“Zwei lange Unterhosen der Marke Hering”

Lesung und Gespräch mit Ariel Magnus im Goethe-Institut

maximiliano_luna_telamBei einer Lesung mit anschließendem Gespräch am Donnerstag, dem 7. August, um 19 Uhr, in der Bibliothek des Goethe-Instituts Buenos Aires (Av. Corrientes 343) spricht der argentinische Autor Ariel Magnus mit Silvie Rundel (Die Zeit) und Andrea Bélafi (Goethe-Institut) unter der Moderation von Carla Imbrogno (Goethe-Institut). Der Eintritt ist frei.

Ariel Magnus dokumentiert in seiner bewegenden Familienchronik, die im Originaltitel “La abuela” heißt, das Leben seiner Großmutter, einer jüdischen Immigrantin, die 1946 aus Auschwitz fliehen konnte und nach Brasilien emigrierte. In der deutschen Übersetzung erschien das Buch unter dem kuriosen Titel “Zwei lange Unterhosen der Marke Hering”. “Ariel Magnus […] liefert mit ‚Zwei lange Unterhosen der Marke Hering‘ ein äußerst unkonventionelles Erinnerungsbuch einer Holocaust-Überlebenden.” So schrieb die Jüdische Zeitung über “La abuela”, das Buch, das Kiepenheuer & Witsch in deutscher Übersetzung von Silke Kleemann veröffentlichte.

Die Buchkritiken haben nicht mit Lob gespart. Eine der Rezensionen hebt besonders die Einstellung des Autors hervor, der folgende Anmerkung in seinem Vorwort angibt: “Es gibt reichlich Literatur von den und über die Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtungslager. Dieses Buch ist nicht aus dieser Literatur hervorgegangen und möchte ihr auch kein weiteres Werk hinzufügen. Ich habe nicht vor, über den Holocaust zu reflektieren oder für die Annalen die Geschichte einer weiteren Überlebenden zu erzählen. Stattdessen geht es um eine Großmutter und ihren Enkel, in diesem Fall um meine Oma (die Auschwitz überlebt hat) und um mich (der ich manchmal über Dinge reflektiere, von denen ich wenig Ahnung habe).”

In der Originalfassung auf Spanisch gibt Ariel Magnus einen Bericht seiner Oma wider, in dem sie ihm, gespickt mit Sätzen auf Deutsch und Portugiesisch, auf chaotische Weise erzählt, wie sie sich mit 22 Jahren auf der Suche nach ihrer blinden Mutter freiwillig ins Konzentrationslager Theresienstadt deportieren ließ, ihr später nach Auschwitz folgte, um anschließend wie durch ein Wunder in Bergen-Belsen freigelassen zu werden und über Schweden in Porto Alegre, Brasilien, zu landen, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2013 gelebt hat.

Die Eigentümlichkeit dieser Reportage stellt in Bezug auf die Übersetzung in eine Metasprache, die im Original sowohl kulturell, historisch als auch wörtlich vorkommt, eine Herausforderung dar. In der spanischen Originalfassung sind die Textstellen, in denen die Oma spricht, Übersetzungen (des Autors) aus dem Deutschen und Portugiesischen ins Spanische. Die deutsche Fassung erforderte daher, auf die Quellen zurückzugreifen, d.h. auf die Kassetten mit den ungeordneten Aufnahmen. Die Änderung des Buchtitels wurde vom Verlag entschieden und greift das Bild eines wiederholten Geschenks der Oma an ihren Enkel auf. Immer wieder schenkte sie ihm zwei lange Unterhosen der Marke Hering.

Über die Form der Erzählung erklärt der Autor: “Meine Oma zu porträtieren, heißt nicht nur, ihre Geschichte zu erzählen, sondern vor allem, die Art und Weise abzubilden, wie sie diese Geschichte erzählt. Daher geben die zeugnishaften Kapitel, deren Grundlage ein ebenso ausgedehntes wie schwieriges Interview im südlichen Sommer 2002 war, ihre Sprechweise so getreu wie möglich wider und auch ihre Art, die Informationen zu ordnen oder eher durcheinanderzubringen. Auch wenn ihre Erzählung zu Beginn etwas verwirren mag, lässt sich die Stimme meiner Oma nur so in ihrer ganzen Vitalität übermitteln, die sie auf gewisse Weise vor dem sicheren Tod rettete.”

Der Autor erzählt aber nicht nur von der Vergangenheit, sondern auch von der Gegenwart: “Ich erzähle also von der Gegenwart einer Person, von der vermeintlich nur die Vergangenheit interessant ist. Dabei bewegt mich in erster Linie die literarische Intuition, dass meine Oma eine bemerkenswerte Figur ist, und außerdem der journalistische Instinkt, dass die seltsame Beziehung, die sie noch immer zum Land ihrer Henker unterhält, viel über diese schreckliche Vergangenheit sagt, die sie lieber vergessen würde und die ich hier rekonstruieren möchte.”

Ariel Magnus, geboren 1975 in Buenos Aires. Studium in Deutschland, schrieb für verschiedene Medien in Lateinamerika, die taz in Berlin und Spiegel Online und lebt heute als Autor und literarischer Übersetzer in Buenos Aires. Er hat bislang elf Bücher veröffentlicht. 2007 wurde er für seinen Roman “Ein Chinese auf dem Fahrrad” mit dem internationalen Literaturpreis Premio La otra Orilla ausgezeichnet. Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2010 erschien es auf Deutsch bei Kiepenheuer & Witsch. “Zwei lange Unterhosen der Marke Hering” erschien 2012 ebenfalls bei KiWi.

Foto:
Ariel Magnus.
(Foto: Maximiliano Luna)

Hinschauen, ohne zu blinzeln

Nina Jäckle stellte auf der 40. Internationalen Buchmesse ihren ersten auf Spanisch erschienenen Roman “Zielinski” vor

Von Susanne Franz

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“Als ich das Buch schrieb, passierten gerade in der Welt viele Selbstmordanschläge”, erzählt die deutsche Autorin Nina Jäckle dem Publikum der Internationalen Buchmesse von Buenos Aires. “Da war ein ganz großes Unverständnis in mir. Ich wollte über diese Radikalisierung nicht oberflächlich urteilen – ich wollte sie ansehen.” Jäckles Roman “Zielinski” über den Weg eines Menschen in den Wahnsinn, der in Deutschland im Jahr 2011 erschienen ist, ist der erste aus dem ansehnlichen Werk der 1966 in Schwenningen geborenen Schriftstellerin, das auf Spanisch erschienen ist (Verlag Serapis) – ein weiteres Buch Jäckles ist bereits ins Spanische übersetzt.

Die Autorin weilte auf Einladung des Goethe-Instituts und der Frankfurter Buchmesse einige Tage in Argentinien. Die Veranstaltung “Erzählung und Wahn”, die am 10. Mai im voll besetzten Bioy-Casares-Saal des Messegeländes La Rural stattfand, mag zwar wegen der begrenzten Kapazität des Raumes keine Massen angezogen haben, sie fand aber durch ein sehr positives Echo in Radio-, Zeitungs- und Webbeiträgen ein großes Publikum.

Im Gespräch mit dem argentinischen Autor Ariel Magnus gab Nina Jäckle einen Einblick in ihre Motivation zum Schreiben von “Zielinski” und die gesellschaftliche Relevanz der Figuren ihres Romanes – der Hauptperson Schoch, dessen psychische Dekadenz beschrieben wird, und der “Person” Zielinski, einer imaginären Gestalt, die sich in Schochs Wohnzimmer breit macht und die nach und nach vom freundlichen Zimmergenossen zum Peiniger wird, obwohl Schoch in lichten Momenten weiß, dass Zielinski nur in seiner Einbildung existiert.

Andere Themen waren u.a. das Schreiben an sich und die Eindrücke, die Nina Jäckle bei ihrem ersten Aufenthalt in Argentinien gesammelt hat. Außerdem gelang es der Autorin, bei der Fragerunde, die die Veranstaltung abschloss, auf eindrucksvolle Weise so intensiv auf jeden einzelnen Frager einzugehen (was beim intellektuellen argentinischen Publikum, dessen Fragen manchmal sehr komplex sind, gar nicht so einfach ist), dass die Zuschauer mit einem schönen Gefühl eines gemeinsamen Erlebnisses nach Hause gingen.

“Was mich eigentlich interessiert hat, ist, wie es sein kann, dass jemand sich einer Situation hingibt, dass jemand etwas mit sich machen lässt, das von außen völlig unverständlich erscheint, das aber von innen eine zwingende Logik hat.” Schoch lässt Zielinski gewähren, auch als dieser beginnt, ihn zu schlagen. Nach anfänglichem Entsetzen werden die Schläge für Schoch sogar zunehmend zu einer Art religiöser Zeremonie. “Wie kann so etwas passieren?” – mit dieser zentralen Frage setzte sich Nina Jäckle beim Verfassen des Buches auseinander. “Ich wollte beschreiben, wie schnell man sich an eine Sitation gewöhnt”, sagt die Autorin. “Aber ich wollte nicht werten und auch nicht zum Widerstand aufrufen.”

Hinschauen, ohne zu blinzeln, das kann auch für den Leser schwierig sein. Ariel Magnus sagt, er habe in Kritiken zu “Zielinski” in Deutschland Vergleiche mit Beckett gelesen. Nina Jäckle ist davon überrascht. “Beckett – das ist gut!”, freut sie sich. Und gibt zu, dass ihr Werk ein Buch sei, das “keine Notausgänge” habe. “Meine ersten Leser sind immer meine Mutter und meine Schwester”, erzählt sie. Letztere habe in “Zielinski” eine Rolle gehabt. Nach dem Lesen kamen die Reaktionen – die Schwester: “Das bin ich nicht!”, die Mutter: “Nina, geht es dir gut?”

Und wie ist Nina Jäckle zum Schreiben gekommen? Sie sei mit einem sprachaffinen Vater aufgewachsen, und der habe gesagt: “Nina, du hast überhaupt keine Talente, aber du kannst dich gut rausreden.” Die Autorin nachdenklich: “Vielleicht mache ich das – ich rede mich raus.”

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Nina Jäckle im Gespräch mit Ariel Magnus.
(Foto: Editorial Serapis)

“Erzählung und Wahn”

Die deutsche Autorin Nina Jäckle auf der 40. Internationalen Buchmesse von Buenos Aires

ninaDie Veranstaltung heißt “Erzählung und Wahn”: Am Samstag, dem 10. Mai, wird die deutsche Autorin Nina Jäckle auf der 40. Internationalen Buchmesse von Buenos Aires ihren ersten auf Spanisch erschienenen Roman “Zielinski” vorstellen. Eingeladen wurde die junge Autorin, die bereits mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde und die ein beachtliches literarisches Werk vorweisen kann, vom Goethe-Institut Buenos Aires und der Frankfurter Buchmesse.

Die Veranstaltung findet um 18.30 Uhr im Adolfo Bioy Casares-Saal im Weißen Pavillon des Messegeländes La Rural (Av. Sarmiento 2704) statt; der Eintritt ist frei. Der Eintritt zur Buchmesse muss allerdings bezahlt werden (an den Wochenenden 40 Pesos; Infos auf der Webseite der Messe).

Der Roman wird in einem Dialog mit dem argentinischen Autor Ariel Magnus vorgestellt. Die Veranstaltung ist auf Deutsch und wird simultan übersetzt. Auch Nina Jäckles Übersetzerin Carolina Previderé und die Lektorin Carolina Lieber werden erwartet.

Mit ihrem Buch “Zielinski” (Verlag Serapis, 2013) geht die Autorin der Spur nach, wie es ist, ein System, eine Fremdherrschaft gewähren zu lassen. Dabei geht es um das Vermögen des Menschen, sich an alles zu gewöhnen, bis die Empörung über etwas Ungeheuerliches der Gewohnheitsmäßigkeit weicht.

Der Gedanke daran ist ein Albtraum: langsam wahnsinnig zu werden und sich selbst dabei zu beobachten; zu bemerken, wie sich pathologische Ticks einschleichen, die bis dahin als wunderliche Angewohnheiten durchgingen, die sich in den Gehirngängen einnisten, zu Obsessionen und Zwangshandlungen werden. Es ist Zielinski, der da aus dem Nichts heraus Einzug in die Wohnung von Schoch, einem allein lebenden Mann, hält.

Zielinski, der gepflegte, höfliche Fremde, lebt fortan in einer mit blauem Samt ausgeschlagenen Holzkiste, im größten Zimmer des erzählenden Protagonisten. Es riecht nach Holz. Riecht es wirklich nach Holz? Zielinskis Stimme ist schön. Spricht Zielinski wirklich? Dieser Roman stellt auf eine raffinierte, absurd witzige und mitreißende Weise dar, wie Phantasien und Systeme greifen, wie es funktioniert, sich selbst voll und ganz in eine verheerende Idee zu verstricken, sich sogar in sie zu verlieben.

Nina Jäckle wurde 1966 in Schwenningen geboren, wuchs in Stuttgart auf, besuchte Sprachschulen in der französischen Schweiz und in Paris, wollte eigentlich Übersetzerin werden, beschloss aber mit 25 Jahren, lieber selbst zu schreiben, erst Hörspiele, dann Erzählungen, dann Romane. Ihre ersten Bücher erschienen im Berlin Verlag: “Es gibt solche”, “Noll”, “Gleich nebenan” und “Sevilla”.

Bei Klöpfer & Meyer erschienen 2010 mit großem Erfolg ihre Erzählung “Nai oder was wie so ist” sowie im Jahr 2011 ihr Roman “Zielinski” und 2014 “Der lange Atem”. Sie erhielt zahlreiche literarische Auszeichnungen, z.B. den Karlsruher Hörspielpreis, das große Stipendium des Landes Baden-Württemberg sowie das Heinrich-Heine-Stipendium und das Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds. Nina Jäckle ist Mitglied im VS Baden-Württemberg und im deutschen P.E.N.

Ariel Magnus wurde 1975 in Buenos Aires geboren. Er studierte Philosophie und Philologie an der Humboldt-Universität in Berlin. Zu seinen Werken zählen “Sandra” (2005), “La abuela” (2006), “Un chino en bicicleta” (2007), “Cartas a mi vecina de arriba” (2009), “Ganar es de perdedores” (2010), “Doble Crimen” (2010), “El hombre sentado” (2010) sowie “A Luján” (2013). Er arbeitet auch als Journalist und literarischer Übersetzer.

Weitere Informationen findet man auf der Webseite des Goethe-Instituts Buenos Aires.

Foto:
Die deutsche Autorin Nina Jäckle.

40. Internationale Buchmesse mit Nina Jäckle

Die deutsche Autorin ist zu Gast bei dem Mega-Kulturevent, der am 24. April eröffnet wird

Von Susanne Franz

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Kaum ist das Filmfestival BAFICI zu Ende, steht auch schon das nächste kulturelle Großereignis in der argentinischen Hauptstadt vor der Tür: Am Donnerstag, dem 24. April, wird die 40. Internationale Buchmesse von Buenos Aires eröffnet. Kein Geringerer als Quino aka Joaquín Lavado, der berühmte Vater der Comicfigur Mafalda, die dieses jahr ihren 50. Geburtstag feiert, wird die diesjährige Messe eröffnen.

Auch Deutschland ist wieder mit einem interessanten Gast vertreten: das Goethe-Institut lud die Schriftstellerin Nina Jäckle ein, mit der am Samstag, dem 10. Mai, um 18.30 Uhr, im Bioy Casares-Saal die Veranstaltung “Erzählung und Wahn” stattfinden wird.

Die Internationale Buchmesse hat im Messezentrum “La Rural” an der Plaza Italia 45.000 Quadratmeter Fläche gemietet. Erfahrungsgemäß kommen in den drei Wochen Laufzeit des meistbesuchten Kulturevents des Kontinents etwa eine Million Besucher; dazu 10.000 Fachbesucher.

Rund 1500 Aussteller aus 40 Ländern präsentieren ihr Angebot, und es werden weit über 1000 kulturelle Veranstaltungen geboten, darunter Seminare, Vorträge, Buchvorstellungen, Workshops, Rundtischgespräche, ein Poesie-Festival, ein Erzählertreffen und eine Tagung über “Mikrofiktion”.

Vom 24. April bis 12. Mai ist die Messe jeden Tag, inklusive an den Feiertagen, geöffnet, montags bis freitags von 14 bis 22 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 13 bis 22 Uhr. Der Eintritt kostet montags bis donnerstags 25 Pesos, freitags, an den Wochenenden und an Feiertagen 40 Pesos. Unter 12-Jährige in Begleitung eines Erwachsenen haben freien Eintritt, ebenso Behinderte und Schulklassen, die ihr Kommen vorher angemeldet haben. Montags bis freitags (mit Ausnahme der Feiertage) ist außerdem freier Einlass für Rentner, Lehrer aller Bildungsstufen und Studenten. Ein entsprechender Ausweis muss vorgelegt werden.

Weitere Infos auf der Webseite der Buchmesse.

Nina Jäckle im Gespräch

Auf Einladung des Goethe-Instituts, der Frankfurter Buchmesse und des Verlags Serapis wird die deutsche Autorin Nina Jäckle die spanische Übersetzung ihres Buches “Zielinski” im Gespräch mit dem argentinischen Autor Ariel Magnus vorstellen. Mit ihrem Buch geht die Autorin der Spur nach, wie es ist, ein System, eine Fremdherrschaft gewähren zu lassen. Dabei geht es um das Vermögen des Menschen, sich an alles zu gewöhnen, bis die Empörung über etwas Ungeheuerliches der Gewohnheitsmäßigkeit weicht.

Der Gedanke daran ist ein Albtraum: langsam wahnsinnig zu werden und sich selbst dabei zu beobachten; zu bemerken, wie sich pathologische Ticks einschleichen, die bis dahin als wunderliche Angewohnheiten durchgingen, die sich in den Gehirngängen einnisten, zu Obsessionen und Zwangshandlungen werden. Es ist Zielinski, der da aus dem Nichts heraus Einzug in die Wohnung eines allein lebenden Mannes hält. Zielinski, der gepflegte, höfliche Fremde, lebt fortan in einer mit blauem Samt ausgeschlagenen Holzkiste, im größten Zimmer des erzählenden Protagonisten. Es riecht nach Holz. Riecht es wirklich nach Holz? Zielinskis Stimme ist schön. Spricht Zielinski wirklich? Dieser Roman stellt auf eine raffinierte, absurd witzige und mitreißende Weise dar, wie Phantasien und Systeme greifen, wie es funktioniert, sich selbst voll und ganz in eine verheerende Idee zu verstricken, sich sogar in sie zu verlieben.

Nina Jäckle wurde 1966 in Schwenningen geboren, wuchs in Stuttgart auf, besuchte Sprachschulen in der französischen Schweiz und in Paris, wollte eigentlich Übersetzerin werden, beschloss aber mit 25 Jahren, lieber selbst zu schreiben, erst Hörspiele, dann Erzählungen, dann Romane. Ihre ersten Bücher erschienen im Berlin Verlag: “Es gibt solche”, “Noll”, “Gleich nebenan” und “Sevilla”. Bei Klöpfer & Meyer erschienen 2010 mit großem Erfolg ihre Erzählung “Nai oder was wie so ist” sowie 2011 ihr Roman “Zielinski” und 2014 “Der lange Atem”.

Sie erhielt zahlreiche literarische Auszeichnungen, z.B. den Karlsruher Hörspielpreis, das große Stipendium des Landes Baden-Württemberg sowie das Heinrich-Heine-Stipendium und das Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds. Nina Jäckle ist Mitglied im VS Baden-Württemberg und im deutschen P.E.N.

Bei der Veranstaltung “Erzählung und Wahn” auf der Buchmesse am Samstag, den 10. Mai, um 18.30 Uhr, werden Nina Jäckles Übersetzerin Carolina Previderé und die Lektorin Carolina Lieber ebenfalls anwesend sein. DieVeranstaltung ist auf Deutsch mit Simultanübersetzung.

Foto:
Die deutsche Schriftstellerin Nina Jäckle.

Gelebte Poesie

Der argentinische Dichter Juan Gelman starb 83-jährig in Mexiko

Von Philipp Boos

juan_gelman“Was erfreut die dunkle Nacht? Ein/Wort. Was/verseelt die dunkle/Nacht? Ein Wort.” In seinen Gedichten bediente sich Juan Gelman oft einfacher sprachlicher Mittel und konnte mit kurzen, prägnanten Versen gewaltige Bilder und Emotionen schaffen. Dass die große Kunst im Verzicht bestand, hat wohl keiner so gut verinnerlicht wie dieser bedeutende argentinische Dichter. Am Dienstag starb der 1932 als Kind ukrainischer Einwanderer in Buenos Aires geborene Dichter in Mexiko. Er wurde 83 Jahre alt.

Inspiriert vom Lebensgefühl seiner Heimatstadt Buenos Aires, schrieb er Gedichte über allzu Menschliches. Als Grundlage diente vor allem die Liebe, Inspiration für viele Dichter vor und wohl auch noch nach ihm. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk. Komplexe Gefühlswelten entwirrte Gelman mit Feinsinn und nicht selten mit großer Dramatik. Wie in seinem über die Landesgrenzen hinaus bekannten Gedicht “Gótan”, wo die einseitige, fanatische Liebe des Protagonisten schließlich nur den Ausweg des Selbstmordes kennt.

Argentinien trauert um einen Mann, der seinem Land 1976, mit Einsatz der Militardiktatur, den Rücken kehrt. Sein persönliches Leben kennt ebenso viele Schicksalsschläge, wie sie so oft Inhalt seines lyrischen Werkes waren. Doch hätte er die eigenen Erfahrungen gegen Ruhm und Buchauflagen eintauschen können, er hätte sich sicherlich auf einen solchen Handel eingelassen.

Schon während seiner Schulzeit am renommierten “Colegio Nacional de Buenos Aires” bewegt sich Gelman in Kreisen rebellischer Dichter und kommunistischer Aktivisten, die u.a. als “El Pan Duro” auf sich aufmerksam machen. Mit Einsatz der Diktatur im Jahre 1975, wird Argentinien für Gelman zu gefährlich und er verlässt das Land Richtung Mexiko.

Er muss nicht nur seine Heimat aufgeben, die inhaltlich in so enger Beziehung zu seinem lyrischen Schaffen steht. Denn oft sind Gelmans Verse eine Ode an die argentinische Kultur. Als wäre der Verlust des Mutterlandes nicht Strafe genug, nimmt Gelmans Leben eine weitere dramatische Wendung. Statt seiner entführt und ermordet die Militärjunta seinen Sohn Marcelo. Auch dessen damals hochschwangere Frau Claudia García wird Opfer der Diktatur. Und Gelman muss aus der Ferne tatenlos zusehen. Im Jahr 2000 schließlich ein später Glücksmoment, die Versöhnung mit der Vergangenheit. Gelman findet seine Enkelin in Uruguay.

Mit der Verleihung des Cervantes-Preises im Jahr 2007 wird seinem Lebenswerk die lang ersehnte internationale Anerkennung zuteil.

Juan Gelman ist stets ein poetischer Avantgardist gewesen, auch in Menschenrechtsfragen ein unermüdlicher Mahner. Sein Stil und die von ihm vertretene Ethik dienen als Vorbild, vor allem für schreibende Nachzügler. Die Welt verliert einen Dichter, dessen Leben und Werk eine einzigartige Einheit bilden. Gelmans Schaffen ist gelebte Poesie.

Uwe Timm in Buenos Aires

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Was kostet das Begehren? Lesung und Gespräch zu “Vogelweide”, dem aktuellen Roman von Uwe Timm

timm11Der neue, wunderbar choreographierte und vielschichtige Roman “Vogelweide” von Uwe Timm erzählt mit hoher Intensität und zugleich fast meditativer Ruhe, präzise, schön, komisch und klug von der Macht des Begehrens, von den geheimnisvollen Spielregeln des Lebens und von der Kunst des Abschieds.

Ein Mann hat alles verloren, seine Freundin, seine Geliebte, seinen Beruf, seine Wohnung, er hat einen Bankrott hinter sich und ist hoch verschuldet. Nun lebt er für eine Weile ganz allein auf einer Insel in der Elbmündung, versieht den Dienst als Vogelwart. Ein geradezu eremitisches Dasein, das durch einen Anruf durcheinandergewirbelt wird. Anna kündigt ihren Besuch an – eben jene Anna, die vor sechs Jahren vor ihm nach New York geflohen ist und zuvor sein Leben komplett aus den Angeln gehoben hat. Während Eschenbach sich auf das Wiedersehen mit ihr vorbereitet, seinen Alltagsritualen folgt, Vögel zählt und Strandgut sammelt, besuchen ihn die Geister der Vergangenheit und es entfaltet sich die Geschichte von Eschenbach, Selma, Anna und Ewald.

Es ist die Geschichte von zwei Paaren, die glücklich miteinander waren und es nicht bleiben konnten, als Eschenbachs große, verbotene, richtige und falsche Leidenschaft für Anna entbrannte. Uwe Timm lässt ein konturscharfes Bild unserer Gegenwart entstehen, in der die Partnerwahl einerseits von Optimierungsstrategien, andererseits von entfesselter Irrationalität geleitet wird – und immer auf dem Prüfstand steht. Ein Roman, der den Leser packt und wieder loslässt, auf dass er seinen eigenen Gefühlen und Wertvorstellungen nachspüren kann.

Uwe Timm wurde 1940 geboren und ist seit 1971 freier Schriftsteller. Sein literarisches Werk erscheint im Verlag Kiepenheuer & Witsch, zuletzt “Freitisch”, 2011, “Am Beispiel eines Lebens”, 2010, “Am Beispiel meines Bruders”, 2003, mittlerweile in 17 Sprachen übersetzt, “Der Freund und der Fremde”, 2005, und “Halbschatten”, Roman, 2008. Uwe Timm wurde 2006 mit dem Premio Napoli sowie dem Premio Mondello ausgezeichnet, erhielt 2009 den Heinrich-Böll-Preis und 2012 die Carl-Zuckmayer-Medaille.

  • Lesung / Gespräch mit Uwe Timm
  • Dienstag, 3. Dezember, 19 Uhr
  • Bibliothek des Goethe-Instituts Buenos Aires, Av. Corrientes 343
  • Eintritt frei; der Saal hat eine begrenzte Kapazität

Uwe Timm – lectura y entrevista pública

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¿Cuál es el precio del deseo? Lectura y entrevista pública con Uwe Timm

timm11El martes 3 de diciembre de 2013, a las 19 horas, se presentará en Buenos Aires Uwe Timm (Hamburgo, 1940), uno de los grandes narradores vivos de Alemania. En el encuentro en la biblioteca del Goethe-Institut (Av. Corrientes 343) leerá fragmentos de su última novela “Vogelweide”, inédita en castellano y que fue candidata al Premio del Libro Alemán en 2013. Como en “Las afinidades electivas de Goethe”, también en “Vogelweide [Pájaros a la redonda]” el deseo y la imposibilidad de resistir las pasiones revolucionan la vida de dos parejas que eran felices y podrían haber seguido siéndolo. Fragmentos de la novela fueron especialmente traducidos al castellano para esta lectura. Timm, nacido durante la Segunda Guerra Mundial y partícipe activo de la vida pública y literaria en Alemania desde mayo del 68 y durante toda la segunda mitad del siglo XX y lo que va del siglo XXI, conversará con el público sobre su vida y su obra.

Eschenbach, un hombre de cincuenta y pico lo ha perdido todo -su pareja (Selma), su amante (Anna), su amigo (Ewald, el ex marido de Anna), su trabajo, su casa- y ha dejado tras de sí una empresa en bancarrota y una montaña de deudas. Ahora vive completamente aislado en una isla del Mar del Norte donde su ocupación principal es la de ser cuidador de pájaros. Pasada la turbulencia, el hombre se ha entregado a una existencia ermitaña, solo sostenida por el cumplimiento meticuloso de pequeños rituales cotidianos. Hasta que recibe el llamado sorpresivo de Anna, que quiere visitarlo en la isla a seis años de la tormenta.

“Vogelweide [Pájaros a la redonda]” acaba de ser publicada en Alemania por la editorial Kiepenheuer & Witsch. Con intensidad y una calma meditativa a la vez, precisión, ironía e inteligencia, Timm narra sobre el poder de las pasiones, las reglas de juego en el amor como en la vida, el arte de la despedida. Una escritura cuyas cualidades bien podrían atribuirse al deseo mismo. El amor es una decisión racional e irracional al mismo tiempo: el viejo y conocido conflicto entre deseo y moral. “La novela es como un buen vaso de vino que lo deja a uno pensativo y a la vez lo hace tomar vuelo”, escribió la “Stuttgarter Zeitung”.

Uwe Timm nació a comienzos de la Segunda Guerra Mundial. Estudió filosofía y filología alemana en Múnich y Paris. Entre 1967 y 1969 participó de la Federación de Estudiantes Socialistas de Alemania y fue amigo cercano de Benno Ohnesorg, un estudiante que se hizo conocido por haber sido asesinado durante una manifestación en Berlín Occidental a finales de los 60. Uwe Timm es uno de los grandes narradores alemanes contemporáneos, autor de casi una treintena de títulos publicados. Sobre todo novelas, pero también poesía, guiones cinematográficos y reconocidos títulos de literatura infantil y juvenil. En castellano se publicaron “La noche de San Juan” (Alfaguara, 2001), “La invención de la salchicha al curry” (Akal Literaria. Madrid, 2003), “El hombre del Velocípedo” (Amaranto & Sipiente, Madrid, 2006), “El árbol de las serpientes” (Arte y Literatura, La Habana, 2003) y “Tras la sombra de mi hermano” (Destino, Madrid, 2007), donde narra la estremecedora historia de su hermano Karl-Heinz Timm, fallecido por heridas de guerra en el frente de Ucrania durante la Segunda Guerra Mundial. Se había alistado en las SS en 1942, a los dieciocho años. Más de medio siglo después, el novelista quiso indagar la figura de su hermano mayor con el propósito de desbrozar sus propias contradicciones.

Entre los numerosos galardones que obtuvo se destacan en 1989 y 2002 el Premio de Literatura de Múnich, en 2002 el Gran Premio de la Academia de Artes de Baviera y en 2009 el prestigioso premio Heinrich Böll. Su novela “Rot”, inédita en castellano, obtuvo los premios Napoli y Mondello de la ciudad de Palermo en 2006. A la larga lista de sus distinciones se sumó en 2012 la medalla Carl Zuckmayer.

El evento en la biblioteca del Instituto Goethe es libre y gratuito, pero la capacidad de la sala es limitada.

Sprache und Kultur des Jiddischen lebendig erhalten

Robert Neumann und Dr. Ulrike Kiefer vom Förderverein für jiddische Sprache und Kultur stellten in Buenos Aires das EYDES-Projekt vor

Von Janina Knobbe

neumann_kieferDie jiddische Sprache und Kultur ist nicht jedem alltäglich gegenwärtig, und vielen ist nicht mehr bewusst, dass sie nicht nur Bestandteil der europäischen Kultur, sondern durch Migrationsströme während sowie nach dem zweiten Weltkrieg auch auf anderen Teilen der Welt präsent ist. Dass die jiddische Sprache auch heute noch auf dem lateinamerikanischen Kontinent in einigen Gemeinden als Muttersprache erlernt wird, ist den wenigsten bekannt.

Damit weder die Sprache noch die Kultur des Jiddischen in Vergessenheit geraten, wurde in Argentinien, ein Land, welches während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und Europa viele Flüchtlinge jüdischer Abstammung aufnahm, bereits im Jahr 1928 die Stiftung IWO (Instituto Judío de Investigaciones) mit Sitz in Buenos Aires gegründet. Die Stiftung hat sich die wissenschaftliche Untersuchung, den Erhalt und die Verbreitung der jiddischen Kultur zum Ziel gemacht.

Dieselben Ziele verfolgt der deutsche Förderverein für jiddische Sprache und Kultur, der seit 1991 existiert, seinen Sitz in Düsseldorf hat und vierzehn freie Mitarbeiter zählt, die auf der ganzen Welt verteilt sind. Der Förderverein hat sich besonders eines in New York liegenden Archivs mit Interviewmaterial in jiddischer Sprache angenommen.

Vergangene Woche ist eine Delegation, bestehend aus dem Vorsitzenden des Vereins Robert Neumann sowie Dr. Ulrike Kiefer, langjähriges Mitglied des Vereins, nach Sao Paulo und Buenos Aires gereist, um das Projekt EYDES (Evidence of Yiddish in European Societies) vorzustellen. Hierbei handelt es sich um ein fünftausendstündiges Archiv mit Tonbandaufnahmen, welche in Form von Interviews die linguistischen Variationen der jiddischen Sprache innerhalb sowie außerhalb Europas dokumentiert.

Dieses Projekt wurde in den 1950er und 1960er Jahren von dem Linguisten Uriel Weinreich in den USA durchgeführt und liegt heute dank der Hilfe und Mitarbeit von freiwilligen Wissenschaftlern und Freunden der jiddischen Sprache in digitalisierter Form vor und ist für jeden frei zugänglich. Kiefer, Spezialistin für jiddische Sprache und Kultur, sowie Neumann, Linguist und Softwarehersteller für Sprachtechnologie, stellten das EYDES-Archiv am 21. und 22. Oktober in den Räumen des IWO in Buenos Aires im Rahmen einer Konferenz vor.

Laut Neumann besteht die Besonderheit dieses Archivs darin, dass es aus Tonbandaufnahmen besteht, da die Dokumentation von gesprochener Sprache im Normalfall lediglich in Papierform vorliegt. Das Archiv dient heute hauptsächlich zu Forschungszwecken, kann aber auch als Unterrichtsmaterial zum Erlernen des Jiddischen gebraucht oder als “Museum” für die sprachlichen Variationen des Jiddischen in der Welt betrachtet werden.

Über die Präsentation des Projekts hinaus lag die Intention ihrer Reise darin, einen direkten Austausch mit anderen Organisationen und Stiftungen anzuregen und die Begründung zukünftiger Partnerschaften zu initialisieren. Der Konsens des IWO und des Fördervereins liegt in der internationalen und transnationalen Verbreitung und Förderung des öffentlichen Bewusstseins für die jiddische Sprache und Kultur vor und nach 1945, jedoch vor allem auch in der internationalen Verbreitung von Informationen über das digitale Archiv, welches laut Kiefer und Neumann als ein gemeinsames Produkt aller Institutionen, die den Erhalt und die Förderung des Jiddischen in der Welt unterstützen, angesehen werden soll.

Hierbei soll auch der eurozentristischen Ausrichtung der Wissenschaftsproduktion zu dieser Thematik entgegengewirkt werden. Neumann und Kiefer zeigten sich zufrieden mit den bisherigen Resultaten ihrer Auslandsreise und hoffen auf die weitere Entwicklung internationaler Kooperationen sowie ein international ausgerichtetes Interesse an dem EYDES-Projekt, welches weiterhin durch die Mitarbeit von Freiwilligen existiert. Zukünftig steht die Transkription des Interviewmaterials aus, welche zur Erweiterung des wissenschaftlichen Umgangs mit dem Archiv beitragen soll.

Foto:
Robert Neumann und Dr. Ulrike Kiefer von Förderverein für jiddische Sprache und Kultur e.V.
(Foto: Janina Knobbe)

KOOK aus Berlin auf dem FILBA

Lesungen, Gespräche und Performances von deutschen und argentinischen Künstlern


Das Goethe-Institut Buenos Aires und das Internationale Literaturfestival FILBA, das vom 25. September bis zum 2. Oktober in Buenos Aires stattfindet, präsentieren zum ersten Mal in Südamerika eins der aktivsten Künstlernetzwerke aus Berlin: KOOK. Gemeinsam nach Buenos Aires kommen Daniela Seel (Lyrikerin, KOOK-Mitglied und Gründerin des Verlags kookbooks), Alexander Gumz (Lyriker, Redakteur und Veranstalter bei KOOK) und Susie Asado (Songwriterin und Sängerin beim Texttonlabel KOOK). Sie werden an Lesungen, Gesprächen und Performances mit lokalen Gästen teilnehmen, darunter Emilio García Wehbi, Leticia Mazur, Pablo Dacal, Laura Wittner, Fabián Casas, Gustavo López (Ediciones Vox), Fernando De Leonardis, Juana Sinmás, Osvaldo Vigna und Naty Menstrual.

“Das amortisiert sich nicht” war das Motto des zehnjährigen Jubiläums des unabhängigen Verlags kookbooks, das im Mai im Berliner Theaterdiscounter gefeiert wurde. Das Zitat stammt aus einem Gedicht von Tristan Marquardt, einem der jüngsten Autoren des Verlagskatalogs. Der Theaterdiscounter ist eine Spiel- und Produktionsstätte für zeitgenössisches Theater im Zentrum Berlins, unweit vom Alexanderplatz. Es wird von einer Gruppe frei arbeitender Theaterschaffender betrieben, die in ihrer Arbeit einen offensiven Umgang mit den realen, mitunter prekären Produktionsbedingungen der freien Szene pflegen.

Das Texttonlabel KOOK startete 1998 als “Künstler für Künstler”-Label von drei Berliner Musikbands. Heute ist es ein Netzwerk, das auf Veröffentlichungen und Veranstaltungen von und mit rund 400 Künstlern aus den Bereichen Musik, Literatur, bildende Kunst, Film und Performance setzen kann. Hervorgehend aus dem Labelnetzwerk gründete Daniela Seel 2003 den Verlag kookbooks. Für die taz war es damals die “spektakulärste”, für das Börsenblatt des deutschen Buchhandels die “erfrischendste” Verlagsgründung der letzten Jahre.

Das Goethe-Institut und das FILBA (Festival Internacional de Literatura en Buenos Aires) haben einige der Vertreter dieses Künstlernetzwerks zu einer Art Labor mit argentinischen Künstlern und Künstlerinnen eingeladen. Was soll dabei passieren? Die Künstler setzen sich zuerst über das Hindernis der Sprachen hinweg und experimentieren (erst aus der Entfernung, dann vor Ort) mit neuen Formen der Text-Ton-Präsentation, die über die konventionellen Lesungen hinausgehen. Auf diese Weise bearbeitet Alexander Gumz seine Texte in einer Tanz-und Wort-Performance, die von der Choreographin Leticia Mazur geleitet wird, in Übersetzung von Pablo Gianera.

Emilio García Wehbi erstellt für Daniela Seel eine audiovisuelle Performance und verwendet dabei Gedichte, die Martina Fernández Polcuch und Carla Imbrogno übersetzt haben. Und während Cecilia Pavón Texte aus dem Blog von Josepha Conrad übersetzt, wagt die Songschreiberin Susie Asado ein lyrisch-musikalisches Sprachspiel zusammen mit dem argentinischen Musiker Pablo Dacal.

Das Ergebnis dieses Labors wird im Rahmen des FILBA präsentiert. Außerdem werden die Gäste aus Deutschland gemeinsam mit argentinischen Künstlern an einem Gespräch über Lyrik-Edition und an einem literarischen Kabarett teilnehmen.

Im Anschluss daran werden Daniela Seel und Alexander Gumz Anfang Oktober nach Santiago de Chile reisen, wo die 5. Ausgabe des FILBA ebenfalls einen Sitz hat. Susie Asado und Pablo Dacal werden zudem ihre Arbeit ein zweites Mal im Rahmen des Internationalen Poesiefestivals in der Stadt Rosario vorstellen.

Veranstaltungsprogramm in Buenos Aires:

  • 27.9., 20.30 Uhr. “Asado Dacal”: Susie Asado & Pablo Dacal. Malba, Av. Figueroa Alcorta 3415. (+ 28.9. auf dem Internationalen Poesiefestival in Rosario)
  • 27.9., ab 21.30 Uhr, “Literarisches Kabarett” mit Laura Wittner, Fabián Casas, Fernando De Leonardis, Juana Sinmás, Osvaldo Vigna (mit Gitarrenbegleitung von Diego Moller und Cristian Remec), Naty Menstrual, Roxana Miranda, Daniela Seel, Alexander Gumz und Susie Asado. Übersetzung: Pablo Gianera, Cecilia Pavón, Martina Fernández Polcuch, Carla Imbrogno. Eterna Cadencia, Honduras 5574.
  • 28.9., 18 Uhr; “Das amortisiert sich nicht”: Kunst braucht Mäzene. Gespräch mit Daniela Seel, Alexander Gumz, Carlos Mux (LUX), Marina Gersberg (Pánico El Pánico) und Gustavo López (Ediciones Vox, Bahía Blanca). Moderation: Gabriela Massuh. Malba (s.o.).
  • 29.9., 18 Uhr: “Bitácora del FILBA”: Mit Harkaitz Cano, Emiliano Monge, Susie Asado, Inés Garland, Esther Cross und Federico Falco. Präsentation: Amalia Sanz. Malba (s.o.).
  • 29.9., 20 Uhr: “Die Wahrscheinlichkeit, dass weisse Tiere durch den Boden brechen”: Mit Alexander Gumz und Leticia Mazur. Übersetzung: Pablo Gianera. Licht: Matías Sendón, Assistenz: Georgina Forconesi, Regie: Leticia Mazur. Malba (s.o.).
  • 29.9., 21.30 Uhr: “Aurora”: Über ein Gedicht von Daniela Seel. Künstlerteam: Maricel Alvarez, Carolina Cervetto, Daniela Cervetto, Valeria Dalmon, Emilio García Wehbi, Nora Lezano, Horacio Marassi, Julieta Potenze, Daniela Seel, Amalia Tercelán. Übersetzung: Carla Imbrogno und Martina Fernández Polcuch. Künstlerischer Leiter: Emilio García Wehbi. Malba (s.o.).

Mehr Infos hier.

Bücher über Bücher

Lesefreunde kommen auf der 39. “Feria del Libro” voll auf ihre Kosten

Von Jana Münkel

Eigentlich kommt keiner dieser Tage an ihnen vorbei: Alle Brücken in Buenos Aires sind behängt mit riesigen Buchplakaten, auf denen “libros como puentes” steht. Die 39. Internationale Buchmesse von Buenos Aires ist in vollem Gange und lockt zahlreiche Besucher an. Es ist gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten bei den unzähligen Ständen, die zum Blättern, Schmökern oder Fragen einladen. Doch das Farbsystem der Buchmesse hilft bei der Orientierung und schließlich findet jeder zu seinem Wunschstand. Überall Bücher: Große, kleine, dicke, dünne, Wissenschaftliches und Spaßiges – da ist für alle etwas dabei.

Wer nicht ganz so zielgerichtet seinen Lieblingsverlag sucht, kann sich auch einfach treiben lassen und kommt dabei leicht ins Gespräch mit einem der vielen Freiwilligen, die den Besuchern etwas über ihren Stand erklären oder Literaturempfehlungen abgeben. Martín ist 18 Jahre alt und studiert Englisch an der UBA. Er arbeitet das erste Mal auf der Buchmesse am Longseller-Stand – weil ihm “Bücher einfach gut gefallen.” Eine nette Beratung gibt es auch am deutschen Stand, an dem viele spannende Bücher zum Lesen einladen. Zu Gast war dieses Jahr der in München geborene Schriftsteller Raul Zelik, der momentan eine Professur für Politik an der Nationaluniversität Kolumbiens innehat. Die spanische Ausgabe seines Buchs “Berliner Verhältnisse” stieß auf großes Interesse und ist bereits ausverkauft.

Wie in jedem Jahr ist auf der Buchmesse auch eine Stadt zu Gast; dieses Mal fiel die Wahl auf die Hauptstadt der Niederlande. Inmitten des Büchertrubels lädt das in hellem Holz gehaltene “Café Amsterdam” mit seinen typisch orangenen Fenstern zum Ausruhen ein. Bei einem (zugegebenermaßen ziemlich süßen Instant-) Cappuccino und einer Medialuna können die Besucher in ihren erworbenen Büchern schmökern oder auch die ausliegende niederländische Literatur entdecken. Das niederländische Kulthäschen Miffy darf natürlich ebenfalls nicht fehlen und schaut verschmitzt durch die Hintertür. Wer dann noch nicht genug hat, kann an den zahlreichen angebotenen Buchvorstellungen, runden Tischen und Diskussionsrunden teilnehmen (Programm). Bis zum kommenden Montag, den 13. Mai, kann noch “buchgemesst” werden.

Fotos von oben nach unten:
Überlebensgroße Bücher: Der Traum so mancher Leseratte.

Oranje! Das Café Amsterdam.
(Fotos: Jana Münkel)

Die Welt der Lyrik in Buenos Aires

VIII. Internationales Poesiefestival im Rahmen der Buchmesse

Von Jessica Steglich

Am gestrigen Freitag wurde im Rahmen der 39. Internationalen Buchmesse von Buenos Aires zum achten Mal das Internationale Poesiefestival eingeläutet. Auch dieses Jahr werden Gäste aus aller Welt willkommen geheißen; Poeten aus Argentinien, Chile, Dänemark, Ecuador, Frankreich, Indien, Kanada, Kolumbien, Kuba, den Niederlanden, Palästina, der Schweiz, Spanien und der Türkei stellen ihre Werke vor und diskutieren in kleiner Runde über neue und vergangene Entwicklungen in der Poesie. Am Samstag und Sonntag dieses Wochenendes kann man jeweils ab 18.00 Uhr Gesprächsrunden mit den geladenen Dichtern besuchen.

Das Festival empfängt auch zwei Autoren aus Holland, denn die Stadt Amsterdam ist in diesem Jahr Ehrengast der Buchmesse. So fand am gestrigen Freitag eine Gesprächsrunde mit dem international renommierten Schriftsteller, Journalisten und Lyriker Cees Nooteboom statt, der bereits für den Literaturnobelpreis nominiert worden ist. Sein Werk umfasst sowohl Bücher zum Thema Reisen als auch Essays und Romane und zeichnet sich durch seine Leidenschaft für die visuelle Welt und die Kunst aus.

Am heutigen Samstagabend um 20.30 Uhr wird im “Salón de Poesía 8” eine weitere Autorin aus Holland zu Gast sein: die Dichterin, Prosa-Autorin und Dramaturgin Anne Vegter. Ihr Debüt gab die 54-Jährige im Jahr 1989 mit dem Kinderbuch “De dame en de neushoorn” (Die Dame und das Nashorn). Im Januar diesen Jahres wurde sie unter anderem aufgrund ihrer offenen Sichtweise, der Eindringlichkeit ihrer Sprache und ihrer Fähigkeit, auch Kinder in ihren Bann zu ziehen, für den Titel “Ausgezeichnete Lyrikerin der Niederlande” nominiert. Ihre Anthologie “50 Dichter aus Amsterdam”, mit Übersetzungen der Werke ins Spanische, wird im Rahmen der Buchmesse in Buenos Aires vorgestellt.

Aus dem deutschsprachigen Raum ist die fränkische Lyrikerin und Performancekünstlerin Nora Gomringer am Sonntag um 18.00 Uhr im “Salón de Poesía 9” zu Gast. Die Deutsch-Schweizerin veröffentlichte bisher sechs Gedichtsammlungen, darunter “Monster Poems”. Im Jahr 2011 wurde sie mit dem “Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache” ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt sie dann den “Joachim-Ringelnatz-Preis” für Poesie. Sie lebt in Bamberg und leitet dort seit 2010 das “Internationale Künstlerhaus Villa Concordia”. Sie ist außerdem Mitglied des PEN-Schriftstellerverbandes Deutschland.

Am Sonntag, den 5. Mai, um 20.00 Uhr, endet der offizielle Programmteil; das Festival öffnet sich für die Straßen und Bars von Buenos Aires. Das Programm dieses zweiten Teils findet man hier.

Neben diesem allgemeinen Programm bietet die vor einem Jahr eröffnete “Schule der Poesie” außerdem kostenlose Lyrik-Kurse an, die während des Festival an verschiedenen Orten stattfinden. Am heutigen Samstag kann man beispielsweise den Kurs “Poesía y Memoria” (Poesie und Erinnerung) im Museo Larreta (Juramento 2291) besuchen. Weitere Informationen zu den Themen und Zeitpunkten der Kurse findet man hier.

Die komplette Agenda des Poesiefestivals ist hier einsehbar.

Foto:
Innovativ: Die fränkische Lyrikerin und Performancekünstlerin Nora Gomringer ist am Sonntag auf der Buchmesse zu Gast.
(Foto: N. Gomringer)