre letzte Reise angetreten. Sie hinterlässt ihre Tochter, die Künstlerin Katja Alemann, ihre geliebten Enkel Tadeo und Luna, und viele Freunde und Fans.

Drachentänze und fernöstliches Puppentheater

In Buenos Aires wurde das chinesische Neujahrsfest gefeiert und das Jahr der Ziege eingeläutet

Von Michaela Ehammer

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Wenn der Drache am Himmel tanzt und mit ihm bunt verkleidete Menschen durch die Straßen ziehen, dann ist es wieder soweit: Das Chinesische Neujahrsfest, das wichtigste Ereignis im chinesischen Kalender, findet statt. Am Samstag, dem 14., und Sonntag, dem 15. Februar, feierte die Stadt Buenos Aires dieses großartige Spektakel auf den “Barrancas de Belgrano”. Die Nachbarn, die chinesischen Mitbürger und alle interessierten Besucher waren eingeladen, zwei Nachmittage und Abende voller Überraschungen und fernöstlicher Darbietungen zu erleben.

Um das Jahr der Ziege bzw. das chinesische Jahr 4713 einzuläuten, das am 19. Februar beginnt, wurden u.a. der traditionelle und glücksbringende Drachentanz, Chinesische Oper, Tango-Shows, Folkloretänze, Vorführungen traditioneller Kampfsportarten sowie chinesisches Puppentheater für die neugierigen Zuschauer geboten. Ein Neujahrsfest der etwas anderen Art. Zudem konnten kulinarische Köstlichkeiten der chinesischen und fernöstlichen Küche, wie “Jiaozi”, chinesische Teigtaschen, oder japanisches Bier probiert werden und chinesische Glückskekse und andere Talismänner im und rund um das chinesische Viertel erstanden werden.

Außerdem wurden in diesem Jahr andere ausländische Gemeinschaften eingeladen, mit Veranstaltungen zu dem Fest beizutragen, um damit den multikulturellen und toleranten Charakter der Stadt Buenos Aires hervorzuheben. In diesem Zusammenhang gab es am Samstag Darbietungen peruanischer, armenischer, spanischer und koreanischer Künstler, während am Sonntag die Gemeinschaften Italiens, Japans, Boliviens und Polens ihren Teil zu dem Programm beitrugen. Zum Abschluss verwandelte sich der Himmel über Belgrano C in ein großes Meer aus buntem Feuerwerk.

Anders als die westlichen Tierkreiszeichen bei uns, beeinflusst ein chinesisches Tierkreiszeichen jeweils ein ganzes Jahr. Das Jahr der Ziege verspricht Entspannung pur, denn die stets heitere und gelassene Art der Ziege färbt auch auf die Stimmung des Jahres ab: Das Tempo wird gebremst und der Fokus rückt verstärkt auf die schönen Dinge des Lebens. Somit ist dieses Jahr eine gute Zeit, um mit sich selbst und anderen Frieden zu schließen, Stress einfach einmal Stress sein zu lassen und das Leben etwas ruhiger anzugehen. Die Widmung der Liebsten und der Familie sowie Kreativität werden im Jahr der Ziege ganz großgeschrieben. Etwas Vorsicht sollte dennoch geboten sein, denn das Jahr der Ziege macht den Menschen auch stimmungsabhängig und empfindlich – und damit etwas launisch, wenn nicht alles nach Plan verläuft. Auch mit den Finanzen sollte gut gewirtschaftet werden. Zuletzt wurde das Jahr der Ziege 2003 gefeiert.

Ein Hauch von Rio

Tausende leiteten den Karneval in Buenos Aires ein

Von Mandy Rutkowski

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Wer Karneval erleben will, muss nicht zwingend einen teuren Flug nach Rio de Janeiro buchen. Auch in Buenos Aires kennt man das bunte Treiben, das im Februar eines jeden Jahres auf den Straßen gefeiert wird. Am Sonntag, dem 1. Februar, wurde die Karnevalszeit mit mehr als 100 Musikgruppen und 30 Paraden in der Hauptstadt eröffnet. Die Feste reichten von Almagro bis San Telmo und von La Boca bis Villa Crespo. Gefeiert wird an den nächsten Wochenenden bis Ende Februar jeweils samstags von 19 bis 2 Uhr und sonntags von 19 Uhr bis Mitternacht. Am Montag, dem 16., und Dienstag, dem17. Februar, sind zum Feiern sogar zwei Karnevalsfeiertage reserviert.

Typisch für den Karneval in Buenos Aires sind die “Murgas”. So nennt man die Gruppen aus Tänzern, Sängern und Trommlern, jedoch auch den argentinischen Karneval an sich. “Die Murgas spielen eine Schlüsselrolle in der Geschichte der Viertel. In La Boca haben sie eine lange Tradition”, erklärt Facundo Carman, Mitglied von “Los Amantes de La Boca”. Den Ursprung der Murgas findet man in Deutschland.Vor mehr als 150 Jahren brachten Einwanderer aus dem Rheinland die Traditionen des Kölner Karnevals mit an den Río de la Plata. Hier verschmolzen sie mit der Musik ehemaliger schwarzer Sklaven zu einer eigenständigen Volkskultur.

Seit jeher wird der Karneval dazu genutzt die Obrigkeiten des Landes auf den Arm zu nehmen, was wohl auch der Grund war, wieso die Feierlichkeiten in Argentinien während der Militärdiktatur verboten wurden. Noch heute werden politische und soziale Themen aufs Korn genommen. Neben der Musik ist auch die Kleidung der “Murgueros” von großer Bedeutung. Ein typisches Outfit besteht aus Seidenfrack, Handschuhen und Hut – eine Erinnerung an die Zeiten, als sich Sklaven in Abwesenheit ihrer Herren in ihren kostbaren Kleidern über sie lustig machten.

Das Kulturministerium der Stadt Buenos Aires erwartet in diesem Jahr bis zu eine Million Besucher, die den Hauch von Rio hautnah spüren möchten.

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Sie wissen, wie man feiert: Die „Murgueros“ beim alljährlichen Karneval in Buenos Aires.
(Cultura BA)

Der Himmel wird zur Tango-Bühne

Cai Guo-Qiang begeisterte 200.000 Zuschauer mit beeindruckendem Feuerwerk

Von Jannik Jürgens

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Der chinesische Künstler Cai Guo-Qiang verwandelte am Samstagabend den Himmel über La Boca in eine einzigartige Tango-Show. Unter dem Titel “Das Leben ist eine Milonga. Tango und Feuerwerk für Argentinien” begeisterte Guo-Qiang mit über 43.000 Feuerwerkskörpern und einem Orchester die Zuschauer. Nach offiziellen Angaben kamen über 200.000 Menschen nach La Boca, um die Performance zu sehen.

Schon auf dem Weg wird klar, dass heute abend etwas Besonderes passiert. Die Busse sind brechend voll und auf den Straßen herrscht ein Verkehr wie sonst nur bei Spielen der Boca Juniors. Irgendwann geht nichts mehr, die Menschen lassen das Auto stehen und gehen zu Fuß zum Hafen. Dort warten viele schon seit Stunden auf das Spektakel. Sie haben die besten Plätze reserviert, ganz nah am Wasser, um auch die Reflexionen des Feuerwerks sehen zu können.

Um kurz vor acht steigt die Spannung. Gleich soll es losgehen. Doch dann die Enttäuschung: Der Beginn des Feuerwerks wird um eine Stunde nach hinten verschoben. Buh-Rufe quittieren die offizielle Ansage. Dann kommt endlich Cai Guo-Qiang ans Mikrofon. Auf Mandarin kündigt er das Feuerwerk an. Die Übersetzerin kommt ihm zu Hilfe: “Fünf, vier, drei, zwei, eins, null.” Gebannt schauen die Menschen in den Himmel, einige halten den Atem an. Ein ohrenbetäubender Knall. Mit einer großen Explosion beginnt das Feuerwerk, gespenstische Rauchschwaden ziehen durch den Hafen. Dann erklingen die ersten Takte von “La Cumparsita”, erst leise, dann lauter. Zeitgleich steigen Raketen in den Himmel, harmonisch abgestimmt mit der Musik. Die blauen und weißen Feuerwerkskörper stellen die Tänzer da, die silbernen und goldenen Lichter den Korpus des Akkordeons.

Cai Guo-Qiang lässt die Geschichte des Tangos als Feuerwerk Revue passieren. Das Orchester liefert die passende Musik. Als zweites Stück kommt “Felicia”. Weiße Girlanden und schwarze Blitze lassen Erinnerungen an den Beginn des Tangos erwachen. Damals wurden die Tänzer im Fernsehen in schwarz-weiß gezeigt. Insgesamt hat Guo-Qiang seine Performance in vier Tango-Epochen eingeteilt: Von 1890 bis 1943, von 1943 bis 1955, von 1955 bis 1983 und von 1983 bis heute. In den Pausen des Feuerwerks kommentiert er das Geschehen: “Heute ist eine unbeschreibliche Nacht. Jetzt möchte ich, dass Sie Tango tanzen.” Das Orchester spielt und einige Zuschauer kommen der Aufforderung nach. Vorsichtig tanzen sie in der Menschenmasse, es ist ein Tango auf dem Bierdeckel.

Nach einem Electrotango-Feuerwerk kommt es zum großen Finale. “Volver al sur” ist der Höhepunkt und stellt alles andere in den Schatten. Das Feuerwerk zeichnet sanfte Bewegungen in den Nachthimmel und die Musik harmoniert perfekt mit den Explosionen. Die Raketen erreichen eine Höhe von 180 Metern. Den Schluss bildet eine Kaskade von weißen Explosionen, und für einen Moment ist ein riesiges Akkordeon über dem Hafen zu sehen. Später sagt der Kommentator, es sei 180 mal 60 Meter groß gewesen.

So beeindruckend das Feuerwerk ist, so vergänglich ist es auch. Guo-Qiangs Bilder sind da langlebiger. In der Proa-Stiftung, die Guo-Qiang zusammen mit der Kulturabteilung der Stadt nach Buenos Aires holte, sind seine Schießpulver-Bilder ausgestellt. Guo-Qiang hat seine eigene Technik für die Werke konzipiert. Auf Videos, die den Entstehungsprozess zeigen, kann der Besucher diese Technik nachvollziehen.

Am Anfang steht die Recherche: Guo-Qiang reist an den Ort, den er malen will. In Argentinien war er unter anderem an den Iguazú-Wasserfällen und in der Wüste. Dort beginnt der kreative Prozess. Cai zeichnet, fotografiert die Landschaft und lässt sich von lokaler Kunst inspirieren. Dann entwickelt er sein Werk. In der Werkstatt trägt er das Schießpulver auf vorher gezeichnete Flächen auf. Von Pappe abgedeckt, wird das Pulver gezündet. Unmittelbar danach muss das Feuer erstickt werden – und das Werk ist fertig. So ist Guo-Qiangs Kunst zwar durchgeplant, doch die Explosion hat immer etwas Unvorhersehbares. Jedes Werk ist ein Stück weit Unfall und Improvisation.

Guo-Qiang hat auch das Feuerwerk für die Olympischen Spiele in Peking gemacht. Seine Kunst ist nicht politisch, wie die des im Westen gefeierten Ai Weiwei. Guo-Qiang ist keiner, der Kritik an China äußern würde. Er will mit seiner Kunst Menschen begeistern und an die Traditionen ihres Landes erinnern. In La Boca ist ihm das gelungen.

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Cai Guo-Qiang ließ die Geschichte des Tangos als Feuerwerk Revue passieren.
(Cultura BA)

Das Spektakel auf Youtube.

Die ganze Stadt ist ein Museum

Buenos Aires aus der Street-Art-Perspektive

Von Jannik Jürgens

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Ana Montenegro zeigt Porteños und Touristen eine Perspektive auf Buenos Aires, die den meisten sonst verborgen bleibt. Ana zeigt die Street-Art-Perspektive. “Eigentlich ist die ganze Stadt ein Museum. Man muss nur lernen, die Kunstwerke zu entdecken”, sagt sie. Bei dem zweieinhalbstündigen Rundgang durch Palermo und Chacarita wird schnell klar, warum die Tour im Netz nur Lob erhält. Ana führt zu beeindruckenden Werken, erzählt die Geschichten der Künstler und macht den Kontext deutlich. Und die Kunst der Straße ist überraschend, kritisch und kreativ.

Gleich zu Beginn erklärt Ana den Unterschied zwischen Graffiti und Street-Art: “Graffiti gehört zur Hip-Hop-Bewegung und richtet sich mit einer versteckten Botschaft an eine exklusive Gemeinschaft.” Deswegen sind Graffiti für Laien kaum zu entziffern. Bei Street-Art ist das anders: “Hier werden meistens Bilder geschaffen, die alle verstehen können”, sagt Ana. Obwohl Street-Art erst in den vergangenen Jahren groß geworden ist, hat sie eine lange Tradition. Der mexikanische Muralismo der 1920er-Jahre zählt dazu, ebenso die Malereien im öffentlichen Raum in Argentinien.

Vor dem Gebäude des Flohmarkts von Palermo (Av. Dorrego 1650) ist Ana in ihrem Element. Sie führt die Gruppe zu ihrem Lieblingswerk. “Was könnt ihr sehen?”, fragt sie. Einen Mond, eine Sonne, einen Kondor, zwei Menschen und das Meer. “Jetzt schaut mal durch eure Kamera auf das Bild”, sagt Ana. Durch die neue Perspektive wird plötzlich eine Katze sichtbar, zusammengesetzt aus den einzelnen Elementen. “Es hat eine Weile gedauert, bis mir dieser Effekt aufgefallen ist”, gibt Ana zu. Seitdem ist das Bild fester Bestandteil ihrer Tour.

Die Explosion der Street-Art in Buenos Aires ist untrennbar mit Krise des Jahres 2001 verbunden. Von den Politikern maßlos enttäuscht, forderten die Bürger: “Que se vayan todos”. Das schrieben sie auf Häuserzüge, öffentliche Gebäude und Einkaufsmeilen. Einigen von ihnen war der Schriftzug zu eintönig. Sie begannen, ihre Kritik durch Bilder auszudrücken. Der öffentliche Raum, also die Straße, war dafür der ideale Platz. So entstand eine breite und engagierte Street-Art-Bewegung.

Die Künstler profitierten davon, dass Malerei auf Häuserwänden in Buenos Aires geduldet wird. Offiziell ist sie zwar verboten, aber die Polizei kümmert sich nicht darum. “Außerdem entstehen viele Arbeiten im Auftrag der Eigentümer”, sagt Ana. Deswegen schreiben die Künstler oft ihre E-Mail-Adresse und Telefonnummer zu den Werken. In Deutschland wäre so etwas unmöglich.

Plötzlich bleibt Ana vor einem krakeligen Schriftzug stehen. Kunst ist hier nicht zu sehen, sagt ein Teilnehmer. Doch Ana deutet auf die Schrift. “Te amo Laura”, steht da. Ana klärt auf: “Das hat der Vater von Laura dort hingeschrieben. Er hat das Sorgerecht verloren und darf seine Tochter nicht mehr sehen.” Durch den Schriftzug, der auf Lauras Schulweg liegt, versichert er ihr nun täglich, dass er sie liebt. Auch das ist Street-Art in Buenos Aires.

Graffitimundo bietet die Street-Art-Touren in Spanisch und Englisch an. Für Ausländer kostet die Tour 25 Dollar, für Argentinier ist die Teilnahme kostenlos. Mit dem Geld werden unter anderem Street-Art-Künstler unterstützt.

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Eines der Lieblingsbilder der Tourleiterin Ana Montenegro.
(Foto: Jannik Jürgens)

Neuer Ort des Gedenkens

Anne Frank-Statue in Buenos Aires enthüllt

Von Paul Bochtler

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“Aber, und das ist die große Frage, werde ich jemals etwas Großes schreiben können, werde ich jemals Journalistin und Schriftstellerin werden?”, ist einer der vielzitierten Sätze aus dem Tagebuch der Anne Frank, denn er beschreibt treffend nicht nur die Tragik, sondern auch die unerschöpfliche Hoffnung, die uns alle so sehr bewegt, wenn wir das Buch lesen. Heute gehört das Tagebuch zur Weltliteratur, ist eines der meistverkauften Bücher auf der Erde und eine der wohl bekanntesten Dokumentationen der Shoá.

Doch Anne Frank hat mehr getan, als nur den Terror um sie herum zu beschreiben – sie beschrieb das “normale”“ Leben eines dreizehnjährigen Mädchens und ganz nebenher über Ideale, Identität und Träume von einer besseren Welt.

Als Otto Frank 1945 das Tagebuch seiner ermordeten Tochter in der Hand hält, fängt auch er an, von einem Ort zu träumen, wo sich Jugendliche treffen, austauschen und etwas lernen können. In jahrelanger Arbeit entsteht so das “Anne Frank Haus” in Holland und später dann auf Initiative von Héctor Shalom und anderen, das “Centro Ana Frank Argentina”.

Eine der Personen, die Otto Frank auf diesem langen Weg begleitet haben, Rabbi Awraham Soetendorp, war an 10. Dezember in Buenos Aires zu Besuch, um zusammen mit dem Centro Ana Frank Argentina (CAFA) die Anne Frank-Statue einzuweihen, die nun ihren Platz in Puerto Madero auf der Plaza Reina de Holanda gefunden hat.

Er erzählte sehr emotional, wie er selbst als Baby vom Widerstand in Holland vor den Nationalsozialisten gerettet wurde. So sei diese Statue nicht nur eine Statue von Anne Frank, sondern eine Statue zum Gedenken an alle 1,5 Millionen Kinder, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, zum Gedenken an alle, die ihre Träume nie selbst verwirklichen konnten, erklärte er.

“Sie repräsentiert den Wert der Jugend”, betonte Bildungsminister Alberto Sileoni in seiner Rede und bestärkte den Direktor des Anne Frank Zentrums in seiner Arbeit mit Schulgruppen.

Die Enthüllung der Statue ist für das CAFA ein Meilenstein. Seit der Gründung 2009 haben Abertausende von Schülern in Argentinien nicht nur eine der verschiedenen Ausstellungen besucht, sondern auch an einem der Bildungsprojekte teilgenommen, die das CAFA im ganzen Land realisiert.

Dabei versucht das Zentrum nicht nur eine Geschichte zu erzählen, dem Schrecken der Shoá ein Gesicht zu geben, sondern auch einen Bezug zur Realität des Besuchers herzustellen. Wie der Rabbi in einem anderen Moment erwähnte: “Wer einen Marathon laufen will, trainiert nicht nur drei Stunden im Jahr, und genauso ist es mit Liebe und dem Widerstand gegen das Übel in der Welt, man braucht Übung.”

Das CAFA hier in Argentinien ist ein Ort, wo Schüler eine Chance bekommen, sich in Mitgefühl und aktiver Teilnahme zu üben und auch die jüngere Vergangenheit ihres Heimatlandes näher kennenzulernen.

“Es gibt einen Ort in Buenos Aires, den für einige Zeit die ganze Welt in ihrem Herzen getragen hat – Plaza de Mayo”, sprach der Rabbi zu Rosita von den Abuelas de Plaza de Mayo und sprach aus, was viele dachten, denn die Verbindung zwischen dem Mädchen, das im Versteck auf die Suche nach ihrer Identität ging und den vielen, die in Argentinien immer noch ihre Identität suchen, ist immanent.

Die Anne Frank-Statue in Buenos Aires ist ein weiterer Bezugspunkt für diejenigen, die in Anne Frank eine Person finden, die ihnen Raum zur Selbstreflexion, einen Ort zum Gedenken und Luft zum Atmen gibt.

“Wie herrlich ist es, dass niemand eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu verändern! […] Öffne die Augen, sei selbst gerecht! Gib selbst, was zu geben ist! Und immer, immer ist etwas zu geben, selbst wenn es nur Freundlichkeit ist! Wenn alle Letzteres geben würden und mit freundlichen Worten nicht so geizig wären, dann würde viel mehr Liebe und Gerechtigkeit in die Welt kommen!”
Anne Frank -26. März 1944

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Rabbi Awraham Soetendorp (li.), eine der Großmütter der Plaza de Mayo und der Botschafter der Niederlande (re.) kurz nach der Enthüllung der Statue.

Ran an die Waffen!

Die Schau “Krieg & Propaganda 14/18” im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt, dass der Erste Weltkrieg auch eine Propagandaschlacht nie gekannten Ausmaßes war

Von Nicole Büsing und Heiko Klaas

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Eine Kinovorstellung irgendwo in den USA im Jahre 1917. Die Ära des Tonfilms ist noch nicht angebrochen. Kino aber ist bereits “Big Business”. Viele Millionen Menschen strömen täglich in die Lichtspielhäuser. Doch bevor der Stummfilmpianist in die Tasten haut, hat in den Zeiten des Weltenbrandes erst noch ein anderer seinen Auftritt. Rund 75.000 sogenannte “Four MinuteMen” heizten der US-amerikanischen Öffentlichkeit gegen Ende des Ersten Weltkriegs vornehmlich in Kinos, aber auch in Theatern oder Kirchen ein, um Rekruten anzuheuern, die Zuhörer von der Notwendigkeit des Krieges zu überzeugen und für die Zeichnung von Kriegsanleihen zu werben. Vier Minuten nur, und alles musste gesagt sein. Prägnant, emotional und mitreißend. Hier wurde sozusagen die moderne PR- und Werbekampagne geboren.

In Deutschland ging man zur selben Zeit noch wesentlich archaischer zur Sache: Besonders beliebte patriotische Kollektivveranstaltungen waren “Nagelungen”. Millionen Menschen beteiligten sich daran, auf öffentlichen Plätzen Nägel in klobige Holzstatuen deutscher Helden einzuschlagen. Je nach Geldbeutel erwarb man eiserne, silberne oder goldene Nägel – demonstrierte Entschlossenheit und finanzierte so den Kriegsfortgang.

Diese und viele andere Beispiele von Kriegspropaganda während des Ersten Weltkriegs stehen im Zentrum der Ausstellung “Krieg & Propaganda 14/18”, die jetzt im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe anhand von über 400 Exponaten aus dem Deutschen Reich, Frankreich, England, den USA, Russland, Italien und Österreich-Ungarn vor Augen führt, mit welch ausgeklügelten, patriotischen, mitunter aber auch perfiden Mitteln auf allen Seiten an Heldenlegenden und Gräuelgeschichten gestrickt wurde, wie der Gegner diffamiert und die eigene Bevölkerung zum Weitermachen angestachelt wurde.

Dennis Conrad, der Kurator der europaweit einzigen Ausstellung, die sich jetzt explizit dem Thema Propaganda im Ersten Weltkrieg widmet, stellt fest: “Vor 100 Jahren wurde der Grundstein einer multimedialen Öffentlichkeitsbeeinflussung gelegt. Man nutzt während der Kriegsjahre alle zur Verfügung stehenden Medien, um die Meinung der Öffentlichkeit zu lenken.” Die Hamburger Ausstellung versammelt Plakate, Filme, Kinderspielzeug, patriotischen Nippes, Postkarten und viele andere Druckerzeugnisse und Objekte, die den Krieg in jeden Winkel des Alltagslebens trugen. Am Beispiel von Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, dem Chef der Obersten Heeresleitung, etwa wird gezeigt, wie der Kriegsherr zur positiven “Marke”, ja, zum Mythos fetischisiert wird. Ob auf Seifenschachteln, Zigarrenkisten oder Bildpostkarten: Vor dem markanten Konterfei des zum “Russenbezwinger” hochstilisierten, bärbeißigen Pickelhaubenträgers gab es im Alltag kein Entrinnen.

UnclesamIn Ländern ohne Wehrpflicht, wie etwa England oder den USA, war die Propagandamaschinerie vor ganz andere Probleme gestellt. Hier galt es, Freiwillige für den Kriegseinsatz im Namen von Freiheit und Demokratie zu rekrutieren. James Montgomery Flaggs weltberühmtes Uncle-Sam-Plakat mit dem ausgestreckten Zeigefinger und der Aufforderung “I Want Youfor U.S. Army” wird flankiert von zahlreichen weiteren, grafisch prägnanten Beispielen aus dem angelsächsischen Raum, die letzten Endes auch die Grundlagen für eine moderne Werbeästhetik im zivilen Leben bildeten.

Einen besonderen Schwerpunkt legt die Hamburger Schau auch auf die Präsentation von Filmen und auditiver Propaganda. Im Hauptraum der Schau können Spiel- und Dokumentarfilme betrachtet und an zahlreichen Hörstationen patriotische Reden und Durchhaltelieder angehört werden. Die überaus sehenswerte, mit großer kuratorischer Sorgfalt zusammengestellte Ausstellung regt zudem dazu an, historische Propagandamechanismen, Zensurmaßnahmen und Strategien der Bildmanipulation mit den heutigen Methoden staatlicher und massenmedialer Beeinflussung zu vergleichen. Viel mehr kann eine Ausstellung zum Ersten Weltkrieg eigentlich kaum leisten.

Wie Ideologien entstehen

Am Anfang standen Frau Behn und Frau Mead

Von Friedbert W. Böhm

97p/33/huty/7780/10Aphra Behn, geboren 1640, war die erste professionelle Schriftstellerin Englands, eine Frauenrechtlerin, Gegnerin der Sklaverei und Kritikerin der Kolonialmächte. Sie schrieb zahlreiche Theaterstücke und Romane. Als Kind war sie, nach eigenen Angaben, einige Zeit in der damaligen englischen Kolonie Suriname, dem heutigen niederländischen Guayana. Dort handelt auch ihr erfolgreichster Roman “Oroonoco – oder Der königliche Sklave”. Der schöne, kluge, starke und gute afrikanische Königsenkel wird in die Sklaverei nach Südamerika verkauft, wo er seine schöne, kluge, liebe und gute Braut wieder trifft. Die Autorin behauptet, die Hauptfigur selbst aus der Nähe gekannt zu haben, wie auch die dortige indianische Gesellschaft, die sie als außerordentlich friedlich, keusch, wahrheitsliebend und arbeitsam schildert.

Der Roman wird bald übersetzt und vom damals kleinen, aber einflussreichen europäischen Publikum erstaunt und begeistert aufgenommen und verbreitet. Er trägt nicht unwesentlich zur späteren Sklavenbefreiung bei. Seinen soziologischen Aussagen wird Glauben geschenkt wie heutzutage den Ergebnissen verhaltenswissenschaftlicher Forschungsarbeit.

Auch Jean-Jacques Rousseau wird das Buch gelesen haben. Er ist ein dilettantischer Politphilosoph mit etwas unstetem Lebenswandel. Im Vorfeld der Französischen Revolution berät er die Welt über bessere Gesellschaftsformen. In seinem Hauptwerk “Du Contrat Social” verherrlicht er den “Edlen Wilden”, genau wie Frau Behn. Er klärt darüber auf, dass der Mensch edel, hilfreich und gut geboren sei und nur durch die Gesellschaft verdorben werde. Voltaire hält nichts von seinen Erkenntnissen. Sie stehen auch, wie wir heute wissen, in krassem Widerspruch zu den Ergebnissen jeder Wissenschaft, der Ethologie, der Biologie, Neurologie, Geschichts- und Verhaltensforschung.

Trotzdem feiert der Edle Mensch fröhliche Urständ. Alle hören und glauben wir gern, dass unsere Untugenden gar nicht selbstverschuldet sind, sondern Ergebnis verderblicher Einflüsse durch Eltern, Lehrer, Arbeitgeber oder eben “dem System”, in dem zu leben wir gezwungen sind. Schuld haben immer “die Anderen”. Generationen von Literaten, Soziologen, Psychologen, Journalisten, Juristen und Politikern haben uns in dieser Überzeugung bestärkt und sich selbst dadurch gute Einkommen gesichert.

Und jetzt wundern wir uns darüber, dass in unserer Gesellschaft Schmarotzer gezüchtet, Ordnungsstörer hofiert, Korrupte geduldet und Verbrecher – wenn überhaupt – nur milde bestraft werden.

Margaret-MeadMargaret Mead war eine nordamerikanische Anthropologin, die zu Anfang des XX. Jahrhunderts im pazifischen Raum arbeitete und als Wegbereiterin der “Sexuellen Revolution” gilt. Sie behauptete, in ihren Feldstudien herausgefunden zu haben, dass die Geschlechterrollen nicht durch die Natur, sondern durch die Kultur bestimmt seien. Etwas vereinfacht: Wenn ein x-beliebiges Kleinkind rosa gekleidet und mit Puppen umgeben wird, kommt ein Mädchen heraus. Bekommt es aber hellblaue Hosen angezogen und Autos zum Spielen, wird es ein Junge.

Mit etwas über 20 verbrachte sie ein halbes Jahr oder so in Samoa, worauf ihr Erstwerk entstand, “Coming of Age in Samoa”, das ihren Aufstieg und späteren Ruhm begründete. Jahre später stellte Freeman, ein in Samoa aufgewachsener Anthropologe, fest, dass dieses Werk reinem Wunschdenken entsprang. Mead war der Sprache unkundig (nahm täglich 1 Stunde Unterricht), lebte in einer englischen Familie (da sie die einheimischen Wohnungen als abstoßend empfand) und hatte so gut wie keinen Zugang zu einheimischen Männern. Ihre “Forschung” bestand im Befragen junger Mädchen nach ihren Sexualgewohnheiten (gewiss über Dolmetscher). Was werden diese wohl einer Fremden über ihre Intimitäten erzählt haben?

Trotzdem feiert der Mensch kultur- (oder selbst-)bestimmter Sexualität fröhliche Urständ. Meads Wunschdenken hat sich mittlerweile in eine Wissenschaft verwandelt, die “Gender Studies”.

Immer mehr Mitmenschen fragen sich jetzt verstört, ob sie sich nicht von einem Psychiater oder Psychologen (oder Chirurgen) von der Vermutung befreien lassen sollten, von ihren biologischen Geschlechtsmerkmalen betrogen worden zu sein.

Volles Haus zur Eröffnung

“Banklady” lockte zum Auftakt des 14. Deutschen Kinofestivals

Von Marcus Christoph

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Der Kinosaal 6 im Village Recoleta war fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Gustav Wilhelmi, der Repräsentant von German Films in Buenos Aires, konnte sich freuen, zahlreiche Besucher zur Eröffnung des 14. Deutschen Kinofestivals in der argentinischen Hauptstadt begrüßen zu können. Ehrengast der Veranstaltung am vorigen Donnerstag war Regisseur Christian Alvart, dessen Film “Banklady” den Auftakt für die Filmfestwoche machte.

Bevor der Vorhang aufging, hatte Wilhelmi noch die angenehme Aufgabe, mehrere Schüler der hiesigen Pestalozzi-Schule und der Deutschen Schule Córdoba auszuzeichnen. Sie hatten einen von der Pestalozzi-Schule organisierten Wettbewerb gewonnen, bei dem es galt, auf Deutsch einige Filmsequenzen zum Thema “Mauern” zu drehen. Insgesamt nahmen fünf Schulen teil.

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Alvart lobte und ermutigte die Jugendlichen, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzumachen. Er selber habe auch so begonnen. “Ich habe Kino nicht studiert, sondern einfach immer drauf los gedreht”, so der erfolgreiche Regisseur aus Deutschland.

Die formelle Eröffnung nahm Dr. Klaus Schmidt als Geschäftsträger der Deutschen Botschaft vor. Der Gesandte hatte dabei auch schon eine Anregung für das Festival im kommenden Jahr parat. So schlug er augenzwinkernd vor, den Dokufilm “Der goldene Pokal – Die Reise zum 4. Stern” über den WM-Triumph der DFB-Elf zu zeigen, der in Kürze in die deutschen Kinos kommen soll. Ob sich die argentinischen Festivalbesucher daran erfreuen können, bleibt indes abzuwarten. Schließlich war die Finalniederlage für die Argentinier ja durchaus schmerzhaft.

Im Anschluss an “Banklady”, einem spannenden Drama über Deutschlands erste Bankräuberin Gisela Werler, luden die Veranstalter zu einem Empfang ins nahe gelegenen Loi Suites Hotel Recoleta ein. Dabei bestand Gelegenheit zum Plausch mit Alvart und den Festivalmachern.

Am folgenden Vormittag stand der Regisseur auch zahlreichen Jugendñichen Rede und Antwort, die bei Schülervorführungen “Banklady” sahen. Des Weiteren wurde auch der Film “Westen” von Christian Schwochow gezeigt. Insgesamt kamen 577 Schüler in den Genuss eines Filmvormittages. Sie kamen von folgenden Schulen: Pestalozzi-Schule, Goethe-Schule, Rudolf-Steiner-Schule, Deutsche Schule Villa Ballester, Instituto Cultural Roca (Hurlingham), Berufsbildungszentrum Villa Ballester, Schiller-Schule (Villa del Parque), Deutsche Schule Lanús, Deutsche Schule Temperley und Colegio Alemán Eduardo Holmberg (Quilmes).

Fotos von oben nach unten:

(v.r.n.l.) Regisseur Christian Alvart, Maike Schantz (Koordinatorin German Films für Südamerika) und Michael Kratz (Kulturreferent Deutsche Botschaft) beim Empfang im Loi Suites Hotel.
(Foto: Marcus Christoph)

Gustav Wilhelmi zeichnet die Schüler aus, die beim Filmwettbewerb gewonnen haben.
(Foto: Marcus Christoph)