Vom Regen in die Traufe

Armando Sapia zeigt bitterböse Zeichnungen in der Galerie Empatía

Von Susanne Franz

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Jetzt sind es noch nicht mal mehr “Menschen”, die Gevatter Tod in seinem Boot ins Totenreich befördert, sondern gesichtslose, backformähnliche Mensch-Schablonen, die dennoch mit ihren abgeknickten Köpfen ein bisschen “toter” wirken als sie es wohl vorher schon waren. Bittere Ironie und gnadenlosen Zynismus ist der Sapia-Kenner und -Liebhaber gewohnt; dass es noch weiter in den Abgrund gehen kann, davon wird er in der Galerie Empatía aber doch überrascht.

Sapias Ausstellung “70 metáforas y un dibujo olvidado” (70 Metaphern und eine vergessene Zeichnung) ist exquisit in Szene gesetzt – die 70 kleinformatigen Tuschzeichnungen aus den Jahren 2006 und 2007 hängen in Passepartouts in cremefarbenen Rahmen, die etwas dunkler als die Wände sind. Kleine Serien von 5 bis 10 Zeichnungen sind locker assoziativ angeordnet. Die “vergessene Zeichnung”, ein Akt von 1983, fällt auch vom Format her aus dem Rahmen. Thematisch passt sie wieder zu anderen voyeuristischen Szenarien in den jüngeren Werken.

Sapia zeichnet obsessiv, sein Hirn übersetzt einen ständigen Bewusstseinsstrom in seine Hand. Nur Ausschnitte aus diesem dunklen Fluss seiner Seele werden hier dem Zuschauer präsentiert, und viel mehr wäre auch schwer zu bewältigen. Ein Sapia auf der Höhe bzw. in den tiefsten Tiefen seiner Kunst.

  • Galerie Empatía, Carlos Pellegrini 1255. Mo-Fr 10-20, Sa 10-13 Uhr. Bis zum 9. August.

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 26.07.08.

Rodin in Buenos Aires

Mehr als nur die Ausstellung im Museo Nacional de Arte Decorativo

Von Katharina Guderian

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Rettungsbedürftiger ‚Denker’.
(Foto: Katharina Guderian)

Kaum jemand schenkt ihm Aufmerksamkeit. Er ist in einem erschreckenden Zustand. Mit Graffitis besprüht und Farbschmierereien übersäht muss ‚Der Denker’ des französischen Bildhauers François Auguste René Rodin auf der Plaza Lorea 200 Meter vor dem Kongress in Buenos Aires nicht nur seit 1907 der Witterung standhalten, sondern wurde zum Opfer von Aggression und Zerstörungswut. Einst ein Symbol für Verstand, Reflexion und Stärke, sitzt er jetzt auf seinem Sockel wie ein Häufchen Elend und scheint den Idealen den Rücken gekehrt zu haben. Resignation statt Inspiration. ‚Der Denker’ in Buenos Aires ist der einzige Bronzeguss dieses künstlerischen Meisterwerkes mit unschätzbarem historischem Wert in ganz Südamerika. Und doch gehen die Passanten an ihm vorbei, ohne ihren Blick zu heben. Zur Rodin-Ausstellung im Museo Nacional de Arte Decorativo an der Avenida del Libertador strömen die Besucher allerdings in Scharen.

Alleine am Eröffnungstag, dem 12. Juli, hatte die Ausstellung ‚La Era de Rodin’ mehr als 2100 Besucher. Im monumentalen Rahmen des historischen Bauwerkes werden noch bis zum 14. September dienstags bis sonntags von 14 bis 19 Uhr 46 Werke von Rodin gezeigt – darunter einige seiner berühmtesten wie ‚Der Denker’ (1880) und ‚Der Kuss’ (1886) – sowie weitere 30 Arbeiten seiner Zeitgenossen. Die gedrängte Masse der Kunstwerke ist überwältigend, ebenso wie der Andrang im Museum. Es bietet sich an, den Besuch der Ausstellung auf mehrere Tage aufzuteilen, um die Skulpturen mit genügend Ruhe genießen zu können, da der Eintritt nur zwei Pesos beträgt und dienstags kostenlos ist.

Auch wenn die Beleuchtung im Museum nicht ideal sein mag, so dass sich das für Rodin typische Wechselspiel zwischen Licht und Schatten auf den Skulpturen voll entfalten kann, der Besuch der Ausstellung lohnt sich. Mehr Rodin auf einem Fleck gibt es in Buenos Aires sonst nirgends.

Rodin gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Bildhauerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Er wird als letzter großer klassischer Bildhauer, gleichzeitig aber auch als Wegbereiter der Moderne angesehen, der neue Maßstäbe vor allem auf dem Gebiet der Plastik und der Skulptur setzte.

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Kontrolliertes Wagnis

Die Bildhauerin Cristina Tomsig in der Galerie Empatía

Von Susanne Franz

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“En Juego” von Cristina Tomsig.

Neu und doch vertraut: Wenn man die großformatigen Eisenskulpturen der Bildhauerin Cristina Tomsig kennt, ist man zunächst überrascht, wenn man ihren neuen Werken in der Galerie Empatía begegnet. Metall ist zwar noch vorhanden, aber in dünnerer, biegsamerer Form, wie in der großformatigen Skulptur “Movimiento Sostenido” (Festgehaltene Bewegung), einer Art Wippe aus einem dünnen, gebogenen Stahlblech, das durch zwei Drähte in Spannung gehalten scheint und in dessen Mitte sich eine zu einer Schleifen- oder Blumenform gebogene weiße PVC-Bahn befindet. Man hat das Gefühl, dass diese Skulptur so fragil ist, dass sie in jedem Moment auseinanderspringen könnte – was natürlich eine von der Künstlerin exakt geplante Illusion ist – und hat fast Angst, das Objekt in eine Schaukelbewegung zu versetzen (wobei es dann seine Stabilität unter Beweis stellt).

Oder die Skulptur “En Juego” (Auf dem Spiel stehen), die aus zwei einander stützenden Elementen besteht: einem Aluminiumring von mehr als einem Meter Durchmesser und einem aus schwarzem PVC geformten, an der oberen Seite gezackten Halbkreis. Auch diese Skulptur wirkt nicht wuchtig, sondern leicht und verspielt – und auch sie kann in Bewegung versetzt werden. Cristina Tomsigs Werke durchbrechen hier einen ganz entscheidenden “Grundsatz” der Skulpturen – die “normalerweise” ja nicht nur den Raum, den ihre Abmessungen vorschreiben, einnehmen, sondern auch bestimmte Koordinaten des umliegenden “unsichtbaren” Raums einbeziehen. Cristina Tomsigs Skulpturen modifizieren auch diesen Raum und bringen ihn in Schwingung.

Der Prozess, der Cristina Tomsig hin zu diesen “neuen” Objekten geführt hat, begann etwa im Jahr 2005. “Ich wollte mit einem anderen Material als Eisen arbeiten”, sagt die Künstlerin. “Es sollte leichter sein, flexibler: Ich wollte meine Ideen schneller verwirklichen können.” Als sie ihre ersten verspielten Arbeiten aus dünnen, verschlungenen PVC-Streifen sah, erschrak sie zunächst. “Es ist etwas anderes, eine Veränderung zu planen, als diese dann plötzlich vor sich zu sehen!”, beschreibt die anerkannte Künstlerin und IUNA-Dozentin ihre Gefühle.

Dass sie sich auf dem neuen Weg schnell sicher gefühlt hat, hat damit zu tun, dass Cristina Tomsig zwar radikale konzeptuelle Neuerungen in ihr Werk aufgenommen hat, dass sie aber an soliden, rigorosen Grundbedingungen festhält. So nutzt sie die ganze Erfahrung und Weisheit ihres Künstlerlebens und erweitert sie zugleich. In der “Juegos Materiales” (Spiele/Materialien – Materielle Spiele) genannten Ausstellung sind neben den zwei beschriebenen Skulpturen auch kleinformatige Objekte und “Reliefs” aus PVC in verschiedenen Größen zu sehen.

Dass all die Spannung, die Tomsigs Werke erzeugen, dass all dieses Neue dennoch als ruhige und positive Botschaft beim Betrachter ankommt, dafür sorgt die klare Farbgebung der Künstlerin (Schwarz/Weiß/Metallen/Transparent) und ihr perfekt entwickelter Sinn für Proportionen, der selbst den Objekten, die wie “mitten im Sprung” erscheinen, ihren Sinn und ihre Ordnung geben.

  • Cristina Tomsig, „Juegos Materiales“. Empatía, Carlos Pellegrini 1255. Mo-Fr 11-20, Sa 10-13 Uhr. Bis 31.5.

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 24.05.08.

Doppelter Verlust der Kindheit

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Der deutsche Videokünstler Bjørn Melhus besuchte Argentinien

Von Susanne Franz

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Bjørn Melhus als Dorothy in “Weit weit weg”.

Bjørn Melhus, einer der interessantesten Videokünstler und Experimentalfilmer Deutschlands, war vergangene Woche im Rahmen des Euroamerikanischen Film-, Video- und Digitalkunstfestivals MEACVAD in Argentinien. Eingeladen worden war er vom Goethe-Institut Buenos Aires, das zusammen mit der Alianza Francesa und der Stiftung Telefónica Veranstalter des Festivals war, welches noch zwölf weitere bedeutende Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland in seinem hochkarätigen Programm vom 5. bis 9. November hatte, darunter den charismatischen Dokumentarfilmer und Kinotheoretiker Jean-Louis Comolli aus Frankreich, den brasilianischen Filmemacher, Drehbuchautor und Produzenten Cao Guimarães, den Künstler, Performer, „Networker“ und experimentellen Dichter Clemente Padín aus Uruguay oder die Künstlergruppe ArteProtéico aus Córdoba/Argentinien.

Geboren in Kirchheim/Teck (was man ihm nicht anhört), lebt und arbeitet Bjørn Melhus heute vor allem in Berlin. Sein Geburtsjahr 1966 ist von zentraler Bedeutung für seine künstlerische Arbeit, denn Melhus gehört der ersten Generation von deutschen Kindern an, die vom Fernsehen und vor allen den US-amerikanischen Serien geprägt wurde. “Seit ich denken kann, habe ich ferngesehen”, sagt Melhus, der den hopsenden Gang des Astronauten Neil Armstrong, des ersten Menschen auf dem Mond, als Kind endlos auf einer Matratze nachmachte und eine Baustelle in der Nähe der Hochhaussiedlung, in der er aufwuchs, zu seinem eigenen “Wilden Westen” erklärte, wo er sich in die Serien hineinträumte.

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Doble pérdida de la niñez

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El video artista alemán Bjørn Melhus visitó la Argentina

Por Susanne Franz

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Bjørn Melhus como Dorothy en “Far far away”.

Bjørn Melhus, uno de los más interesantes video artistas y cineastas experimentales de Alemania, estuvo en la Argentina la semana pasada en el marco del Festival Euroamericano de Cine, Video y Arte Digital, que se desarrolló entre el 5 y el 9 de Noviembre. Melhus fue invitado por el Instituto Goethe de Buenos Aires, organizador del Festival junto a la Alianza Francesa y la Fundación Telefónica. Vinieron otras doce personalidades renombradas del interior y del exterior, entre ellos el carismático documentalista y teórico del cine francés Jean-Louis Comolli, el cineasta, guionista y productor brasileño Cao Guimaraes, el artista, actor, “networker” y poeta experimental uruguayo Clemente Padin y el grupo de artistas ArteProtéico de Córdoba/Argentina.

Nacido en Kirchheim/Teck (lo cual no se le escucha), en la actualidad Bjørn Melhus vive y trabaja ante todo en Berlín. 1966, el año de su nacimiento, tiene una importancia clave para su trabajo artístico, ya que Melhus pertenece a la primera generación de niños alemanes marcada por la televisión, y ante todo, por las series norteamericanas. “Desde que soy capaz de pensar, he visto televisión”, dice Melhus, que como niño ensayaba por horas en un colchón los pasos torpes del astronauta Neil Armstrong en la luna. Declaraba un solar cerca de donde vivía su propio “Lejano Oeste”, donde fue a imaginarse parte de las series.

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Du sollst Dir (k)ein Bildnis machen

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Martín Bonadeos Installation “Vánitas en tiempo real” im Prometeus-Saal des Centro Cultural Recoleta konfrontiert mit der eigenen Vergänglichkeit

Von Susanne Franz

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70 kg Sand, der in sechs Stunden durchrieselt: Martín Bonadeos Installation „Vánitas en tiempo real“ ist ein “lebendes” Kunstwerk, das vom Tod erzählt.

Man betritt einen langen, schmalen, verdunkelten Saal, eine Art düsteren Klostergang. Von sanften Geräuschen umfangen, schreitet man langsam auf einen grünlich schimmernden Gegenstand im hinteren Teil des Raumes zu – eine etwa zwei Meter hohe Sanduhr, die aus zwei in der Mitte aufeinander zulaufenden Dreiecken besteht. Vor der Sanduhr befindet sich ein Lichtkegel auf dem Boden. Stellt man sich ins Licht, wird das eigene Spiegelbild auf der aus Acrylglas bestehenden Oberfläche der Uhr sichtbar – ein in Echtzeit von einer Überwachungskamera gefilmtes Bild. Die Bewegungen des eigenen Oberkörpers, die eigene Mimik, von einem geisterhaften Licht erhellt, erscheinen auf die Oberfläche projiziert, wenn der obere Teil der Sanduhr gefüllt ist. Langsam rinnt der Sand nach unten – langsam zerrinnt das eigene Bild, verschwindet in der Mitte der Uhr, läuft nach unten. Schaut man lange genug auf das eigene Bild, fühlt man den Sog, der die Partikel des Körpers nach unten zieht. Nach und nach verschwindet der Sand, verschwindet man selbst. In einem weiteren Lichtkegel hinter der Sanduhr werden langsam Teile des eigenen Bildes wieder sichtbar.

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Y tu imagen (des)aparecerá

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La instalación “Vánitas en tiempo real” de Martín Bonadeo nos enfrenta con nuestra transitoriedad

Por Susanne Franz

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Una sala larga y angosta, luces bajas; es como caminar por la umbrosa galería de un claustro. Rodeados de sonidos tenues, avanzamos lentamente hacia el fondo de la sala, donde un objeto brilla con una luz verdosa: un reloj de arena de alrededor de dos metros de alto formado por dos triángulos superpuestos que convergen en el centro.

Delante del reloj de arena, un haz de luz se proyecta sobre el piso. Si nos paramos bajo la luz, aparece nuestro reflejo en la superficie acrílica del reloj: una imagen filmada en tiempo real por una cámara de seguridad. Los movimientos del torso, nuestros gestos, iluminados por una luz fantasmagórica, se proyectan en la superficie cuando la parte superior del reloj está llena. La arena se va deslizando lentamente, la propia imagen se va desintegrando, desaparece en el centro del reloj, fluye hacia abajo. Si mantenemos la mirada fija en esa imagen, podemos sentir el tirón que impulsa las partículas del cuerpo hacia abajo. Poco a poco desaparece la arena, vamos desapareciendo. Detrás del reloj, en un haz de luz más amplio, nuestra imagen se reconstruye lentamente.

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“Ich liebe die Farben”

Alfredo Plank, dem einzigen deutschen Kunstmaler in Argentinien, ist im Quinquela-Martín-Museum eine “kleine Retrospektive” gewidmet

Von Susanne Franz

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Alfredo Plank: “Helena y Betsabé”, Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm, 2003.

Wer am heutigen Samstag, dem 6. Oktober, das Angebot der Langen Museumsnacht wahrnimmt, sollte einen Besuch im Quinquela-Martín-Museum im Stadtviertel La Boca einplanen. Um 19 Uhr wird hier eine Ausstellung des einzigen deutschen Kunstmalers in Argentinien, Alfredo Plank, eingeweiht. Im großen Mi-guel-Victorica-Saal im zweiten Stock dieses interessanten Museums wird man dann an die 30 Gemälde Planks bewundern können, von denen das älteste 20 Jahre zurückdatiert und die jüngsten von 2007 stammen. “Eine kleine Retrospektive” nennt der 1937 als Sohn deutscher Eltern in Buenos Aires geborene Maler denn auch diese Ausstellung.

Plank, der 1959 in Argentinien die Manuel Belgrano-Kunstakademie abschloss und sich im Jahr 1974 mit einem Postgraduiertenstipendium an der Akademie der Schönen Künste in München fortbildete, stellt – auch wenn es skurril klingen mag – eine perfekte Mischung aus waschechtem, gemütlichen Bayern und miss-trauischem Porteño dar. Da er die Hälfte des Jahres in München und die andere in Buenos Aires lebt, passt er mit diesen Eigenschaften gut in die zwei so unterschiedlichen Gesellschaften. Doch da hört seine Anpassungsbereitschaft auch schon auf – in seiner künstlerischen Kreativität ist Plank unbeugsam unabhängig von allen Einflüssen und ein leidenschaftlich anarchistischer Verfechter der individualistischen Freiheit. In seiner letzten Einzelausstellung im Jahr 2005 in der Galerie agalma.arte wählte er entsprechend einen Leitspruch von Antonin Artaud: “Ich weiß, dass ich, was die brennenden Fragen der Aktualität angeht, alle freien Menschen auf meiner Seite habe, alle wahren Revolutionäre, die die Freiheit des Einzelnen für wichtiger ansehen als alle anderen Errungenschaften.”

Alfredo Plank, der seine Werke seit seiner ersten Ausstellung vor fast 50 Jahren, 1958, in unzähligen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen gezeigt hat und dessen Gemälde sich in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen im In- und Ausland befinden, ist ein Meister der Komposition und Farbgebung. “Ich mische niemals Farben, und diese Technik habe ich erfunden!”, erklärt der jugendlich wirkende 70-Jährige seine Arbeitsweise, immer nur reine Farbtöne zu verwenden. “Ich liebe die Farben!”, sagt Plank, der mit Acryl malt und in aller Herren Länder alles kauft, was er nur bekommen kann, denn ein Farbton aus den USA ist immer ein wenig anders als der gleichnamige aus Argentinien, Frankreich oder Deutschland. So regiert dieser König der Farben über ein ganzes Reich an Farbtönen. Mischen ist gar nicht nötig, denn Alfredo weiß intuitiv, in welchem Moment welche Farbe für ein im Entstehen befindliches Werk benötigt wird. “Es ist ein Gefühl, eine Ge-wissheit, die mit der Erfahrung kommt”, beschreibt er die eigenwillige und doch so perfekte Farbgebung seiner Gemälde. Manchmal experimentiert er, bis er ganz sicher ist, genau das erreicht zu haben, was er erreichen wollte.

Auch in der Komposition geht Alfredo Plank eigene Wege. Sind seine Porträts zum Großteil expressionistisch verhaftet, stehen sie oft in einem surrealistischen Kontext, was im Zusammenwirken mit der Plank’schen Farbgebung sofort die Aufmerksamkeit und Neugierde des Beschauers weckt – der sich mit einem Gemälde jedoch auch lange Zeit beschäftigen kann, da sich immer wieder neue Sicht- und Interpretationsweisen eröffnen.

Alfredo Planks gestalterische Kraft drückt sich auch in der Vielfalt seiner Themen aus. So vereint die Retrospektive Porträts wie das Quinquela Martín gewidmete Gemälde “A Don Benito Chinchela Martín” (in Anspielung an den wirklichen Namen des “Malers von La Boca”), Selbstporträts wie “Ecce Homo – Autorretrato con pijama”, Bilder aus Planks Stierkampf-Serie oder “Allegro fortissimo”, eine Reihe wohlbeleibter Damen in einem türkischen Bad – oder “Rugby”, eine packende, dynamische Spielszene. Hat er dieses Bild wegen der momentan die Gemüter bewegenden Rugby-Weltmeisterschaft gemalt? “Aber nein – ich liebe Rugby! Ich habe früher selbst gespielt”, sagt Plank – in jeder Hinsicht immer für eine Überraschung gut.

Alfredo Plank, “Pequeña Retrospectiva”, Gemälde. Museo de Bellas Artes “Benito Quinquela Martín”, Av. Pedro de Mendoza 1835, La Boca. Anfahrt mit den Buslinien 64, 53, 20, 152, 29. Öffnungszeiten dienstags bis sonntags 10-18 Uhr. Vernissage: 6.10., 19 Uhr. Bis 4.11.

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 06.10.07.

Pionierin in einem technischen und spirituellen Neuland

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Das Goethe-Institut Buenos Aires ehrte die Film- und Theaterkünstlerin Marielouise Alemann

Von Susanne Franz

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“Diese Filme haben 20 Jahre in einer Kiste in meinem Kleiderschrank gelegen – so wie das hier.” Marielouise Alemann zupft an ihrem beige-goldenen Gewand, das ihre schmale, hochgewachsene Gestalt elegant und doch unkonventionell erscheinen lässt. So pflegt sie aufzutreten, immer in einem ganz eigenen Stil. Das Kinn nach vorne gereckt, blicken ihre blauen Augen ohne zu blinzeln geradewegs die Kritikerin an, die noch vor Ansicht der Super-8-Filme der Künstlerin fordert, dass diese doch restauriert werden müssten! “Sie werden sehen, die sind noch gut in Schuss!” So wie sie selbst mit ihren 80 Jahren, die sie vor einigen Tagen gefeiert hat.

Einen Tag nach seinem eigenen 40. Geburtstag am 17. Juli beschenkte das Goethe-Institut Buenos Aires Marielouise Alemann – eine der Pionierinnen der ersten Stunde – mit einer besonderen Hommage. Ihre Kulturarbeit für das Institut, das insbesondere zu Zeiten der Diktatur couragiert für experimentelle, avantgardistische Kunstformen eintrat, ist dabei nur ein Aspekt der facettenreichen Persönlichkeit Marielouises. So konzentriert sich diese feierliche und doch intim-gelöste Veranstaltung am Mittwochabend besonders auf ihr eigenes künstlerisches Schaffen. Zwar können ihre journalistische Tätigkeit oder ihre Arbeit als Fotografin nicht berücksichtigt werden, aber ihr filmisches und ihr Theater-Schaffen werden auf sehr wirkungsvolle Weise einem begeisterten Publikum nahegebracht, das von der Aktualität, Gültigkeit und Transzendenz dieses atemberaubenden Oeuvres mehr als überrascht und berührt ist.

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Pionera de un territorio técnico y espiritual

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El Goethe-Institut Buenos Aires honra a la cineasta y dramaturga Marielouise Alemann

Por Susanne Franz

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“Este film estuvo en una caja en el armario 20 años, ¡como esto!”. Marielouise Alemann tira de su ropa dorada y beige, la que cubre su delgada y espigada figura tan elegante como poco convencional. Así se presenta ella, siempre con su propio estilo. Estira el mentón hacia adelante, sus ojos azules miran sin pestañar directo a los críticos, quienes, antes de dar su opinión sobre los films en super 8mm que proyectarán, insisten en que deberían haber sido restaurados. “Van a ver, están en buen estado”. Al igual que sus 80 años que festejó hace unos días.

Unos días después de su cumpleaños número 40, el 17 de julio el Goethe-Institut Buenos Aires le obsequió a Marielouise Alemann, pionera de la primera hora, un homenaje muy especial. Su labor cultural para el Goethe, que daba cabida con coraje al arte vanguardista y experimental en los tiempos de la dictadura, es uno de los aspectos de la multifacética personalidad de Marielouise. Y la exhibición celebrada e íntima en la noche del miércoles se concentró en su obra artística. No se puede dejar de lado su desempeño como periodista o su trabajo de fotógrafa, pero su producción fílmica y teatral es lo que, sin duda, atrajo al público que se sorprendió y conmovió con la actualidad, la vigencia y trascendencia de su impresionante obra.

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Geballte Energie

Graciela Dietl in der Galerie Bohnenkamp & Revale

Von Susanne Franz

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“Sin parar”, Acryl auf Leinwand, 110 x 130 cm, 2006.

Nicht die Fortbewegung steht im Mittelpunkt, sondern die Lust am Sich-Fortbewegen; nicht die Pflicht, von einem Punkt-zum anderen zu gelangen, sondern das Vergnügung, unterwegs zu sein. Motorradfahren ist etwas für Genießer, ein Luxus, für viele auch ein Rausch. Soll der normale Mensch doch Auto fahren.

Waren es in der letzten Einzelausstellung der Künstlerin Graciela Dietl (2004 in der Galerie van Riel) Lokomotiven, die als Auslöser für ihre expressiven Gemälde dienten, sind es in der Exposition, die sie zur Zeit in der Galerie Bohnenkamp & Revale zeigt, ebenjene schweren Maschinen, die das Herz des Liebhabers höherschlagen lassen. Es ist sogar ein ganz bestimmtes Motorrad, nämlich die wunderschöne BSA von 1948 ihres Sohnes Rolf, die die jüngste Produktion der Künstlerin “losgekickt” hat – der gepflegte Oldtimer ist ebenso wie die etwa 30 Malereien Dietls in der Galerie zu bewundern.

Graciela Dietl hat mit ihrem unverwechselbaren, aber dennoch weitgefächerten, dynamischen Stil Werke verschiedenster Formate geschaffen – vom großzügigen Dyptichon bis hin zu kleinen quadratischen Bildern -, in denen sie die wilde Energie, den Übermut und die Lebensfreude des Motorradfahrens heraufbeschwört. Doch auch Respekt schwingt mit in den Gemälden Dietls, die, wie gewohnt, durch ihre Vielseitigkeit, Stilsicherheit und Kreativität bestechen.

Graciela Dietl hat seit 1992 zahlreiche Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen durchgeführt, nicht nur in Argentinien, sondern auch in Deutschland, Österreich, Italien und Griechenland. Ihre Werke befinden sich in Privatsammlungen im In- und Ausland.

Bis zum 29. Juni hat man Gelegenheit, ihre jüngste Produktion in der schönen Galerie Bohnenkamp & Revale (Maipú 979/981), die erst im vorigen Jahr neu eröffnet wurde, zu sehen.

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 23.06.07.