Fassadenkletterer vs. Mini-Tänzer

Margarita Balis „Pizzurno pixelado“

Von Susanne Franz

Mit Pauken und Trompeten geht es los. Die Fassade des Erziehungsministeriums „Palacio Pizzurno“ wird in rötlich-blaues Licht getaucht. Plötzlich erscheinen Projektionen von zwei riesigen Tänzern, die beginnen, sich an den Fensterreihen des imposanten Gebäudes hochzuziehen, wieder abstürzen, sich an den Händen fassen, sich helfen und behindern. Schließlich schaffen sie es, oben anzukommen. Die zwei vervielfältigen sich, immer neue Gestalten purzeln über das Gebäude hinweg. Sie tanzen mit ihm, liebkosen es, vereinen sich in fast erotischen Verschlingungen mit seiner Architektur.

Die Lichtshow und die in allen Variationen ausgekosteten, gigantischen, multiplizierten Projektionen von Tänzern und Schauspielern, kombiniert mit der eigens von Jorge Sad komponierten, passenden Musik, lassen den Zuschauer gebannt vor Margarita Balis Spektakel stehen – das erste, das am 10. September im Rahmen der „Cruce“-Kunstprojekte des Theaterfestivals gezeigt wurde.

Bis sie auf einmal „echte“ Tänzer auf den Balkonen und hinter halb geöffneten Fenstern auftreten lässt. Der ganze Zauber verfliegt mit einem Schlag, der großartige Eindruck weicht Ernüchterung. Die Tänzer sind zu klein von weitem und wirken hilflos gegen ihre Riesen-Video-Konkurrenz. Schon in Margarita Balis letztem Tanzstück „Zoom“ hatte man den Eindruck bekommen, dass die Choreographin sich wagen sollte, ganz auf Video umzusteigen und sich nicht mehr zu bemühen, den Tanz noch als solchen in ihr Werk einzubauen. Er bleibt nur auf der Strecke, während ihr auf der anderen Seite auch nicht gelingt, die Hand nach wahrer Größe auszustrecken.

Der Artikel erschien am 24.9.05 im „Argentinischen Tageblatt“.

Himmel voller Frieden

Die Intervention „Antiaéreos“ von Gabriel Valansi

Von Susanne Franz

Es ist stürmisch, und drohende graue Wolken bedecken den Himmel am Montag, dem 12. September. Auf der Plaza de Mayo herrscht dennoch wie immer Hochbetrieb zur Mittagszeit. Doch die Leute rennen nicht ganz so schnell wie sonst über den Platz, denn heute ist etwas anders hier: 18 weiße, jeweils sechs Meter lange Zeppeline sind auf dem Hauptplatz von Buenos Aires verteilt. Einige sind relativ dicht am Boden festgemacht, andere, die weiter oben in der Luft schweben, werden vom Wind arg hin- und hergeschüttelt. Dass dies eine Kunstaktion im Rahmen des Internationalen Theaterfestivals ist, wissen nur die wenigsten, und das ist auch beabsichtigt: Kein Schild, keine Erklärung ist zu sehen, jedem Betrachter ist selbst überlassen, was er mit seinem Eindruck anfängt.

Mit seiner Installation „Antiaéreos“, die vergangene Woche im Rahmen der „Cruce“-Projekte des Festivals lief, erinnerte der Künstler Gabriel Valansi an den Bombenangriff auf die Plaza de Mayo am 16. Juni 1955, der gegen General Perón gerichtet war und der viele unschuldige Menschenleben forderte. Und mit sogenannten „Antiaéreos“, in verschiedenen Höhen über zivilen Zielen angebrachten Luftschiffen, schützten sich einige Städte im Zweiten Weltkrieg gegen Bombenangriffe. „Einen Himmel voller Frieden“ habe er schaffen wollen, sagte der Künstler im Gespräch mit einer argentinischen Zeitung. Dass wir in einer Welt leben, in der ein solcher heute so nötig ist wie damals, wird jeden Tag deutlich, wenn wir die Schlagzeilen in den Zeitungen lesen.

Vom hohen künstlerischen Anspruch wie vom positiven Überraschungseffekt auf die Stadt Buenos Aires ein gelungenes Kunstwerk, das im Betrachter viele Assoziationen weckt: angefangen bei der Schutzlosigkeit des Menschen, der sich mit seiner „technologischen Überlegenheit“ gegen drohende Gefahren zu wehren versucht, während schon die tödliche Kraft eines Wirbelsturms ihn in mittelalterliche Zustände und primitive Umgangsweisen zurückzuwerfen imstande ist.

Der Artikel erschien am 24.9.05 im „Argentinischen Tageblatt“.

Wunderbare Wasserwelt

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Diego Perrottas “Serie Acuática” bei ­Alberto Elía/Mario Robirosa

Von Susanne Franz

In der Fundación Alberto Elía/Mario Robirosa zeigt der als Erschaffer einer barocken, farbenfrohen Bilderwelt bekannte Künstler Diego Perrotta seine jüngsten Werke, die „Serie Acuática“ (Wasser-Serie). Hier begegnet man einem verspielteren und heitereren Ton als in den früheren Werken, in denen neben dem Farbreichtum vor allem viele plastische Elemente beeindruckende Reliefs bildeten. Kleine Einzelwerke oder Kompositionen aus fünf oder sechs der postkartengroßen, entzückenden Aquarelle oder Zeichnungen prägen das Bild. Masken, Monstren, aus denen Schläuche oder Kabel wachsen, tanzende Blutkörperchen, Farb- und Phantasiewelten und oft in kleiner Bleistiftschrift ein Satz, ein Titel oder ein kurzer Gedanke verleihen jedem Werk Einzigartigkeit, und doch ist die Ausstellung Ausdruck der Kohärenz im Schaffensprozess Perrottas.

Eine Installation aus Keramik im Eingangsbereich der Galerie zeigt eine Wasserwelt, in der der Kopf eines Menschen aus dem Wasser ragt, um Luft zu schnappen, umgeben von seltsamen, bunt bemalten Wassertieren und -Pflanzen, die das Wesen Mensch aufmerksam betrachten – vielleicht gar bedrohen? Für Diego Perrotta symbolisiert die Installation, die sich vielen Interpretationen öffnet, auch, „den Kopf oben zu behalten im Kunstbetrieb, sich selbst und seinem künstlerischen Weg treu zu bleiben“. Das tut er und erfreut damit seine Bewunderer und die, die es nach dem Besuch seiner Ausstellung sicher sein werden.
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(Diego Perrotta, „Serie Acuática“, Aquarelle und Keramiken. Fundación Alberto Elía/Mario Robirosa, Azcuénaga 1739. Mo-Fr 11-20.30 Uhr. Bis 2.9.)

Der Artikel erschien am 27.8.05 im “Argentinischen Tageblatt”.­

Maravilloso mundo acuático

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La “Serie Acuática” de Diego Perrotta

Por Susanne Franz

En la Fundación Alberto Elía/Mario Robirosa, se puede apreciar la “Serie Acuática”, obras recientes del artista Diego Perrotta, creador de un colorido mundo barroco, lleno de símbolos y relieves, que se pudo ver, por ejemplo, en la “Serie del Diablo” que mostró en el mismo espacio en 2002. En su siguiente muestra individual, “Ciudad del Milagro”, en el Centro Cultural Recoleta (2004), utilizó planos monocromáticos poblados de estructuras arquitectónicas atravesadas por monstruos extraños: ataques simbólicos a las instituciones (ministerios, escuelas, etc.).

En esta nueva propuesta de Perrotta rige otra vez un tono más ligero, más feliz. Hay una gran cantidad de obras pequeñas, en su mayoría hermosas acuarelas o dibujos de tamaño tarjeta postal, solas o en composiciones de cinco o seis obras. Se ven máscaras, monstruos con tubos o tentáculos, glóbulos, detalles de insectos, coloridos mundos fantásticos. En muchos casos, hay una frase o una palabra, un pensamiento, escritos con lápiz. Cada obrita es única, pero en el conjunto se demuestra la coherencia del proceso creador de Perrotta.

Una instalación de cerámica en la entrada de la galería demuestra un mundo acuático, una especie de lago artificial del que asoma una cabeza humana por sobre la superficie del agua, con la boca abierta, tomando aire. Alrededor de la cabeza hay extrañas criaturas que miran a ese ser humano con mucho interés… ¿o lo están amenazando? Para Perrotta, la instalación simboliza “mantener la cabeza alta en el ámbito del arte, permanecer fiel a uno mismo y a su camino artístico”. Eso es lo que hace, y se lo agradecen sus viejos y nuevos admiradores.
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(Diego Perrotta, “Serie Acuática”, acuarelas y cerámicas. Fundación Alberto Elía/Mario Robirosa, Azcuénaga 1739. Lun-Vie 11-20.30 hs. Hasta 2.9.)

El artículo fue publicado (en idioma alemán) el 27/08/05 en el “Argentinisches Tageblatt”.­

Paradiesische Zustände

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Himmlische Ausstellung von Miguel Rothschild bei Ruth Benzacar

Von Susanne Franz
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Triumphbögen des Konsums, errichtet aus leeren Lebensmittelverpackungen, und sechs wie Kirchenfenster leuchtende, große Hinterglas„malereien“, drei voller paradiesischer Leckereien, drei voll höllischer Zigarettenmarken, Streichholzschachteln und Firmenlogos fallen als erstes ins Auge, wenn man die Galerie Ruth Benzacar dieser Tage betritt. Alles so schön bunt hier! „Ich übe keine Kritik am Konsum“, sagt der seit 14 Jahren in Berlin lebende argentinische Künstler Miguel Rothschild, der regelmäßig in der renommiertesten Galerie von Buenos Aires ausstellt. Konsum existiere eben, zuckt der 42-Jährige mit den Schultern. Zur Eröffnung seiner Ausstellung „Celestial“ (Himmlisch) am 3. August ist er extra in die argentinische Hauptstadt gereist. Himmel und die Hölle als Antagonistin des Paradieses sind die Themen, mit denen sich seine hier gezeigten Werke befassen. „Aber light“, sagt der Künstler entspannt, „für mich ist auch die Hölle light.“­

Eine Wand hat Rothschild aus Kartons der Eis-Marke „Paradies“ errichtet. Sie dient als eine Art Raumteiler und grenzt eine Videoleinwand ab, auf die er Fotos projiziert: Schnappschüsse, die er überall in der Welt von Läden oder Schildern gemacht hat, die den Namen „Paradies“ tragen. Es handele sich um ein „Work in Progress“, erzählt der Künstler, der weltweit weiter Bilder mit dem Motiv sammelt.
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Auch Rothschilds Gemälde spielen sich in Himmeln ab. Die beiden 58 x 58 cm großen Werke „La noche que vio las estrellas“ (Die Nacht, die Sterne sah) I und II wirken wie Momentaufnahmen vom Big Bang. Der Künstler beschreibt die zackenförmig auseinanderstrebende Schwärze so: „Es sieht so aus, als hätte ich die Nacht auf die Leinwand geschleudert.“ Wie in allen ausgestellten Gemälden prägen auch hier Comic-Elemente das Bild: In einem Fall begleiten ausgeschnittene Sternchen das auseinanderrasende Schwarz, in dem anderen lautmalerische Interjektionen wie „Blof!“ oder „Kawumm!“­

Titel wie Wettervorhersagen haben zwei weitere der relativ kleinformatigen Gemälde: „Nubosidad variable. Vientos moderados del sector norte“ (Bewölkt, leichte Nordwinde) zeigt einen dunklen Himmel voller Wolken, in dem Denkblasen hochsteigen. „Die Gedanken der Menschen schweben nach oben und brauen sich zu einem Sturm zusammen“, sagt Rothschild. In „Inestable con lluvias aisladas hacia la noche“ (Unbeständig, Schauer am Abend) hat sich der Sturm bereits entladen und ein Regen in Form von Ausrufezeichen fällt auf die Erde.­ In dem großformatigen Bild „Celestial“ (200 x 300 cm) erhellen statt Sternen gezackte gelbe Preisschilder die Nacht.
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Rothschild beschreibt mit subtilem Humor, was in der globalisierten Welt als Paradies vorgegaukelt und vor allem – verkauft wird. Dabei weint er weder um eine verlorene Idylle noch drückt er eine utopische Sehnsucht aus. Er zeigt die Dinge, wie sie sind. Von einer wunderbaren Ästhetik, besitzen seine Werke die Energie einer aufziehenden Gewitterfront.

(Miguel Rothschild, „Celestial“. Ruth Benzacar, Florida 1000. Mo-Fr 11.30-20, Sa 10.30-13.30 Uhr. Bis 3.9.)

Der Artikel erschien am 13.8.05 im “Argentinischen Tageblatt.

Noticias desde el Paraíso

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Muestra “Celestial” de Miguel Rothschild en Ruth Benzacar

Por Susanne Franz
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Lo primero que atrapa la vista cuando uno entra a la Galería Ruth Benzacar en estos días, son unos arcos de triunfo del consumo, formados por cajas de alimentos vacías, y seis obras en vidrio luninosas como ventanas de una iglesia: un tríptico constituido por una variedad de cosas paradisíacas, otro lleno de marcas de cigarrillos, cajas de fósforos, logos de empresas y otras cosas “infernales” por el estilo. En seguida, uno asocia una canción de Nina Hagen que ironiza sobre la faz del consumo en el oeste: “Alles so schön bunt hier!” (“¡Qué colorido está todo por aquí!”). “Mi obra no es una critica al consumo”, aclara el artista Miguel Rothschild, argentino que vive en Berlín desde hace 14 años, y que expone su obra con regularidad en la galería de arte más prestigiosa de Buenos Aires. “El consumo simplemente existe”, dice Rothschild con desdén. Su muestra “Celestial” con obras recientes que se ve en Ruth Benzacar trata en torno al cielo y el infierno como antagonista del paraíso. “Pero todo es light”, atenúa el artista, “para mi, hasta el infierno es light.”

Cerca de la entrada, Rothschild ha construido una pared con cartones de la marca de helados “Paradies” (Paraíso). Funciona como una división del espacio, que aparta un sector de la galería dónde se proyectan imágenes sobre una pantalla de video. Son fotos de negocios, panaderías, restaurantes, etc., que se llaman “Paradies” o “Paradise” o “Paraíso”, o simplemente de señales que llevan el nombre. “Es un ‘work in progress'”, cuenta Miguel Rothschild, que sigue coleccionando las imágenes paradisíacas en todo el mundo.

También las pinturas que expone Rothschild tienen cielos como trasfondo. Las dos obras “La noche que vio las estrellas” I y II (de 58 x 58 cm) parecen imágenes del Big Bang. El artista describe ese negro que se extiende desde un centro en forma de púas: “Parece como si hubiera estrellado la noche contra el lienzo.” Como en todas las pinturas expuestas, también aquí predominan elementos de historietas: en una obra hay estrellitas recortadas de papel que acompañan el negro vertiginoso, en la otra son interjecciones onomatopéyicas como “Blof!” o “Kawumm!”­

Dos de esas obras relativamente pequeñas tienen títulos como pronósticos del tiempo: “Nubosidad variable. Vientos moderados del sector norte” muestra un cielo oscuro, nublado, lleno de globitos de pensamiento. “Las ideas de las personas suben en el cielo y se conglomeran hasta formar una tempestad”, dice Rothschild. En la obra “Inestable con lluvias aisladas hacia la noche”, este temporal ya se ha desatado y una lluvia de signos de admiración recortados cae a la tierra. En la obra de gran tamaño “Celestial” (200 x 300 cm), no son los astros celestiales los que iluminan la noche, sino etiquetas de precios amarillas de varios tamaños que tienen forma de estrellas.

Rothschild describe con humor sútil la idea del “Paraíso” que se proyecta —y más aún, se vende— en el mundo globalizado. Ni llora por un idilio perdido ni expresa un deseo utópico específico. Presenta las cosas como son. Sus obras, de una belleza y estética maravillosas, vienen con toda la energía de un frente de tormenta amenazador.
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(Miguel Rothschild, “Celestial”. Ruth Benzacar, Florida 1000. Lun-Vie 11.30-20, Sab 10.30-13.30 hs. Hasta 3.9.)

Artículo publicado en el “Argentinisches Tageblatt” el 13/8/05.

“Es gibt keine perfekte Welt” (2002)

Eine Anthologie der Künstlerin Ana Eckell im Centro Cultural Recoleta

Von Susanne Franz

Werk von Ana Eckell

Ana Eckell ist viel gereist und hat in der ganzen Welt ihre Werke ausgestellt. Sie hat Argentinien auf der Biennale von Paris 1984 vertreten und 1985 in Sao Paulo, und sie zeigt Teile der „Wände”, die sie bei diesen renommierten internationalen Kunst-Treffen präsentierte, nun im Rahmen der anthologischen Ausstellung „La voz del agua” im Centro Cultural Recoleta; dazu Gemälde mit vorgebauten Schachteln, die bei der Biennale ARCHE in Buenos Aires 1983 zu sehen waren, ihre „blaue Periode” von 1987/88, ihre Produktion der 90er Jahre, bekannt von einer bedeutenden Ausstellung im „Museo Nacional de Buenos Artes”, bis hin zu sehr zurückgenommenen Bildern von 2000 und 2001, in denen die Künstlerin, in deren Werk das Übereinanderschichten von verschiedenen Perspektiven und Ebenen eine Hauptrolle spielt, wie durch einen Nebel Konturen und Szenen erahnen lässt.

Werk von Ana EckellSie habe diese Bilder vor den Attentaten vom 11. September 2001 gemalt, sagt Ana, als sie auf die Parallelen zu den Anschlägen in diesen Werken angesprochen wird, aber sie seien fast so etwas wie eine Vorahnung gewesen. Als ihr Lebenspartner sie an dem schrecklichen Tag angerufen und ihr von den Attentaten erzählt habe, habe sie den Femseher angemacht, die gigantischen Staubwolken gesehen und ihr sei klar geworden: „Das ist es!” „Die Welt befindet sich in einem Veränderungsprozess”, sagt Ana, „vielleicht muss erst alles in sich zusammenfallen, bevor etwas Neues entstehen kann.” Auch in ihren Texten, die innerhalb der Retrospektive einen wichtigen Stellenwert einnehmen, wird dieses Thema immer wieder aufgegriffen.

Mensch sein in Krisenzeiten

Werk von Ana EckellZu diesem schmerzlichen Prozess zählt auch die aktuelle Krise in Argentinien. Die Auswirkungen spürt Ana Eckell am eigenen Leibe, wie fast alle Argentinier – das wird deutlich, wenn sie von den Schwierigkeiten berichtet, die Ausstellung auf die Beine zu stellen, und von ihrem festen Willen, „trotz allem etwas zu tun”.

Aber auch die empfindlichen Sensoren ihrer sensiblen Künstlerseele sind auf Empfang, etwa wenn sie sich fragt, ob denn die momentane Situation nicht realistischer sei als die vorgegaukelte Erste-Welt-Zugehörigkeit der letzten Jahre. „Unsere Situation ist unbequem, aber das Leben an sich ist unbequem”, philosophiert Ana. Ordnung sei doch nur eine Fiktion, die jeden Moment kaputtgehen könne. „Hier leben wir realistischer”, zieht sie ihr Fazit, „Leben ist immer prekär.” Nachdenklich fügt sie hinzu:„Ich glaube, es gibt keine perfekte Welt.” Überall, in allen Ländern, die sie bereist habe, würden die Menschen klagen. Das liege wohl daran, dass „wir Menschen eben nicht perfekt” seien.

Geschichte aufarbeiten

Werk von Ana Eckell„Man braucht immer auch Humor, um mit schwierigen Themen fertig zu werden”, sagt Ana Eckell – übrigens in ausgezeichnetem Deutsch -, zum Beispiel über ihre Bilderserie „La batalla de San Ramón” von 1984. Die großformatigen Werke seien in Anlehnung an die Schlachtenbilder des Renaissancemalers Uccello entstanden, aber die Pferde sähen bei ihr eher aus wie Karussellpferde, lacht sie.

In ihren Werken der frühen 80er Jahre habe sie die repressiven 70er verarbeitet, das Klima der Zensur, das geherrscht habe, als sie, damals schon mit dem beendeten Kunststudium, ihre Künstlerkarriere begonnen habe. Und 1982 habe der Malwinenkrieg einen starken Eindruck in der Gesellschaft hinterlassen.

Einen direkten Bezug zu historischen Ereignissen hätten ihre Werke zwar nicht, meint die Künstlerin mit dem blonden Kurzhaarschnitt, aber sie registrierten eben doch die Dinge, die sie kenne. „Es ist einfacher, die Dinge zu benennen, sie sind dann weniger schmerzhaft, man versteht sie besser”, erklärt sie ihre künstlerische Motivation, und fügt hinzu: „Ich habe mein Augenmerk nie auf punktuelle Ereignisse gerichtet, sondern auf (geschichtliche) Prozesse.”

Und die Zukunft?

Werk von Ana EckellDie Frage nach ihrem weiteren Weg drängt sich unwillkürlich auf, wenn man Ana Eckells jüngstes Bild „Salto de página” von 2002 betrachtet. Es ist eine Mischung aus weißlich-grauer Farbe und Textur, dahingeworfene Worte sind kaum noch sichtbar. Ihre Malerei, so groß und bunt und farbenprächtig einst, wird doch nicht etwa verschwinden? Ana ist überhaupt nicht beunruhigt. „Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, und ich will es auch gar nicht wissen!”, wehrt sie ab. Sie suche nie nach neuen Bildern: „Sie kommen zu mir, wenn ich dazu bereit bin”, beschreibt sie den kreativen Prozess, der sie zum Malen und Schreiben drängt. „Es gibt viele Dinge, die man im Moment vielleicht nicht versteht”, gibt sie zu bedenken, aber sie verlasse sich auf eines: „Das Leben ist ein perfektes Design.”

Der Artikel erschien am 25.5.2002 im “Argentinischen Tageblatt”.

Die Bilder stammen von Ana Eckells Webseite.

Findet der, der sucht?

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Der argentinische Künstler José Luis Anzizar bei der Berliner Ausstellung „Der Freie Wille“

Von Susanne Franz


Projektentwurf für „11.9-9.11“.

José Luis Anzizar war 26, als er im Jahr 1988 zum ersten Mal nach Europa flog. Die Reise ging nach Holland, zur Hochzeit eines Freundes. Neben ihm saß ein junger Mann, der trotz der Hitze im Flieger seine Jacke die ganze Zeit über anbehielt. Es war das Ende der Alfonsín-Ära, und viele Argentinier verließen ihr krisengeschütteltes, hyperinflationäres Land. „Mir wurde plötzlich bewusst, dass der Mann wahrscheinlich sein ganzes Geld am Körper trug“, erinnert sich José Luis. „Ob das jetzt 100 oder 1000 Dollar waren, spielt keine Rolle. Ich fühlte mich plötzlich schlecht, weil ich zu einer Hochzeit unterwegs war, zu meinem eigenen Vergnügen, aus meiner eigenen Entscheidung heraus. Es gab so viele andere, die keine Wahl hatten.“

Auch nach der Krise vom Dezember 2001 verließen wieder tausende Argentinier ihre Heimat, um in den USA oder Europa ihr Glück zu versuchen. „Und was ist dann, wenn man einmal auf der anderen Seite ist? Findet man wirklich das vor, was man erwartet oder erhofft hatte? Hat die Realität etwas mit dem vom Marketing verkauften Image zu tun?“ fragt sich José Luis.

An die Geschichte des Mannes mit der Jacke musste José Luis Anzizar denken, als er sich mit einem Projekt um die Teilnahme an dem internationalen Ausstellungsprojekt „Der Freie Wille“ bemühte. „11.9-9.11“ heißt seine Arbeit, mit der er ausgewählt wurde, zusammen mit 19 anderen Künstlern bzw. Künstlergruppen seine Vorstellungen und Visionen zum Thema „Der Freie Wille“ im unterirdischen Bunker auf dem ehemaligen Todesstreifen Berlin Treptow zu zeigen.

Da diese besondere Schau zeitgenössischer Kunst anlässlich der 20-Jahres-Feiern der sogenannten Glasnost stattfinden – das „Tauwetter“, das der politischen Wende von 1989 vorausging – wird die Ausstellung am 15. Juni im Beisein von Michail Gorbatschow eröffnet.

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El que busca ¿encuentra?

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El artista argentino José Luis Anzizar en la muestra “El libre albedrío” en Berlín

Por Susanne Franz


Boceto virtual del proyecto “11.9-9.11”.

José Luis Anzizar tenía 26 años cuando viajó por primera vez a Europa. Iba invitado a la boda de un amigo, en Holanda. A su lado estaba sentado un joven, que —a pesar del calor que hacía en el avión— no se sacó la campera durante todo el vuelo. Era en el año 1988, el fin de la era Alfonsín, cuando muchos argentinos tenían que dejar su país golpeado por la crisis y la hiperinflación.

“Me di cuenta de que este chico probablemente llevaba todo su dinero encima”, recuerda José Luis. “No importa si se trataba de cien o de mil dólares. Pero yo me sentí mal de repente, porque estaba viajando para ir a una boda, para mi propia diversión. Yo lo había decidido. Había tantos otros que no tenían opción.”

Después de la crisis de fines del 2001, hubo otra gran ola de emigración: miles de argentinos se fueron de su patria para buscar fortuna en EE.UU. o Europa. “¿Pero qué pasa cuando uno está del otro lado?” se pregunta José Luis. “¿Realmente se encuentra lo que se busca? ¿La realidad tiene que ver con la imagen vendida por el marketing?”

La historia del hombre de la campera volvió muy vívidamente a la cabeza de José Luis Anzizar cuando se presentó para el proyecto internacional “Der Freie Wille” (El libre albedrío). Con su trabajo “11.9-9.11” fue elegido para presentar, junto a otros 19 artistas y grupos de artistas, sus ideas y visiones sobre el tema “El libre albedrío” en el bunker bajo la ex “franja de la muerte” en Berlín Treptow.

Esta muestra de arte contemporáneo se realiza en el marco de los festejos de los 20 años del “Glasnost”, el clima de relajación en las posturas opuestas del Este y el Oeste que abrió el terreno para los cambios políticos del 1989. Por eso, cuando la exposición se inaugure el 15 de junio, contará con la presencia de Michail Gorbachov.

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Ich sehe also bin ich

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Das Geheimnis im Werk von Gabriel Valansi

Von Susanne Franz

Werk von Gabriel ValansiAuf der Kunstmesse arteBA im vergangenen Mai 2004 sind die für den ersten Petrobras-Preis ausgewählten Kandidaten zu sehen. Der brasilianische Ölmulti ist jetzt Hauptsponsor der wichtigsten argentinischen Messe für zeitgenössische Kunst. Unter anderem hängt da an der Decke ein riesiges Mobilé aus sieben weißen Webcams an weißen, zu leichten Halbkreisen gebogenen Aluminiumstäben, das sich träge bewegt und dreht, wobei es die sich in der Umgebung abspielenden Ereignisse wie aus neugierigen Augen beobachtet. Die gefilmten Sequenzen werden von einem Videoprojektor abgespielt.

Wer betrachtet hier eigentlich wen?, steht als provozierende Frage im Raum, bzw. hängt von der Decke.

Die schöne Form des tanzenden, leisen Riesenspielzeugs verbirgt seine heimtückische Absicht und betont umso stärker die Aussage: Du wirst überwacht, wo Du gehst und stehst. Das elegante, hintergründige Kunstwerk macht darauf aufmerksam, wie sehr man sich bereits daran gewöhnt hat, überall gefilmt zu werden – in Kaufhäusern, Läden, auf der Straße – und wie klaglos man das hinnimmt.

Der Künstler heißt Gabriel Valansi, 1959 in Buenos Aires geboren. Es gelingt ihm nicht, die Jury für sich zu gewinnen, die den Hauptpreis an Sebastián Gordín vergibt.

Ich erinnere mich beim Betrachten des Mobilés daran, schon einmal fasziniert vor Werken Valansis gestanden zu haben, auf einer früheren arteBA-Messe, vor ein oder zwei Jahren, am Stand von Luisa Pedrouzo.

“Zeitgeist” hießen diese dunklen, verschwommenen Fotografien voll poetischer Dichte,

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Veo luego existo

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El secreto en la obra de Gabriel Valansi

Por Susanne Franz

Obra de Gabriel ValansiMayo 2004. En la feria arteBA se pueden ver los artistas elegidos para el primer premio Petrobras. La corporación petrolera brasileña es el nuevo sponsor principal de la feria de arte contemporáneo más importante de la Argentina. Entre otras obras, se ve, colgado del techo, un móvil de gran tamaño constituido por siete webcams blancas que cuelgan de varillas de aluminio también blancas y ligeramente curvadas. El conjunto se mueve y gira lentamente, mirando como con ojos curiosos las cosas que ocurren a su alrededor. Un proyector de video muestra simultáneamente las secuencias filmadas.

¿Quién mira a quién por aquí? Esta pregunta provocadora aparece de repente en el aire —literalmente.

La forma bella del juguete gigante bailando silenciosamente esconde su maligna intención y destaca así, aun con más fuerza, su mensaje: te están observando, donde sea que estés, donde sea que andes. La obra de arte elegante, subversiva, nos llama a la atención de qué manera ya nos acostumbramos a ser filmados en todas partes —en los supermercados, los negocios, la calle— y cómo lo aceptamos sin quejarnos.

El artista, Gabriel Valansi, nació en 1959 en Buenos Aires. No logra convencer al jurado, que otorga el primer premio a Sebastián Gordín.

Observando el “Móvil”, recuerdo haber estado parada frente a obras de Valansi en una de las ferias arteBA anteriores, hace un año o dos, en el stand de Luisa Pedrouzo.

Las fotografías borrosas, oscuras, denominadas “Zeitgeist”, tenían una densidad poética increíblemente impactante y abrumadora.

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